Wirtschaft

Russland will mehr Gas nach Deutschland liefern - unter einer Bedingung

Russland will seine Gaslieferungen nach Europa erhöhen, wenn eine für Nord Stream 1 notwendige Turbine zurückgegeben wird, die derzeit in Kanada repariert wird.
Autor
09.07.2022 18:04
Aktualisiert: 09.07.2022 18:04
Lesezeit: 2 min

Die Ukraine hat Kanada am Donnerstag gedrängt, eine für Nord Stream 1 notwendige Gasturbine, die derzeit in Kanada repariert wird, nicht an Gazprom zurückzugeben. Der Ukraine zufolge verfügt der russische Konzern über genügend Turbinen, um die Gaslieferungen nach Europa mit voller Kapazität aufrechtzuerhalten.

Einem Bericht von Reuters zufolge, der sich auf einen ukrainischen Regierungsbeamten beruft, würde Kanada mit der Rückgabe der Turbine an Gazprom gegen seine eigenen Sanktionen verstoßen. "Die Sanktionen verbieten den Transfer jeglicher Ausrüstung im Zusammenhang mit Gas", sagte die ukrainische Regierungsquelle.

"Wenn, Gott bewahre, diese Entscheidung genehmigt wird, werden wir zweifellos an unsere europäischen Kollegen appellieren, dass ihr Ansatz überdacht werden muss", so der Beamte. "Denn wenn sich Länder nicht an Entscheidungen halten, die sie in Bezug auf Sanktionen getroffen haben, wie können wir dann von Solidarität sprechen?"

Indes hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Kanada aufgefordert, die Anlage an Gazprom freizugeben. "Ich werde der erste sein, der für ein weiteres starkes EU-Sanktionspaket kämpfen wird", sagte er Anfang der Woche zu Bloomberg. "Aber starke Sanktionen bedeuten, dass sie Russland und Putin mehr schaden müssen als unserer Wirtschaft".

Die Turbinen-Affäre begann bereits im letzten Monat, als Gazprom begann, die Gaslieferungen über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 zu reduzieren. Das russische Staatsunternehmen führte die Drosselung der Gasflüsse auf eine fehlende Turbine zurück, die nach einer Wartung nicht zurückgegeben worden war.

Der deutsche Energiekonzern Siemens Energy erklärte: "Aufgrund der von Kanada verhängten Sanktionen ist es Siemens Energy derzeit nicht möglich, überholte Gasturbinen an den Kunden zu liefern. Wir haben die kanadische und die deutsche Regierung informiert und arbeiten an einer praktikablen Lösung."

Infolge der Lieferverzögerung ist die Nord Stream 1-Pipeline inzwischen nur noch zu rund 40 Prozent ausgelastet, und die deutschen Abnehmer müssen sich darauf einstellen, dass der Durchfluss wegen der geplanten Wartungsarbeiten, die am Montag, den 11. Juli beginnen, komplett unterbrochen wird.

Normalerweise würde Gazprom die Gaslieferungen auf andere Pipelines umleiten. Doch in der aktuellen Lage ist zu erwarten, dass das Unternehmen dies nicht tun wird. Denn die Beziehungen zwischen Russland und der Europäischen Union haben infolge des Konflikts um die Ukraine einen historischen Tiefpunkt erreicht.

Kanada hat angedeutet, dass es die Turbine nicht zurückzugeben will. Der kanadische Minister für natürliche Ressourcen, Jonathan Wilkinson, sagte Ende Juni: "Wenn man mit den Deutschen spricht, sind sie sehr, sehr besorgt über ihre Energiesicherheit. Ich bin sicher, dass das Thema zumindest auf den Fluren der G7 zur Sprache kommen wird. Ich würde nicht darauf hoffen, dass wir bis zum Ende eine Lösung finden werden."

Eine Quelle aus dem ukrainischen Energieministerium, sagte jedoch zu Reuters, man habe Informationen, wonach Kanada die Übergabe der Ausrüstung vorbereite, und eine andere ungenannte Quelle sagte, die Entscheidung sei getroffen worden, weil Kanada und Deutschland Russland keinen Vorwand geben wollten, das Gas nicht weiter nach Deutschland fließen zu lassen.

