Politik

Russische Gasliefer-Stopps: Immer noch eine spitze Waffe

Der erneute Gas-Lieferstopp über die Pipeline Nord Stream 1 verunsichert nicht nur die Bevölkerung und die Wirtschaft angesichts des bevorstehenden Winters, sondern löst auch auf den Aktienmärkten Turbulenzen aus.
Autor
06.09.2022 12:35
Aktualisiert: 06.09.2022 12:35
Lesezeit: 2 min

Russischer Gas-Liefer-Stopp sorgt für Turbulenzen auf dem Future-Markt: Nachdem Russland angekündigt hat, bis auf weiteres kein Gas mehr über die Pipeline Nord Stream 1 zu liefern, sind die Gaspreise erneut explodiert.

Mit Beginn der Woche schnellte der europäische Future um gut 30 Prozent nach oben auf 272 Euro je Megawattstunde und steuerte wieder auf das jüngste Rekordhoch zu. Zur Erinnerung: Am 26. August hatten Spekulationen über einen Lieferstopp aus Russland ihn sogar kurz auf fast 350 Dollar getrieben.

Derzeit scheint niemand daran zu glauben, dass kurzfristig wieder Gas über die Pipeline fließen wird. Während der russische Gaskonzern vergangene Woche noch verlauten ließ, dass die Lieferung wegen eines entdeckten Lecks bis auf Weiteres gestoppt wird, hat der Kreml jetzt offiziell verlauten lassen, dass erst wieder mit Ende der Sanktionen gegen Russland Gas über die Pipeline nach Europa fließen soll.

Der anstehende Winter

Dabei scheint Russland der anstehende Winter in die Karten zu spielen, danach aber dürfte die immer noch spitze Waffe der unberechenbaren und unzuverlässigen Geschäftspraktiken von Gazprom alsDeohgebährde langsam abstumpfen. Spätesntes dann, wenn Europa verstärkt imstande ist, seine Energieversorgung zu diversifizieren und auf erneuerbare Energien umzusteigen.

Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erwartet nicht mehr, dass Nord Stream 1 wieder aufgemacht wird. Er empfiehlt einstweilen zur Milderung der Gaskrise zwei der drei noch aktiven Atomkraftwerke in Deutschland über die für Jahresende vorgesehene Abschaltung in Betrieb zu lassen, und bricht damit ein Tabu seiner Partei.

Abgesehen von den steigenden Gaspreisen und einer drohenden Gasmangellage muss sich auch der in Schieflage geratene Gasversorger Uniper immer wieder mit neuen Hiobsbotschaften aus Russland abfinden.

Historisches Tief am Aktienmarkt

Auf dem Aktienmarkt ist die Aktie derzeit auf ein historisches Tief unter fünf Euro gefallen und hat damit rund 85 Prozent im Vergleich zum desselben Zeitraumes des Vorjahres verloren.

Insbesondere leidet das Unternehmen darunter, dass Russland die langfristigen Importverträge nicht einhält und sich das Unternehmen kurzfristig aus anderen Quellen mit Erdgas eindecken muss. Dadurch summierten sich die Verluste bei den aktuellen Preisen auf 100 Millionen Euro pro Tag.

Zuletzt hat Uniper nur mehr 20 Prozent der von Russland zugesicherten Gasmengen von Gazprom erhalten. Zwar hat die mehrheitlich zum finnischen Konzern Fortum gehörende Uniper verkündet, keine neuen langfristigen Erdgaslieferverträge mit Russland mehr abzuschließen, allerdings laufen die jetzigen Verträge noch bis in die 2030 Jahre hinein.

Derzeit bleibt den Verantwortlichen bei Uniper nichts anderes übrig, als zu überprüfen, ob die nötigen Rechtsmittel vorhanden sind, um gegen Gazprom aufgrund der Minder- beziehungsweise Nichtlieferung vorgehen zu können. Ausgang ungewiss.

