Politik

„Frau in Rot“: Erdogans Säuberungen gefährden Strafverfolgung

Drei Jahre Gefängnis und die Entlassung aus dem Dienst drohten dem Polizisten, der am 28. Mai 2013 die junge Demonstrantin Ceyda Sungur unvermittelt mit Tränengas attackiert hatte. Jetzt steht zu befürchten, dass er ungestraft davon kommt. Der zuständige Staatsanwalt wurde überraschend strafversetzt.
20.01.2014 00:07
Lesezeit: 1 min

Rigoros wollte der Istanbuler Staatsanwalt Adnan Çimen gegen den 23-jährigen Polizisten vorgehen, der die als „Frau in Rot“ bekannt gewordene Demonstrantin während einer Gezi-Park-Demonstration mit Tränengas attackiert hatte. Gemeinsam mit 19 anderen Staatsanwälten wurde er jetzt über Nacht von seinem bisherigen Posten entfernt. Nun muss der Beamte wohl keine Strafverfolgung mehr fürchten.

Insgesamt 20 Staatsanwälte sollen auf neue Posten versetzt und damit de facto „unschädlich“ gemacht worden sein. Die Maßnahmen kämen in Anbetracht der nun vorherrschenden Arbeitsumstände der Juristen einem beruflichen Exil gleich, so The Istanbulian. So sei etwa der Oberstaatsanwalt Turhan Colakkadi an ein Gericht berufen worden, das im Augenblick noch nicht einmal über ein Gerichtsgebäude verfüge.

Unter den Zwangsversetzten befindet sich auch der Istanbuler Staatsanwalt Adnan Çimen. Er hatte vor, das rigorose Vorgehen der türkischen Polizei während der Gezi-Park-Proteste scharf zu ahnden und an einem 23-jährigen Beamten ein Exempel zu statuieren. Neben der Verbüßung einer dreijährigen Haftstrafe sollte er nach Willen der Staatsanwaltschaft auch seinen Posten verlieren, so die Nachrichtenagentur Doğan am Donnerstag.

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Der Beamte habe der Anklageschrift zufolge die Vorschriften über Maßnahmen der Polizei während Massenzwischenfällen und die Verordnung über den Einsatz von Tränengas verletzt, so das Frauen-Portal Kadın Haberleri. Die Staatsanwaltschaft führt an, dass der Polizist zum Tatzeitpunkt einen Abstand von weniger als einem Meter zur jungen Frau gehabt habe. Ohne Vorwarnung habe er ihr ins Gesicht gesprüht. Selbst als sie ihr Gesicht schützend zur Seite drehte, habe er nicht aufgehört. Vor und nach dem Zwischenfall sei sie in keine gewalttätige Auseinandersetzung verwickelt gewesen. Auch seine Kollegen hätten in dieser Situation so verfahren, heißt es weiter.

Neben den rigorosen Säuberungswellen in den Reihen der türkischen Polizei sorgte Ende Dezember 2013 auch der Fall des Istanbuler Staatsanwalts Muammer Akkaş für Aufsehen. Er wurde von den Korruptionsuntersuchungen abgezogen, nachdem er schwere Vorwürfe gegen die Regierung Erdoğan erhoben hatte. Er führte an, in seinen Ermittlungen behindert worden zu sein. So hätten die Verdächtigen genügend Zeit gehabt, Beweismaterial verschwinden zu lassen.

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