Druckzeit statt Bauzeit, Zweierteam statt Baukolonne, Betonschichten aus einer Riesenpumpe statt Stein-auf-Stein. In Deutschland stehen seit vergangenem Jahr die ersten zwei Wohnhäuser, die mit einem 3D-Betondrucker errichtet wurden, in Nordrhein-Westfalen und Bayern. Als bundesweite Premiere hat der Bauzulieferer Peri ein zweigeschossiges Einfamilienhaus im westfälischen Beckum präsentiert.
Doch gibt es dabei auch Potenziale für Hochwasserschutz und schnellen Wiederaufbau – Themen, die nach der Flut für viele Hausbesitzer in den Fokus gerückt sind?
Beim „Hausdruck“ trägt ein 3D-Drucker aus einer gewaltigen Düse Beton und Spezialmörtel digital gesteuert in zentimeterdicken Schichten auf. Das Haus in Beckum hat das Architektur- und Ingenieurbüro Mense-Korte in monatelanger Arbeit entworfen. Gedruckt hat es Peri dann aber in nur 100 Stunden. Es ist noch Ausstellungsprojekt, später soll eine Familie einziehen. Das Land NRW fördert das Projekt und hofft, dass sich der Herstellungsprozess auf dem Markt etabliert, zu mehr Wohnraum führt.
Als zweites Projekt gestartet, aber nun schon bewohnt, ist das laut Peri größte gedruckte Mehrfamilienhaus in Europa. Im bayerischen Weißenhorn-Wallenhausen (Landkreis Neu-Ulm) brauchte es für das Fünfparteienhaus mit drei Stockwerken nur etwa fünf Minuten pro Quadratmeter doppelschalige Wand, schildert Peri. Bedient werde der Drucker in dem Verfahren von zwei Personen. Aussparungen etwa für Anschlüsse und Leitungen seien eingeplant.
Enorme Zeitersparnis
Architekt Waldemar Korte glaubt, dass der 3D-Druck weite Verbreitung finden wird. Damit könne „der gesamte Wohnungsbau vom Einfamilienhaus über dreigeschossige Bürobauten bis hin zu Zwölf-Parteien-Mehrfamilienhäusern gebaut werden“. Die Stabilität sei groß. Sieht er Chancen für Wiederaufbaumaßnahmen wie etwa nach der Flut vom Juli 2021? „Definitiv“, sagt Korte. Obwohl es sich um eine noch neue Technologie handele, sei schon jetzt im Vergleich zu anderen massiven Bauweisen eine Zeitersparnis von rund 30 Prozent denkbar.
Martin Krause vom Institut für Baubetriebswesen an der TU Dresden forscht seit 2014 zum Beton-3D-Druck – zusammen mit Experten für Baustoffe und der Stiftungsprofessur für Baumaschinen. „Weltweit gibt es die Vision und Hoffnung, damit Häuser in Katastrophenregionen schnell wieder aufzubauen.“ Der Wissenschaftler sieht „sehr erfolgversprechende Anwendungspotenziale für langfristige Schutzmauern gegen Hochwasser“. Allerdings eigneten sich solche massiven Mauern nicht für einen temporären Einsatz – also nicht für mobile Schutzwände, sondern für nachhaltigen Schutz vor Wassermassen.
Drucker statt Fachkräfte?
Und beim Hausbau? „Mit unserem vollwandigen Verfahren Con-Print-3D können wir im Vergleich zum herkömmlichen Mauerwerksbau etwa dreimal so schnell bauen. Und wir sind fünf- bis sechsmal schneller als der Stahlbetonbau“, sagt Krause. Bei der Stabilität sieht er keine Unterschiede. Aktuell entwickle man auch druckfähige Betonrezepturen, die einen möglichst geringen C02-Fußabdruck haben. Bei der Technologie Con-Print-3D rechnet er vorsichtig mit einer Marktreife binnen fünf bis zehn Jahren. Die Branche steuere auf große Veränderungen zu. „Den Umbruch hin zu Digitalisierung und Automatisierung von Bauverfahren brauchen wir auch, um trotz des Fachkräftemangels effizient auf den Baustellen zu sein.“
Ähnlich hatte dazu der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes von einer Chance gesprochen, die angespannte Baubranche zu entlasten. Der Vorsitzende der IG Bauen-Agrar-Umwelt, Robert Feiger, sagt der dpa: „Gerade in den Sektoren bezahlbares Wohnen und sozialer Wohnungsbau haben wir ein großes Defizit in Deutschland, da könnte der 3D-Drucker hilfreich sein.“ Es müsse aber sichergestellt werden, dass die Beschäftigten bei Qualifizierungsprozessen mitgenommen würden. „Der Maurer von heute müsste morgen den Computer bedienen können, um das Haus zu bauen.“
Ein Peri-Sprecher betont, man habe auch in den USA schon ein erstes Haus gedruckt und weitere Projekte in der Pipeline. Und wie wohnt es sich in so einem gedruckten Haus? In Wallenhausen ist Mieterin Annika vor einigen Wochen in eine 60-Quadratmeter-Wohnung eingezogen. „Es riecht etwas stärker nach Beton als sonst in noch neuen Häusern. Und es hallt auch ein bisschen“, erzählt die 27-Jährige. Der Mietpreis sei „normal“. Ihr gefalle die Rillen-Optik an den Außenwänden. „Innen ist alles verputzt.“ Das erste Wohngefühl sei positiv. „Es ist etwas ganz Neues. Und ich habe großes Vertrauen, dass die Wände genauso stabil sind wie in einem normalen Haus.“ (dpa)