Politik

Analysten: Merkel ist die eigentliche Siegerin des EU-Gipfels

Nachdem sich die ersten Rauchschwaden der italienischen Sieges-Feuerwerke verzogen haben, kehrt Ernüchterung ein: Die meisten Analysten halten wenig bis gar nichts von den EU-Gipfelergebnissen.
29.06.2012 15:40
Lesezeit: 1 min

Die meisten Finanzanalysten sehen - überraschenderweise - Angela Merkel als Siegerin des EU-Gipfels. Sie sind der Meinung, dass die "Zugeständnisse" Merkels (hier dazu mehr) einen politische Finte sind. Das Wall Street Journal analysiert: "Deutschland grinst vermutlich immer noch". Der Grund für diese Einschätzung: Nach Ansicht des WSJ hat der Gipfel überhaupt nichts gebracht. Angela Merkel habe ein Zugeständnis gemacht, das ihr überhaupt nicht wehtut: Die EU-Kommission wurde beauftragt, bis zum Jahresende eine gemeinsame europäische Bankenregulierung zu entwerfen. Bis es die einmal gibt, müssten noch viele rechtliche und politische Hürden genommen werden. Es ist also durchaus fraglich, in welcher Form diese Regulierung kommt.

Außer diesen vagen Zusagen hat Merkel in der Tat nichts gegeben: Der Wachstumspakt ist eine Luftnummer: Hier wird Geld verteilt, das schon verteilt ist, vornehmlich aus Töpfen von anderen, wie der Europäischen Investitionsbank. Die Eurobonds, die Mario Monti für sich reklamiert, gibt es nicht. Und der ESM ist mit seinen 700 Milliarden Euro viel zu klein, um etwa Italien und Spanien mit 2,5 Billionen Euro an den Bond-Märkten zu helfen.

Daher reagieren auch die Analysten der großen Banken eher zurückhaltend auf die zufriedenen Einschätzungen der Südländer (hier) - und sehen eher Angela Merkel als Siegerin. Die niederländische ING schreibt: "Die einzig konkrete Entscheidung beim Gipfel ist der Start einer gemeinsamen Bankenregulierung." Société Générale spricht von einem "weiteren Notpflaster", die Commerzbank sieht die Entscheidungen als "problematisch" an, wenn es um die mittel- und langfristige Perspektive geht. Schließlich die Mitsubishi-Bank, die zu dem Ergebnis kommt: "Dieser Deal wird keine Wende im Spiel bringen."

Es könnte also gut sein, dass Angela Merkels Konzept aufgeht: Dass es nämliche eine Vertiefung der Währungsunion nur mit der Forderung nach strenger Haushaltsdisziplin geben wird. Weil diese bei den Südstaaten kaum durchzusetzen ist, hätte diese Lösung für Deutschland den Vorteil, dass Berlin sagen könnte, man habe ja alles versucht - und sei daher nicht schuld, wenn der Euro zerbricht.

Wie das WSJ sind auch die meisten Analysten der Auffassung: Spätestens wenn das Problem Griechenland wieder auf der Tagesordnung steht, werden die Märkte zu verstehen geben, wie wenig sie von den Gipfel-Ergebnissen halten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Putins Parade: Moskau feiert "Tag des Sieges" – Europas Spaltung auf dem Roten Platz sichtbar
09.05.2025

Während Putin mit Pomp den „Tag des Sieges“ feiert, marschieren zwei europäische Regierungschefs an seiner Seite – trotz Warnungen...

DWN
Panorama
Panorama Der stille Anti-Trump? Internationale Reaktionen auf Papst Leo XIV.
09.05.2025

Mit der Wahl von Robert Francis Prevost zum neuen Oberhaupt der katholischen Kirche übernimmt erstmals ein Amerikaner das Papstamt. Welche...

DWN
Finanzen
Finanzen Allianz-Aktie nach Dividendenabschlag im Minus – Chance für Anleger?
09.05.2025

Die Allianz-Aktie zählt 2025 zu den Top-Performern im DAX – doch am Freitagmorgen sorgt ein deutlicher Kursrückgang für Stirnrunzeln...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch zur Eröffnung am Freitag
09.05.2025

Zum Handelsbeginn am Freitag hat der DAX ein frisches DAX-Rekordhoch erreicht. Die im April gestartete Erholungswelle nach dem ersten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Insolvenzen in Deutschland steigen nur noch geringfügig an - ist das die Trendwende?
09.05.2025

Der Anstieg der Insolvenzen in Deutschland hat sich im April deutlich verlangsamt. Laut Statistischem Bundesamt wurden im Monatsvergleich...

DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie profitiert von starkem Jahresauftakt - und nun?
09.05.2025

Die Commerzbank-Aktie hat zum Start in den Börsenhandel am Freitag leicht zugelegt. Das deutsche Geldhaus überraschte mit einem...

DWN
Politik
Politik Zweite Kanzlerreise: Erwartungen an Merz in Brüssel steigen
09.05.2025

Nur drei Tage nach seinem Amtsantritt ist Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zu seiner zweiten Kanzlerreise aufgebrochen – Ziel ist...

DWN
Technologie
Technologie Meta trainiert KI mit Ihren Daten – ohne Ihre Zustimmung. So stoppen Sie das jetzt!
09.05.2025

Ab dem 27. Mai analysiert Meta öffentlich sichtbare Inhalte von Facebook- und Instagram-Nutzern in Europa – zur Schulung seiner...