Finanzen

Was bedeutet die Zinswende für Lebensversicherungen?

Die hohe Inflation hat Folgen auch für Lebensversicherungen. Doch es dürfte eine Weile dauern, bis sich die Zinswende dort positiv bemerkbar macht.
30.07.2022 10:03
Lesezeit: 2 min

Die meisten Lebensversicherungskunden können Branchenexperten zufolge trotz der Zinswende am Kapitalmarkt vorerst nicht auf eine steigende Verzinsung des Altersvorsorgeklassikers hoffen. Wegen der hohen Inflation müssen sich Verbraucher zugleich darauf einstellen, dass Schaden- und Unfallversicherungen teurer werden.

«Ich würde in den nächsten drei bis fünf Jahren bei klassischen Kapitallebensversicherungen nicht mit einem Anstieg der laufenden Verzinsung rechnen», sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Aktuarvereinigung, Herbert Schneidemann. Ein schnellerer Zinsanstieg sei bei Lebensversicherungen vorstellbar, bei denen Kunden nur einmalig einen Beitrag entrichten.

Um die hohen Garantien für Altverträge von bis zu 4 Prozent abzusichern, mussten die Versicherer während der Zinsflaute Geld zurückstellen. Dieses Geld konnte nicht an die Kunden ausgeschüttet werden. Weil die Zinsen von Staatsanleihen zuletzt gestiegen sind, ist der Kapitalpuffer - im Fachjargon Zinszusatzreserve - im Schnitt nun ausreichend gefüllt. «Die Zinszusatzreserve ist mit rund 100 Milliarden Euro Ende 2021 im Schnitt ausfinanziert», sagte Schneidemann. Das bedeutet, dass viele Versicherer kein weiteres Geld mehr zurückstellen müssen.

Andererseits entstehen durch die Zinswende sogenannte stille Lasten in der Bilanz. Schneidemann rechnet damit, dass viele Assekuranzen nach dem Prinzip «der Vorsichtige tilgt eher» zunächst die stillen Lasten abbauen, bevor sie die Überschussbeteiligung für ihre Kunden erhöhen.

Die Überschussbeteiligung, die Lebensversicherer je nach Wirtschaftslage und Erfolg ihrer Anlagestrategie jedes Jahr neu festsetzen, ist ein Teil der laufenden Verzinsung des Altersvorsorgeklassikers.

Hinzu kommt der Garantiezins, den das Bundesfinanzministerium nach Berechnungen der Aktuarvereinigung und Empfehlungen der Finanzaufsicht Bafin festlegt. Derzeit liegt dieser sogenannte Höchstrechnungszins für Neuverträge, die seit Jahresbeginn abschlossen werden, bei 0,25 Prozent. «Ich glaube, dass es noch ein paar Jahre dauern wird, bis der Höchstrechnungszins wieder steigt - sofern sich das Zinsniveau weiter stabilisiert», sagte Schneidemann, der Vorstandschef der Versicherungsgruppe die Bayerische ist.

Die laufende Verzinsung aus Überschussbeteiligung und Garantiezins, die sich nur auf den Sparanteil nach Abzug der Kosten bezieht, liegt nach seinen Angaben aktuell im Schnitt bei knapp über 2 Prozent.

Teurer dürften wegen der stark gestiegenen Inflation Schaden- und Unfallversicherungen werden. So sei beispielsweise die Gebäudeversicherung von dem extrem starken Anstieg der Baukosten betroffen. «Ich persönlich gehe davon aus, dass wir schnellere und höhere Prämienanpassungen durch Änderungskündigungen bei Nicht-Pflichtversicherungen sehen werden», sagte der Versicherungsmathematiker Schneidemann (Aktuar). So könnten Versicherer etwa Verträge in der Wohngebäudeversicherung kündigen und bei ihren Kunden auf diese Weise höhere Prämien durchsetzen.

In der Kfz-Versicherung komme «erschwerend hinzu, dass neben der Inflation die Hagelereignisse so stark zunehmen», sagte Schneidemann. Deshalb dürften vor allem Kasko-Versicherungen für die Kunden teurer werden. Im Gegensatz zu Lebensversicherungen, der Kfz-Haftpflicht und privaten Krankenversicherungen können Assekuranzen Versicherungen kündigen, die nicht verpflichtend sind wie Hausrat- oder Gebäudeversicherungen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Politik
Politik Russlands Desinformationskampagnen: Wie Europa gegen Putins Trolle kämpft
06.12.2025

Europe wird zunehmend Ziel digitaler Einflussoperationen, die gesellschaftliche Stabilität, politische Prozesse und wirtschaftliche...

DWN
Immobilien
Immobilien Baufinanzierung Zinsen: Entwicklung des Bauzinses 2025 - und wie es 2026 weitergeht
06.12.2025

Nachdem die Zinsen – darunter der Bauzins – in Deutschland seit 2019 eine gewisse Schieflage erreicht haben, scheint nun Ruhe...

DWN
Finanzen
Finanzen Marktausblick 2026: Internationale Aktien und Small-Cap-Aktien sind am besten positioniert
06.12.2025

KI treibt Teile der Weltwirtschaft nach vorn, während andere Branchen stolpern. Gleichzeitig locken Staaten mit neuen Ausgabenprogrammen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Schiene unter Druck: Expertenrunde soll Bahnverkehr stabilisieren
06.12.2025

Wegen anhaltender Probleme im Zugverkehr arbeitet eine neue Taskforce an kurzfristigen Lösungen für mehr Pünktlichkeit und Stabilität...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Automobilindustrie erholt sich: Nachfrage kehrt zurück
06.12.2025

Die europäischen Neuzulassungen ziehen spürbar an und signalisieren eine langsame, aber stabile Erholung der Automobilindustrie. Doch...

DWN
Technologie
Technologie Bidirektionales Laden in Schweden: E-Autos und Solaranlagen bieten neue Energie für Haushalte
06.12.2025

In Schweden entwickelt sich eine neue Form der dezentralen Energieversorgung, bei der Haushalte Strom selbst erzeugen und intelligent...

DWN
Politik
Politik Benelux-Einigung: Wie ein radikaler Zusammenschluss Europa herausfordern würde
06.12.2025

Mitten in einer Phase wachsender geopolitischer Spannungen nehmen belgische Politiker eine Vision wieder auf, die lange undenkbar schien...

DWN
Politik
Politik Trumps US-Sicherheitsstrategie und die Folgen für Europa
05.12.2025

Donald Trumps neue US-Sicherheitsstrategie rückt Europa ins Zentrum – allerdings als Risiko. Das 33-seitige Papier attackiert...