Politik

EU-Gipfel: Politiker trafen falsche Entscheidungen wegen Schlafmangel

Aufgrund des Schlafmangels waren die EU-Vertreter beim vergangenen Gipfeltreffen aus Sicht der Forscher nicht zurechnungsfähig. Die fortgeschritten Uhrzeit führe zu unbedachten Entscheidungen. Wissenschaftler haben festgestellt, dass Schlafmangel die Urteilskraft ähnlich beeinträchtigt wie übermäßiger Alkoholkonsum.
19.07.2012 00:31
Lesezeit: 1 min

Angesichts der körperlichen Verfassung der Politiker, die am EU-Gipfel teilgenommen hatten, muss an den getroffenen Entscheidungen stark gezweifelt werden. Wer 16 Stunden am Stück wach ist, dessen Hirnaktivität ist mit jemandem vergleichbar, der einen Blutalkoholwert von 0,05 hat, erklärt Psychologieprofessor James Maas von der Cornell Universität in New York. Bei 24 Stunden verdoppelt sich der Wert sogar auf 0,10 Prozent. Das übersteigt das legale Alkohollimit aller 17 Mitgliedsstaaten. Die übermüdeten EU-Vertreter waren also nicht zurechnungsfähig.

„Ich habe gerade mal drei Stunden geschlafen“, erklärte Kommissionspräsident José Manuel Barroso nach den Marathon-Verhandlungen. So beeinträchtigt waren die EU-Politiker nicht nur auf dem vergangenen Gipfel Ende Juni (hier), der erst um 5 Uhr morgens endete. Weitere drei EU-Gipfel endeten ebenfalls nicht vor 4 Uhr morgens. Fehler sind bei solchen Uhrzeiten vorprogrammiert. Die Nacht sei die denkbar schlechteste Zeit, um Verhandlungen von großer Wichtigkeit, wie es bei den Gipfeln der Fall ist, zu führen, so Chris Idzikowski, Mitbegründer der Britischen Schlaf Gesellschaft . „Wir sind nicht dafür geschaffen, nachts zu arbeiten“, erklärt er. Das kommende EU-Treffen am Freitag, auf dem ein Bailout für die spanischen Banken besprochen werden soll, ist nun schon für mittags angesetzt.

Doch einen Vorteil haben die nächtlichen EU-Gespräche. „Wenn man nachts anfängt, will man schnell zu einem Ergebnis kommen, denn eine Weiterführung der Gespräche am Morgen ist nie eine gute Idee. Merkel hat zugestimmt die Verhandlungen fortzuführen, weil fast jeder im Raum wusste, dass wir zum Frühstück ein Ergebnis präsentieren mussten“, sagte einer der Teilnehmer nach dem Gipfel.

Schlafmangel ist eine echte Gefahr für politische Verhandlungen, deren Konsequenzen enorm sein können. Wenn man länger aufbleibt als sonst, wird man aktuellen Studien zufolge anfälliger für äußeren Einfluss und risikobereiter. Die Folge sind Fehleinschätzungen. Der Nachtschlaf fördere dagegen eine ausgewogene Einschätzung, da das Gehirn das Aufgenommene verarbeite, so Idzikowski.

Schlafmangel in diesem Ausmaß habe bereits Hinweisen zufolge, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet, zu Fehlentscheidungen bei verschiedenen Vorfällen, zu denen die Kernschmelze im Three Mile Island Kernkraftwerk, Tschernobyl, die Öl-Katastrophe durch den Tanker Exxon valdez sowie das Challenger-Unglück gehörten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik US-Zölle als Wirtschaftskrieg: Trump zielt auf Europas Wohlstand
15.07.2025

Mit 30-Prozent-Zöllen will Donald Trump die europäische Wirtschaft in die Knie zwingen – und trifft damit ausgerechnet die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas seltene Chance: Schwedisches Metallvorkommen soll Abhängigkeit von China brechen
15.07.2025

In Schwedens Norden liegt Europas größte Hoffnung auf Rohstoffsouveränität. Doch der Fund der Seltenen Erden birgt Zielkonflikte,...

DWN
Immobilien
Immobilien Grunderwerbsteuer sparen: So zahlen Käufer weniger beim Immobilienkauf
15.07.2025

Der Kauf einer Immobilie wird schnell teurer als geplant – oft durch hohe Nebenkosten. Besonders die Grunderwerbsteuer kann kräftig...

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Zuckerberg kündigt Mega-Rechenzentren an
15.07.2025

Mark Zuckerberg treibt den KI-Wettlauf in eine neue Dimension. Der Meta-Chef kündigt gigantische Rechenzentren an und will dabei selbst...

DWN
Politik
Politik Jetzt unterstützt Trump die Ukraine: Ist das die Wende?
15.07.2025

Donald Trump vollzieht die Wende: Plötzlich verspricht er der Ukraine modernste Waffen – auf Europas Kosten. Russland droht er mit...

DWN
Panorama
Panorama Deutsche fahren wieder mehr Auto
15.07.2025

Deutschland erlebt eine Kehrtwende beim Autofahren: Nach Jahren des Rückgangs steigen die gefahrenen Kilometer wieder – obwohl einzelne...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldverbot 2025: Panikmache oder reale Gefahr für Ihr Gold?
15.07.2025

Mehrere Goldhändler warnen vor einem staatlichen Zugriff auf Barren und Krügerrands – Millionen Anleger fürchten um ihre Ersparnisse....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Zölle sollen bleiben – weil er sie als Erfolg verbucht
15.07.2025

Donald Trump sieht seine Zollpolitik als Erfolg – und will sie verschärfen. Was der transatlantische Handelskrieg für Europa,...