Weltwirtschaft

Teure Energie macht Metalle billig

Lesezeit: 3 min
06.09.2022 10:48  Aktualisiert: 06.09.2022 10:48
Die Preise für Industriemetalle sind zuletzt stark unter Druck geraten. Hintergrund sind die hohen Energiekosten in Europa sowie die Entwicklung in China.
Teure Energie macht Metalle billig
Eisenerz wird verladen. Die Preise für Industriemetalle sind als Folge der Energiekrise stark gefallen. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Sommerrallye bei den Industriemetallpreisen, die zur Herstellung einer breiten Palette von Produkten von Autoteile über Stahl zu Elektrokabeln verwendet werden, war von kurzer Dauer - und hat sich längst drastisch umgekehrt. Denn die Händler blicken mit Sorge auf die sich verschärfende Energiekrise in Europa und auf die sich andeutende Verlangsamung in China.

Der S&P GSCI, ein wichtiger Index, der der die Kurse von Industriemetallen wie Kupfer, Nickel und Aluminium abbildet, ist seit Mitte August um mehr als 9 Prozent gefallen. Damit liegt er wieder in der Nähe seiner Tiefststände vom Juli, als die Angst vor einer weltweiten Rezession umging. Seit Beginn des Jahres ist der Index sogar schon um 17 Prozent gefallen, nachdem er infolge des russischen Einmarsch in der Ukraine vorübergehend um mehr als ein Viertel gestiegen war.

Der erneute starke Kurseinbruch bei den Industriemetallen seit Mitte letzten Monats zeigt, wie die Sorgen im Hinblick auf die globale Nachfrage wieder in den Vordergrund gerückt sind. Denn Ökonomen befürchten, dass ein Anstieg der Energiepreise die Industrie schwer belasten wird.

Drastisch teurere Energie macht Metalle billig

"Hier geht es um Rezession und Rezessionsangst", zitiert die Financial Times Clive Burstow, Leiter des Bereichs natürliche Ressourcen bei der Investmentmanagementfirma Barings. "Die Befürchtung ist, dass wir uns in einer Energiekrise befinden, die uns in eine Rezession treibt. Die Frage, um die sich der Markt streitet, ist, wie tief diese Rezession sein wird."

Die europäischen Gaspreise sprangen am Montag drastisch um 17 Prozent in die Höhe. Damit näherten sie sich wieder den Rekordhöhen vom letzten Monats, nachdem Russland angekündigt hatte, die Gaslieferungen nach Europa durch die wichtige Pipeline Nord Stream 1 auf unbestimmte Zeit auszusetzen.

Die höheren Gaspreise schüren die Befürchtung, dass Unternehmen und Verbraucher aus Kostengründen ihren Verbrauch einschränken müssen. "Die Nachfragezerstörung findet auf der Verbraucherseite statt und wirkt sich somit auch auf die Metallmärkte aus", sagt Peter Ghilchik, Leiter der Multi-Commodity-Analyse bei der Beratungsfirma CRU.

Kupfer, ein bewährtes Barometer für die Gesundheit der Weltwirtschaft, ist in gut einer Woche um etwa 6 Prozent auf über 7.650 Dollar pro Tonne gefallen. Im März hatte das weit verbreitete Industriemetall ein neues Rekordhoch von mehr als 10.600 Dollar pro Tonne erreicht. Der Stahlwerkstoff Eisenerz ist von seinem Höchststand von über 160 Dollar pro Tonne zu Beginn des Jahres auf unter 100 Dollar pro Tonne gefallen.

China verstärkt die Angst vor der Rezession

Die düsteren Aussichten sind durch eine Reihe enttäuschender Wirtschaftsdaten aus China noch verstärkt worden. Der weltgrößte Rohstoffverbraucher setzt weiterhin auf Lockdowns und hat diese für Dutzende Millionen Menschen in Chengdu und Shenzhen ausgeweitet.

Die vielbeachtete Caixin-Konjunkturumfrage, die letzte Woche veröffentlicht wurde, zeigte, dass die Aktivität in Chinas riesiger verarbeitender Industrie im August in den Bereich der Kontraktion rutschte, da die Auftragseingänge zum ersten Mal seit drei Monaten zurückgingen.

In den USA hat die Federal Reserve im vergangenen Monat ihre Entschlossenheit deutlich gemacht, die steigende Inflation durch eine Anhebung der Zinssätze einzudämmen, was dazu beigetragen hat, dass der Dollar gegenüber einem Korb der wichtigsten Währungen auf ein 20-Jahres-Hoch gestiegen ist. Die Preise für Rohstoffe, die zumeist in Dollar gehandelt werden, fallen tendenziell, da eine stärkere US-Währung sie teurer macht.

