Politik

Der weltweite Einfluss von Bill Gates auf die Medien  

Lesezeit: 4 min
29.06.2022 14:50  Aktualisiert: 29.06.2022 14:50
Microsoft-Gründer Bill Gates war während der Pandemie in vielen Medien präsent. Weniger bekannt sind seine zahlreichen Spenden an internationale Medienhäuser. Dabei hat die „Bill & Melinda Gates“-Stiftung in letzten Jahren dreistellige Millionenbeträge an die Medien überwiesen – auch an deutsche. Die Spenden sorgten auch dafür, dass Inhalte angepasst wurden.

Während die Medienimperien anderer Milliardäre relativ gut bekannt sind, blieb das Ausmaß, in dem Bill Gates die moderne Medienlandschaft beeinflusst, lange Zeit unklar. Einem Bericht des amerikanischen Medienportals MintPress zufolge spendete die „Bill & Melinda Gates“-Stiftung, die das Vermögen des Microsoft-Gründers verwaltet, 319 Millionen Dollar internationalen Medien- und Verlagshäusern.

Zu den bekanntesten Nachrichtenmagazinen, die Spenden der „Bill & Melinda Gates“-Stiftung erhielten, zählen Al-Jazeera aus dem arabischen Raum, The Guardian, Financial Times, Daily Telegraph und BBC aus Großbritannien, CNN, NBC, NPR, PBS, Texas Tribune und The Atlantic aus den USA, El Pais aus Spanien und Le Monde aus Frankreich. Hinzu kommt eine Reihe von Radiosendern sowie bekannte Webportale, darunter Medium.com und Project Syndicate. Für die Erstellung der Liste sahen die Journalisten mehr als 30.000 Einzelspenden der Stiftung durch, betonen jedoch, dass die Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Denn gezählt wurden nur direkte Spenden an Medienhäuser, die auf der Webseite der Gates-Stiftung als Medienpartner aufgeführt werden. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass tausende Spenden, die indirekt Einfluss auf die Arbeit von Medien nehmen, außen vor blieben.

Als Beispiel nennt MintPress eine Zusammenarbeit zwischen der Stiftung und dem amerikanischen Medienkonzern ViacomCBS. Laut verschiedener Medienberichte bezahlte die Gates-Stiftung ViacomCBS dafür, Informationen und Werbespots in seinem Programm, zu dem unter anderen die Sender CBS News, MTV, VH1, Nickelodeon und BET gehören, auszustrahlen. Dieser Einfluss reichte soweit, dass sogar Handlungsstränge in beliebten TV-Serien wie Emergency Room und Law & Order im Sinne der Stiftung angepasst wurden. Die Drehbücher seien dahingehend angepasst worden, um auch „pädagogische Inhalte“ zu den Themen öffentliche Gesundheit und zur Ausbreitung von Infektionskrankheiten einzufügen. Darüber hinaus seien Projekte durch die Stiftung zur „Förderung der Zusammenarbeit zwischen medizinischen Experten und Fernsehautoren und -produzenten“ finanziert worden.

Gates in Deutschland zur besten Sendezeit als Gesundheitsexperte

Im Zuge der Pandemie nahm der Microsoft-Gründer verstärkt die Rolle des Gesundheits- und Public-Health-Experten ein, etwa als er zur besten Sendezeit in den Tagesthemen auftrat. Dort durfte er vor einem deutschen Millionenpublikum Schreckensszenarien aufbauen, nach denen etwa die Ansteckungsraten und Todesfälle in Afrika rasant steigen würden und „dort die Epizentren der Pandemie in den kommenden Monaten“ liegen würden. Heute wissen wir, dass Afrika viel besser durch die Pandemie gekommen ist als die Industrienationen in Europa und Nordamerika.

Anschließend berichtete Bill Gates von den Bemühungen um die Impfstoff-Entwicklung und darüber, wie der Impfstoff auf aller Welt verteilt werden soll. Das wäre ein guter Zeitpunkt für einen Journalisten gewesen, kritische Nachfragen zu stellen. Zum Beispiel dazu, dass Gates selbst seit Jahren hohe Summen in die Impfstoff-Entwicklung investiert und das Ganze womöglich nicht nur altruistisch motiviert ist. Immerhin war zu diesem Zeitpunkt längst bekannt, das Gates auch an der Corona-Impfstoff-Entwicklung kräftig mitverdienen will. Laut einem Bericht von Der Aktionär beteiligte sich die „Bill & Melinda Gates“-Stiftung finanziell an AstraZeneca, Johnson & Johnson, Sanofi sowie Novavax und unterhielt darüber hinaus Kooperationen zu BioNTech und Moderna.

Deutsche Medien auf der Empfängerliste

Auf der Liste der einflussreichsten Medienhäuser weltweit, die von der „Bill & Melinda Gates“-Stiftung gesponsert wurden, darf auch Der Spiegel nicht fehlen. Laut einem Bericht des Branchenportals Newsroom hat Gates dem Hamburger Nachrichtenmagazin im Herbst 2021 satte 2,9 Millionen Dollar (rund 2,5 Millionen Euro) überwiesen. Es war auch nicht die erste Zuwendung der Gates-Stiftung an den Spiegel. Schon 2018 flossen rund 2,3 Millionen Euro aus dem Vermögen der Stiftung nach Hamburg. Laut dem MintPress-Bericht flossen über die Jahre sogar insgesamt 5,4 Millionen Dollar an den Spiegel, immerhin die siebtgrößte Zuwendung der Stiftung auf der Liste.

