Politik
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Die EU: Wohin führt der Weg?

Geht die EU ihrem Ende entgegen oder steht sie vor einer glorreichen Zukunft? Wie haben mit dem EU-Experten Peter Becker gesprochen.
02.07.2022 11:31
Lesezeit: 2 min
Die EU: Wohin führt der Weg?
Ist die EU ein fragiles politisches Gebilde, das vor der Auflösung steht? Oder werden zu den derzeit 27 Mitgliedern noch weitere hinzukommen? (Foto: Udo Pohlmann/Pixabay)

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Kritiker würden wohl sagen: Die Bunderepublik unterwirft sich dem Diktat der EU. Warum tut sie das?

Peter Becker: Deutschland war und ist das mächtigste Land Europas. Zweimal hat es versucht, eine Hegemonialstellung einzunehmen, hat beide Male einen Weltkrieg entfesselt. Das ist im kollektiven Gedächtnis der anderen europäischen Völker natürlich fest verankert. Das können Sie noch heute feststellen: Lesen Sie beispielsweise mal Artikel in der polnischen, dänischen oder niederländischen Presse. Diese Skepsis den Deutschen gegenüber ist angesichts der vergleichsweise kurzen Zeitspanne, die seit den beiden Weltenbränden vergangen ist, ja auch durchaus verständlich.

Und da zeigt sich die Bedeutung einer europäischen Staatengemeinschaft: Zweimal hat die Mitgliedschaft in einer solchen es vermocht, den anderen Ländern Europas die Furcht vor Deutschland zwar nicht völlig zu nehmen, sie aber doch deutlich zu verringern. Das eine Mal war es Deutschlands Eintritt in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) im Jahr 1957 – er sorgte für die Westintegration Deutschlands in die europäische Staatengemeinschaft. Das andere Mal war es Deutschlands langjährige friedliche und konstruktive Mitgliedschaft in der EU – sie sorgte nach der Wiedervereinigung dafür, dass von Deutschlands neuer Macht und Größe weniger Bedrohung ausging, als es ohne die Existenz der EU der Fall gewesen wäre. Oft wird gesagt, Deutschland sei zu klein, um Europa zu beherrschen, aber zu groß, um als Gleicher unter Gleichen zu agieren: Die mit diesem Diktum zum Ausdruck gebrachte Realität verlor durch Deutschlands Mitgliedschaft in der Gemeinschaft viel von ihrem Schrecken, weil die EU in ihrer Gesamtheit sozusagen Deutschlands gewachsenes Gewicht machtpolitisch ausbalanciert.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Was Sie sagen, ist nachvollziehbar, stellt aber genaugenommen keine Antwort auf unsere Frage dar. Sie zeigen auf, wie Deutschlands Einbindung in die EU den anderen Staaten Europas einen großen Teil ihrer Furcht vor dem Koloss im Zentrum des Kontinents nimmt. Aber inwiefern profitiert Deutschland davon? Um es drastisch auszudrücken: Läge es nicht vielleicht sogar im (macht)politischen Interesse Deutschlands, wenn es von den anderen gefürchtet wird?

***

Dr. Peter Becker beschäftigt sich seit mehr als 25 Jahren mit Fragen des europäischen Integrationsprozesses und der deutschen Europapolitik. Seit 2004 ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe EU/Europa der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ in Berlin tätig. Zuvor war er von 1998 bis 2004 stellv. Referatsleiter im Europareferat der Thüringer Staatskanzlei in Erfurt sowie von 1995 bis 1998 wissenschaftlicher Mitarbeiter am „Institut für Europäische Politik“ (IEP) in Bonn.


Dieser Text stellt einen Auszug aus unserem aktuellen Magazin "Die EU: Zwischen Ausdehnung und Auflösung" dar.
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