Deutschland

Armut belastet Gesundheitssystem in Nordrhein-Westfalen

Lesezeit: 1 min
26.07.2012 22:37
Das deutsche Gesundheitssystem bekommt die Folgen einer steigenden Armut zu spüren. Vor allem im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen kann man erkennen, dass es eine Korrelation von sozialen und wirtschaftlichen Faktoren mit der Belastung für das Gesundheitssystem gibt.
Armut belastet Gesundheitssystem in Nordrhein-Westfalen

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

In einer Untersuchung hat die Barmer GEK ermittelt, dass in keinem deutschen Bundesland so viele Krankenhaustage zu verzeichnen sind wie in Nordrhein-Westfalen: Mit 2068 Krankenhaustagen im Jahr 2011 liegt NRW damit klar an der Spitze im bundesdeutschen Vergleich und deutlich mehr als etwa in Rheinland-Pfalz (1957 Tage) oder Baden-Württemberg (1666 Tage). Die lange Verweildauer ist besonders bemerkenswert, weil es in Nordrhein-Westfalen mit 228 Krankheitsbehandlungen je 1000 Versicherungsjahre weniger Fälle gab, als etwa in Sachsen-Anhalt (230) oder Thüringen (234).

Die Krankenkassen – neben der Barmer äußerte auch die AOK Rheinland Kritik – sehen die Schuld bei den Krankenhäusern: Es gäbe eine Überkapazität von 15.000 Klinik-Betten in NRW, daher behielten die Kliniken die Patienten länger im Krankenhaus oder bieten überflüssige Operationen und Untersuchungen an. Die Begründung der Krankenhausgesellschaft NRW (KG NW) deutet jedoch einen möglichen anderen Grund an: Die Zahl der Betten sage nichts aus, schließlich würden Kliniken nicht nach Liegezeiten, sondern nach Fallpauschalen bezahlt.

Vor allem aber, so zitiert die Rheinische Post einen Sprecher, habe die höhere Verweildauer „sozioökonomische“ Gründe: „Wir haben gerade im Ruhrgebiet viele Arbeitslose und Arme.“ Bei ihnen sei das Krankheitsrisiko höher, daher gäbe es eine höhere Belastung für das Gesundheitswesen.

Vermutlich liegt die Wahrheit in der Mitte. Dennoch wirft die Debatte ein Schlaglicht auf die spezielle Situation in NRW. Nach den finanziellen Problemen vieler Städte und Kommunen dürfte sich in der Tat auch schon bald im Gesundheits-System der wirtschaftliche Niedergang in der einstigen Industrie-Hochburg des Ruhrgebiets niederschlagen. Dass die Kassen Alarm schlagen ist verständlich: Wenn es mehr Arme und Arbeitslose gibt, sinken die Einnahmen für die Gesundheitsversorgung, während die Einrichtungen stärker in Anspruch genommen werden.

Dennoch scheint es in NRW auch vonseiten der Krankenhaus-Betreiber immer noch eine starke Tradition der maximalen Rundum-Versorgung zu geben. Allein mit der Armut kann insbesondere der Unterschied zu den ostdeutschen Bundesländern nicht erklärt werden – dort ist die Arbeitslosigkeit noch höher. Bezeichnend ist in dieser Hinsicht die Erklärung des NRW-Sprechers zur grundsätzlichen Philosophie der KG NW: „NRW-Kliniken entlassen die Patienten eben erst, wenn sie auch gesund sind.“ Das ist schön – solange man es sich leisten kann. Angesichts der hohen Verschuldung von NRW sollten sich die staatlichen Kliniken jedoch darauf vorbereiten, wie man auf eine weitere Verschärfung der Krise reagieren will. Das Beispiel Griechenland hat gezeigt, dass das Gesundheitswesen in Rezession oder gar Depression als erstes zum Kollaps neigt. In diesem Fall gilt: Wer zu lange mit Reformen wartet, den bestraft die Geschichte.


Mehr zum Thema:  

DWN
Technologie
Technologie Wie ehemalige IT-Nerds der russischen Suchmaschine Yandex den KI-Markt Europas aufmischen
14.01.2025

Russische IT-Nerds bauen in Amsterdam das KI-Unternehmen Nebius auf. Informatiker um den Yandex-Suchmaschinen-Gründer Arkadi Wolosch...

DWN
Finanzen
Finanzen Bafin-Kontenvergleich: Alle Girokonten in Deutschland im Überblick
14.01.2025

Die Finanzaufsicht Bafin bringt Transparenz in den Kontomarkt: Mit dem neuen Bafin Kontenvergleich können Verbraucher alle Girokonten in...

DWN
Politik
Politik Russischer Außenminister Lawrow: "USA wollen nach Nord-Stream Gaspipeline TurkStream zerstören"
14.01.2025

Russlands Außenminister Lawrow beschuldigt die USA, mit ukrainischen Drohnenangriffen die Gasleitung TurkStream lahmlegen zu wollen....

DWN
Politik
Politik CDU-Heizungsgesetz: Wie die Union das Heizungsgesetz abschaffen will - und warum das schlecht wäre
14.01.2025

Das Habecksche Heizungsgesetz, offiziell Gebäudeenergiegesetz (GEG), gilt seit Januar 2024. Die CDU plant, das GEG bei einer möglichen...

DWN
Politik
Politik Weitere Ukraine-Hilfe? Pistorius zu Besuch in Kiew spricht sich dafür aus
14.01.2025

Ukraine-Hilfe 2025: Verteidigungsminister Boris Pistorius bleibt optimistisch, was die Fortsetzung der Unterstützung für die Ukraine...

DWN
Politik
Politik NATO-Gipfel: Schutz für Ostsee-Infrastruktur geplant
14.01.2025

Nato schützt sich künftig besser vor Sabotageakten gegen wichtige Infrastruktur wie Kabel und Pipelines. Deutschland steuert mit...

DWN
Panorama
Panorama Stasi-Akten sichern: Der historische Moment der Besetzung der Stasi-Zentrale
14.01.2025

Am 15. Januar 1990 stürmte das Volk die Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg und sicherte wertvolle Stasi-Akten für die spätere...

DWN
Unternehmen
Unternehmen VW verkauft weniger Autos in China
14.01.2025

VW verkauft weniger Autos. Sorgen bereitet dem Konzern vor allem der wichtige Absatzmarkt China. Sinkende Zahlen bei E-Autos und die...