Neben dem Spiegel steht auch das deutsche Format „Kurzgesagt“ auf der Empfängerliste der Gates-Stiftung. Der YouTube-Kanal besteht aus animierten Erklärvideos zu wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Themen. Die Gates-Stiftung spendete laut MintPress 570.000 Dollar an die Macher des Online-Formats. Außerdem erhielten die Medienplattformen von Correctiv, Investigative Europe und die Wissenschaftsredaktion des Science Media Center Germany Gelder aus der Gates-Stiftung, wie Newsroom berichtet.

Laut eigener Aussage hat Der Spiegel mithilfe der Gates-Millionen eine eigene Rubrik namens „Globale Gesellschaft“ gegründet, unter der „Reporter aus Asien, Afrika, Lateinamerika und Europa über Themen berichten, die Gesellschaften weltweit spalten: Migration, Klimawandel, soziale Ungleichheiten.“ Gates und seine Stiftung würden selbst keinen Einfluss auf redaktionelle Inhalte nehmen, betont Der Spiegel, und über die Tätigkeiten der Gates-Stiftung habe das Magazin „stets kritisch und unabhängig berichtet; wir werden das auch weiterhin tun“. Dasselbe gelte für Bill und Melinda Gates sowie ihre persönlichen Investments.

Doch der Verdacht drängt sich auf, das Hamburger Medienhaus selbst werde wohl kaum die Hand beißen, die es füttert.

Eine Suche im Archiv fördert jedenfalls keine kritischen Gates-Artikel hervor und beinhaltet nur die üblichen Lobgesänge auf den „Philanthropen Gates“ sowie begleitende Berichterstattung zur Scheidung von seine langjährigen Ehefrau Melinda. Auch aufs Cover zur Titelgeschichte „Die feudalistische Welt der Superreichen“ schaffte es Gates nicht. Im Artikel selbst taucht der Name des Microsoft-Gründers – laut Forbes-Liste mit einem Vermögen von 129 Milliarden Dollar immerhin viertreichster Mann der Welt – genau einmal am Rande auf. Der Artikel fokussiert sich stattdessen lieber auf Tesla-Gründer Elon Musk und Amazon-Gründer Jeff Bezos (Platz 1 und 2 der Forbes-Liste).

Der wachsende Einfluss von Milliardären auf die Medienlandschaft

Bill Gates befindet sich mit seinem wachsenden Medienengagement in gute Gesellschaft seiner Milliardärskollegen. Jeff Bezos hat sich mit der Washington Post ein Aushängeschild der amerikanischen Presselandschaft gekauft. Und die Liste der Medien, die in den letzten Jahren von Superreichen aufgekauft wurden, ist lang und renommiert: Boston Globe (John Henry), L.A. Times (Patrick Soon-Shiong), The Atlantic (Laurene Powell Jobs) und Time Magazine (Marc Benioff), um nur einige zu nennen. In Kürze könnte auch Twitter auf der Liste landen, wenn die Übernahme durch Elon Musk erfolgreich ist. Rupert Murchoch dürfte der größte Medienmogul unter den Milliardären sein. Ihm gehören unter anderem Fox News, The Times of London, Wall Street Journal und New York Post.

Die Investments der Superreichen treffen dabei auf eine seit Jahrzehnten im Niedergang befindliche Medienlandschaft, die es bis heute nicht geschafft hat, die Profite aus der Print-Ära in die digitale Welt zu überführen. Die Kassen sind klamm, viele Redaktionen wurden auf ein Minimum zusammengeschrumpft und sind daher notgedrungen offen für jeden neuen Investor. Wenn dieser neue Investor dann sogar, wie im Fall der Gates-Stiftung, nicht Profit-orientiert ist und öffentlich beteuert, sich nicht in redaktionelle Inhalte einmischen zu wollen, umso besser.

Laut eines Bericht des Columbia Journalism Review finanzierte die Bill & Melinda-Gates-Stiftung schon 2016 einen Bericht des American Press Institute, der dazu diente, Richtlinien zu entwickeln, wie Redaktionen ihre redaktionelle Unabhängigkeit von philanthropischen Geldgebern wahren können. Der gesponserte Bericht kam zu dem – wenig überraschenden – Schluss: „Es gibt kaum Hinweise darauf, dass Geldgeber auf einer redaktionellen Überprüfung bestehen oder eine solche durchführen.“

Dennoch scheint Gates' Großzügigkeit dazu beigetragen zu haben, dass das Medienumfeld für die weltweit bekannteste Wohltätigkeitsorganisation zunehmend freundlich wurde. Vor zwanzig Jahren betrachteten Journalisten Bill Gates' ersten Ausflug in die Philanthropie als Mittel zur Bereicherung seines Softwareunternehmens oder als PR-Übung zur Rettung seines ramponierten Rufs nach Microsofts jahrelangem Kartellstreit mit dem Justizministerium. Heute ist die Stiftung zumeist Gegenstand sanfter Profile und glühender Leitartikel, in denen ihre gute Arbeit beschrieben wird. Derselbe Guardian, der Gates vor zwanzig Jahren vorwarf, aus PR-taktischen Gründen zu handeln, erhob den Microsoft-Gründer kürzlich zum „Heiligen“.

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André Jasch ist freier Wirtschafts- und Finanzjournalist und lebt in Berlin.  

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