Finanzen

Karlsruhe gibt grünes Licht für Rettungsschirm ESM

Das Bundesverfassungsgericht sieht trotz der weitgehenden Abgabe von Souveränität die Haushalts-Autonomie des Deutschen Bundestags für hinreichend gewährt. Deutschland kann damit 190 Milliarden Euro für die Euro-Rettung freigeben.
18.03.2014 10:24
Lesezeit: 2 min

Das Bundesverfassungsgericht hat - wie hier erwartet - die Klagen gegen den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM abschließend zurückgewiesen. Trotz der eingegangenen milliardenschweren Verpflichtungen Deutschlands bleibe die Haushaltsautonomie des Bundestages hinreichend gewahrt, entschied das Gericht am Dienstag in Karlsruhe. Neben dem Vertrag über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) sei auch der europäische Fiskalpakt verfassungsgemäß. Die Kläger hatten argumentiert, mit dem ESM werde die Budgethoheit des Bundestags untergraben.

Die Entscheidung war erwartet worden, denn die Karlsruher Richter hatten bereits im September 2012 im Eilverfahren den Weg zur Beteiligung Deutschlands am ESM unter Auflagen freigemacht. Damals hatten die Richter erklärt, die Finanzhilfen für Euro-Länder in einer Schuldenkrise verstießen nicht gegen das Grundgesetz, solange die Haftungsobergrenze Deutschlands von 190 Milliarden Euro nicht ohne Zustimmung des Bundestages angehoben werde. Die Bundesregierung musste das völkerrechtlich sicherstellen.

Mit mehr als 37.000 Beschwerdeführern - darunter Rechtsprofessoren, Abgeordnete mehrerer Parteien und der Verein "Mehr Demokratie" - ist es die größte Verfassungsbeschwerde in der Geschichte des Gerichtes. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle sagte, der Weg aus der Schuldenkrise müsse demokratisch rückgebunden und verfassungsrechtlich gangbar sein. Das Gericht bekräftigte, aus der absoluten Höhe der eingegangenen Zahlungsverpflichtungen von derzeit 190 Milliarden Euro lasse sich keine Beeinträchtigung der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung des Bundestages ableiten.

Allerdings müsse der Bundestag der Ort bleiben, an dem eigenverantwortlich über Einnahmen und Ausgaben entschieden werde, auch im Hinblick auf internationale und europäische Verbindlichkeiten, hieß es in der Urteilsbegründung weiter. Es sei haushaltsrechtlich sicherzustellen, dass Deutschland etwaige Kapitalabrufe nach dem ESM-Vertrag innerhalb der vereinbarten Obergrenzen fristgerecht und vollständig erfüllen könne. Absehbare Zahlungspflichten seien bei der jährlichen Haushaltsaufstellung zu berücksichtigen.

Eine absolute Obergrenze setzte das Verfassungsgericht nicht. Der ESM-Vertrag begründe keine unauflösbare Bindung Deutschlands. Und der Fiskalpakt zwinge die Bundesrepublik nicht zu einer dauerhaften, irreversiblen Festlegung ihrer Wirtschaftspolitik.

Deutschland hatte nach der Eilentscheidung vom September 2012 als letztes Euro-Land den ESM ratifiziert, der mit bis zu 500 Milliarden Euro klamme Euro-Länder stützen soll. Dafür müssen die Euro-Staaten 700 Milliarden Euro Stammkapital bereitstellen, wobei auf Deutschland entsprechend seinem Anteil an der Europäischen Zentralbank 27,15 Prozent entfallen. Bisher sind von den 500 Milliarden 50 Milliarden Euro an Spanien und Zypern vergeben worden. Vom ESM-Vorgänger EFSF mit seinem Gesamtvolumen von 440 Milliarden Euro wurde Griechenland, Portugal und Irland mit insgesamt 188 Milliarden Euro geholfen.

In Karlsruhe sind seit Herbst 2012 auch noch Beschwerden über die Euro-Rettungspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) anhängig. Die Kläger beanstanden, für den deutschen Staat ergäben sich daraus unbegrenzte Finanzrisiken, die das Haushaltsrecht des Bundestages verletzten. Zudem überschreite die Notenbank damit ihren auf Geldpolitik beschränkten Auftrag und betreibe direkte Staatsfinanzierung, was nach EU-Recht verboten ist.

Damit ist den Euro-Rettern dieses Programm verwehrt. Die Genehmigung des ESM ist als ein Kuhhandel eine Art Kompensation für diese Ablehnung zu sehen.

Im Februar verwies das Bundesverfassungsgericht nach fast anderthalb Jahren Beratung diese europarechtliche Frage zur Vorabentscheidung an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg - erstmals in seiner Geschichte. Die Richter in Karlsruhe erklärten zugleich aber schon, das Anleihekaufprogramm verstoße gegen EU-Recht. Dies lässt sich nach ihrer Ansicht nur reparieren, wenn der EuGH den EZB-Beschluss so beschränkt, dass der unbegrenzte Ankauf von Anleihen und die Beteiligung der EZB an einem Schuldenschnitt eines Krisenstaates ausgeschlossen wäre. Das letzte Wort über die Klagen haben sich die Karlsruher Richter vorbehalten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Kupferpreis explodiert: Was Trumps Zollfantasien auslösen
11.07.2025

Eine 50-Prozent-Zollandrohung von Trump lässt den Kupferpreis durch die Decke schießen – und sorgt für ein historisches Börsenchaos....

DWN
Politik
Politik Putins Imperium zerbröckelt: Aserbaidschan demütigt den Kreml – mit Hilfe der Türkei
10.07.2025

Aserbaidschan widersetzt sich offen Moskau, schließt russische Propagandakanäle und greift zur Verhaftung von Russen – ein Tabubruch in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Gasfeld vor Zypern könnte Europas Energiestrategie neu ausrichten
10.07.2025

Ein neues Erdgasfeld vor Zypern könnte zum Wendepunkt in Europas Energiepolitik werden.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Baywa Milliardenverlust: Jahreszahlen zeigen das ganze Ausmaß der Krise beim Mischkonzern
10.07.2025

Jetzt ist der Milliardenverlust bei der Baywa amtlich: Das Minus von 1,6 Milliarden Euro ist vor allem auf Abschreibungen bei der...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Rechnung für die Private-Equity-Branche: 79 Milliarden
10.07.2025

Donald Trumps Zollkurs und globale Kriege setzen der Private-Equity-Branche massiv zu. Was hinter dem dramatischen Kapitalschwund steckt...

DWN
Politik
Politik „Kleiner Lichtblick für die Ukraine“ nach Trumps Kehrtwende
10.07.2025

Der Kurswechsel der USA beim Waffenlieferprogramm für die Ukraine dürfte die Gespräche europäischer Staats- und Regierungschefs in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ostdeutsche Betriebsräte fordern Ende von Habecks Energiewende: Industriestandort gefährdet
10.07.2025

Nach dem Verlust von über 100.000 Industriearbeitsplätzen richten ostdeutsche Betriebsräte einen dramatischen Appell an Kanzler Merz....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Schuldenkrise: Droht der Dollar-Kollaps? Was Anleger jetzt wissen müssen
10.07.2025

Die USA spielen mit dem Feuer: Zölle, Dollar-Schwächung und wachsende Schulden bedrohen das globale Finanzsystem. Doch es gibt Strategien...