Bereits abschreiben musste Uniper ein der Nord Stream 2 AG gewährtes Darlehen von über einer Milliarde Euro. Der Energieversorger war einer von fünf westlichen Finanzpartnern des mit Ausbruch des Ukraine-Konflikts von der Bundesregierung auf Eis gelegten russischen Ostsee-Pipeline-Projekts von Gazprom. Zudem muss Uniper auch auf erwartete Zinserträge von jährlich 100 Millionen Euro verzichten.

Tägliche Verluste von Uniper

Allerdings ist das im Vergleich zu den täglichen Verlusten, die der Konzern erleidet, weil er die großen Mengen an fehlendem Gas aus Russland durch kurzfristige Ersatzbeschaffungen kompensieren muss, nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wegen der daraus entstandenen massiven Liquiditätsprobleme hat die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Uniper eine Kreditlinie von 13 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, die derzeit in Tranchen abgerufen werden.

Keine Hilfe kann sich Uniper erstmals von der Muttergesellschaft Fortum erwarten. Finnland gewährt dem teilstaatlichen Versorger angesichts steigender Strompreise für den Notfall zwar zusätzliche Liquidität. Dabei wurde ein Kreditvolumen von 2,35 Milliarden Euro vereinbart. Allerdings können diese nicht zur Stützung des deutschen Energiekonzerns Uniper verwendet werden.

Eine Kuriosität am Rande: Solange der Konzern die Stabilisierungsmaßnahmen der deutschen Regierung benötigt, hat sich Uniper verpflichtet, keine variable Vergütung für den Vorstand zu zahlen und keine Dividendenausschüttungen vorzunehmen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Daimler Truck-Aktie trotz Prognosesenkung an DAX-Spitze: Lkw-Bauer wehrt sich erfolgreich gegen US-Zölle
14.05.2025

Die Daimler Truck-Aktie trotzt schlechten Nachrichten, überrascht Anleger – doch bleibt der Aufwärtstrend stabil? Zwischen US-Zöllen,...

DWN
Politik
Politik Trumps Arznei-Schock: USA wollen Europas Medikamentenpreise diktieren
14.05.2025

US-Präsident Donald Trump kündigt einen Preissturz bei Arzneimitteln um bis zu 90 Prozent an – doch der Widerstand wächst, auch aus...

DWN
Politik
Politik Regierungserklärung: Merz ruft zum gemeinsamen Aufbruch auf – "Der Staat, das sind wir alle"
14.05.2025

Die erste Merz-Regierungserklärung verspricht klare Antworten auf große Herausforderungen. Doch wie viel Wandel steckt wirklich hinter...

DWN
Politik
Politik Zollschock für Ukraine – EU will Agrarimporte drastisch begrenzen
14.05.2025

Ausgerechnet mitten im Krieg plant Brüssel drastische Zollgrenzen für ukrainische Agrarprodukte – ein Signal der Schwäche, das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Preisdruck lässt nach: Inflation schwächt sich im April auf 2,1 Prozent ab
14.05.2025

Die Inflation in Deutschland hat im zweiten Monat nacheinander an Dynamik verloren. Dahinter steckt vor allem ein Faktor. Im Alltag fällt...

DWN
Finanzen
Finanzen Schenkung statt Erbe: Steuern sparen durch die Nutzung der Freibeträge
14.05.2025

Nicht erst beim Erbe kann man Vermögen innerhalb der Familie übertragen. Oft ist es sinnvoll, bereits Vermögenswerte zu Lebzeiten an...

DWN
Finanzen
Finanzen Tui-Aktie verliert deutlich nach Quartalszahlen - wie geht's weiter beim Reisekonzern?
14.05.2025

Die Tui-Aktie ist nach Veröffentlichung der Zahlen für das zweite Geschäftsquartal deutlich unter Druck geraten. Am Mittwochmorgen...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Krieg: Unklare Details vor Friedensgesprächen in Istanbul
14.05.2025

Kurz vor dem geplanten Dialog zur Lösung des Ukraine-Kriegs bleibt unklar, in welchem Rahmen die Friedensgespräche in Istanbul...