Die Ukraine hat Moskau vorgeworfen, die Erdgaslieferungen als Waffe einzusetzen, um Druck auf Kiews europäische Verbündete auszuüben, damit diese ihre Unterstützung für die Ukraine verringern. Kanadas große ukrainische Gemeinschaft hat sich auch bei der Regierung von Premierminister Justin Trudeau dafür eingesetzt, die Turbine nicht an Russland zurückzugeben.

Kiew hat wiederholt die Verhängung weiterer Sanktionen gegen Russland gefordert. "Wenn die Kanadier die Entscheidung treffen, die Turbine zu übergeben, egal ob an Gazprom oder an Deutschland, um sie weiterzugeben, wäre dies ein Präzedenzfall, bei dem zwei G7-Länder die gegen Russland verhängten Sanktionen umgehen", sagte die Quelle aus dem ukrainischen Energieministerium.

Update vom Sonntag: Kanada hat angekündigt, die Lieferung der gewarteten Turbine aus Montréal trotz der Sanktionen gegen Russland zu ermöglichen. Dazu werde Kanada "eine zeitlich begrenzte und widerrufbare Erlaubnis" an Siemens Canada geben, sagte der für Bodenschätze zuständige Minister Jonathan Wilkinson. Die Turbine soll aus Kanada erst nach Deutschland und anschließend nach Russland geliefert werden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik E-Autos: Kfz-Steuerbefreiung bei Elektroautos bis 2035 verlängert
19.12.2025

Elektroautos sollen länger steuerfrei bleiben – doch die neuen Regeln haben einen Haken. Ein Beschluss im Bundesrat verschiebt Fristen,...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Finanzierung bis 2027: EU einigt sich auf 90 Milliarden Euro – Moskau spottet
19.12.2025

Die EU hat sich nach zähem Ringen auf eine Ukraine-Finanzierung bis 2027 geeinigt. Ein zinsloser Kredit über 90 Milliarden Euro soll...

DWN
Politik
Politik Pendlerpauschale rauf, Mehrwertsteuer runter: Bundesrat billigt Steuerpaket
19.12.2025

Der Bundesrat hat ein Steuerpaket auf den Weg gebracht, das Pendler, Gastronomie und Ehrenamt spürbar berührt. Hinter der Entlastung...

DWN
Finanzen
Finanzen Schluss mit Spekulation: In welche Kryptowährung investieren?
19.12.2025

Tausende Kryptowährungen konkurrieren um Aufmerksamkeit. Doch nur wenige haben echtes Potenzial. Diese Analyse zeigt, wie sich seriöse...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bundesbank dämpft Erwartungen für 2026: Konjunkturflaute lässt Wachstum nur langsam zurückkehren
19.12.2025

Nach Jahren der Konjunkturflaute soll 2026 endlich wieder Bewegung in Deutschlands Wirtschaft kommen – doch der Aufschwung bleibt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Autohäuser betrogen: Fake-Autos, echter Millionenschaden – Razzia in mehreren Bundesländern
19.12.2025

Fünf Verdächtige, mehrere Bundesländer, ein Schaden in Millionenhöhe: Autohäuser sollen auf scheinbar seriöse Angebote hereingefallen...

DWN
Finanzen
Finanzen Hexensabbat: Großer Verfallstag an den Terminbörsen lässt Kurse tanzen
19.12.2025

Wenn an den Terminbörsen der Hexensabbat naht, steigt die Nervosität: Kontrakte laufen aus, Volumen schießt hoch, Kurse zucken. Anleger...

DWN
Politik
Politik Venezuela-Sanktionen: Machtprobe auf See mit globalen Folgen
19.12.2025

Donald Trump greift im Machtkampf mit Caracas zu einem drastischen Mittel. Die vollständige Blockade sanktionierter Öl-Tanker soll...