Colin Hamilton, Managing Director of Commodities Research bei BMO, sagte, dass die stetige Abschwächung des chinesischen Renminbi gegenüber dem Dollar den Einbruch der Rohstoffpreise weiter angeheizt habe, da dies die Rohstoffimporte für China verteuere.

Die Sorge um die Konjunktur in Europa, den USA und China hat die Commerzbank dazu veranlasst, ihre Preisprognosen für die wichtigsten Basismetalle für die nächsten zwei Quartale zu senken.

Industriemetalle können nicht ins Bodenlose fallen

Dennoch tragen die Sorgen im Hinblick auf das Angebot dazu bei, den Rückgang der Industriemetallpreise zu begrenzen. Der Sektor wurde bereits durch die Schließung von Produktionsanlagen aufgrund der in die Höhe geschossenen Gas- und Energiepreise in Europa in Mitleidenschaft gezogen.

Ende letzter Woche kündigte der niederländische Aluminiumhersteller Aldel an, die Produktion in einem seiner Werke einzustellen, und ArcelorMittal sagte, dass es einen der Hochöfen in einem Stahlwerk in Bremen, Deutschland, abschalten werde.

Ghilchik glaubt, dass der Großteil des Ausverkaufs bei den Metallen abgeschlossen ist, erwartet aber für die kommenden Wochen eine holprige Fahrt, da die Händler die Tiefe der Rezession mit der Knappheit des Angebots abwägen. "Es sieht so aus, als ob die Preise einen zyklischen Tiefpunkt erreicht haben oder sich diesem nähern, und im Allgemeinen dürften die Rohstoffpreise durch die Sorge um das Angebot und andere Faktoren gestützt bleiben", sagte er der Financial Times.

Goldman Sachs erwartet, dass Rohstoffe eine Rezession mehr als jede andere Anlageklasse einpreisen würden. "Übertriebene Rezessionsängste halten die Rohstoffmärkte weiterhin in Atem", schrieben die Analysten in einer Notiz und fügten hinzu: "Die physischen Fundamentaldaten signalisieren einige der engsten Märkte seit Jahrzehnten."


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Finanzen
Finanzen Genomsequenzierung: Investieren in die personalisierte Medizin der Zukunft
09.05.2024

Genomsequenzierung, Gentherapie, personalisierte Medizin: Die Medizin- und Pharma-Industrie steht vor einem Wendepunkt. Gleichzeitig sind...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview zur Mafia in Deutschland: „Hier gehe ich von Strafvereitelung im Amt aus“
09.05.2024

Italienische Mafia-Organisationen gewinnen in Deutschland zunehmend an Einfluss – und können dabei teilweise auf das stillschweigende...

DWN
Technologie
Technologie Luftfahrt: Klimaneutralität bis 2050 wohl unrealistisch
09.05.2024

Der Luftverkehr gilt als ein starker Treiber zur Klimakrise. Mit technischen Lösungen klimaschonendes- oder gar klimaneutrales Fliegen zu...

DWN
Finanzen
Finanzen Aktien: Warum die Kapitalrendite eines Unternehmens wichtiger als die Bewertung ist
09.05.2024

Was bestimmt eigentlich den Wert einer Aktie? In der Berichterstattung stehen häufig Kennzahlen wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis im...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Hybrides Arbeiten liegt im Trend - nicht nur aus Umwelterwägungen
09.05.2024

Die klassische Büroarbeit hat es spätestens seit Corona schwer, sich gegen das geschätzte Homeoffice zu behaupten. Immer mehr...

DWN
Technologie
Technologie Erneuerbare Energien knacken wichtige Marke
09.05.2024

Erneuerbare Energien wachsen vor allem dank Wind- und Solarenergie. Der Anteil an der globalen Stromproduktion beträgt mittlerweile 30...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Sicherheitsalarm: Wie sich Unternehmen gegen Spionage und Cyberbedrohungen schützen können
09.05.2024

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik warnt davor, dass die Bedrohungslage im Cyberraum ernst ist, insbesondere in Bezug...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Die Ampel auf Rot: Warum die deutsche Wirtschaft abwandert
08.05.2024

Der Frust des deutschen Mittelstands ist gewaltig. Immer mehr Unternehmer denken über Verlagerung ihrer Produktionsbetriebe nach. Nach...