Politik

Boris Johnson: Wiederwahl zum Premier in Reichweite

In Großbritannien hat offenbar auch der Ex-Premier Boris Johnson die nötige Anzahl an Unterstützern für eine Bewerbung um die Nachfolge von Liz Truss.
22.10.2022 17:47
Aktualisiert: 22.10.2022 17:47
Lesezeit: 3 min
Boris Johnson: Wiederwahl zum Premier in Reichweite
Boris Johnson hat gute Chancen, erneut zum Premierminister von Großbritannien gewählt zu werden. (Foto: dpa) Foto: Alberto Pezzali

Im Rennen um die Nachfolge der scheidenden Premierministerin Liz Truss kristallisiert sich in der Tory-Fraktion ein Favorit heraus. Ex-Finanzminister Rishi Sunak ist nach der Zählung britischer Medien der erste mögliche Kandidat, der die notwendige Zahl an Unterstützern unter den konservativen Abgeordneten hinter sich vereinigen kann. Um ins Rennen um den Spitzenjob zu gehen, brauchen Kandidaten den Rückhalt von mindestens 100 Parlamentariern. Noch bis Montagnachmittag können Nominierungen eingehen.

„Es sind schwierige Zeiten und wir brauchen eine Führung, die der Aufgabe gewachsen ist, deshalb unterstütze ich Rishi“, sagte der frühere stellvertretende Premier Dominic Raab. Sunak habe einen klaren Plan, wieder finanzielle Stabilität in Großbritannien einkehren zu lassen und nach dem Chaos an den Finanzmärkten das Vertrauen in die britische Wirtschaft zurückzugewinnen.

Sunak wird von vielen zugute gehalten, dass er vor genau jenem Chaos, das Truss mit ihrer Wirtschaftspolitik an den Finanzmärkten ausgelöst hat, im Wahlkampf gegen sie vor wenigen Wochen wiederholt gewarnt hat. Sunak war bereits bei seiner Kandidatur für die Nachfolge von Ex-Premier Boris Johnson der Favorit der Fraktion im Unterhaus, scheiterte aber gegen Truss bei der Abstimmung in der Parteibasis.

Truss war am Donnerstag als Premierministerin mit der kürzesten Amtszeit jemals zurückgetreten, nachdem sich ihre Wirtschaftspolitik als unhaltbar erwiesen und sie zwei wichtige Kabinettskollegen verloren hatte. Die Partei hat ein Schnellverfahren angekündigt, sodass spätestens am kommenden Freitag feststehen soll, wer künftig an der Spitze der britischen Regierung stehen wird.

Als gefährlichster Rivale für Sunak gilt der von Skandalen geplagte Boris Johnson, der erst vor wenigen Wochen aus dem Amt ausgeschieden war. Johnson kehrte am Samstag mit seiner Familie aus einem verkürzten Karibikurlaub nach London zurück und soll Verbündeten zufolge in den Startlöchern für eine Kandidatur stehen. Ein Statement von ihm selbst wurde am Wochenende mit Spannung erwartet. Am Samstagnachmittag ließ eine Johnson nahe stehende Quelle verlauten, dieser habe die notwendigen 100 Unterstützer zusammen. Öffentlich hatten sich bis dahin jedoch erst deutlich weniger zu ihm bekannt.

Zu den öffentlichen Unterstützern des Projekts „Bring Back Boris“ gehören einige Kabinettsmitglieder wie der Brexit-Hardliner Jacob Rees-Mogg. Nur Johnson könne als begnadeter Wahlkämpfer die konservative Partei aus dem Sumpf katastrophaler Umfragewerte befreien, so ihr Kalkül.

Allerdings hängen die zahlreichen Skandale Johnson nach - und könnten sogar für sein politisches k.o. sorgen: Derzeit läuft noch eine Untersuchung, ob Johnson in der Partygate-Affäre das Parlament belogen hat. Kommt der zuständige Ausschuss zu dem Schluss, dass dies der Fall war, könnte Johnson sogar sein Mandat als Abgeordneter verlieren. Selbst alte Verbündete wie der Telegraph-Redakteur Charles Moore schrieb in einem Kommentar, nun sei „nicht die Zeit für Boris“. Es sei zu früh für ein Comeback. Nun müsse erst einmal Rishi Sunak für Ordnung sorgen. Auch Ex-Brexit-Minister und frühere Johnson-Vertraute David Frost schloss sich dem Sunak-Lager an.

Der Fernsehmoderator Andrew Neil schrieb in der Daily Mail, es sei Zeit, dass die Tories die Interessen des Landes vor jene ihrer Partei stellten. „Inzwischen zeigt die Idee, dass Johnson von einigen Tories als ernsthafte Alternative angesehen wird, nur, wie sehr große Teile der Partei ihre Sinne verloren haben.“

Als Dritte im Rennen ist die für Parlamentsfragen zuständige Ministerin Penny Mordaunt (49), die bereits am Freitag ihre Kandidatur offiziell machte. Den Zählungen britischer Medien zufolge liegt Mordaunt aber hinsichtlich ihrer öffentlichen Unterstützer bislang weit abgeschlagen hinter Sunak und Johnson.

Erhalten mehr als zwei Kandidaten die nötigen Unterstützungen von 100 Abgeordneten, soll bei Abstimmungen in der Fraktion der Kreis verkleinert werden. Gibt es danach noch zwei Finalisten, kann die Parteibasis im Laufe der Woche in einem Online-Votum abstimmen. Andernfalls könnte die Entscheidung auch schon früher fallen.

Die Opposition fordert unterdessen vehement eine sofortige Neuwahl, doch die regierende Tory-Partei sitzt am längeren Hebel und kann den Zeitpunkt für die nächste Wahl - bis spätestens Anfang 2025 - relativ frei bestimmen. Daher gilt eine Neuwahl vorerst als unwahrscheinlich.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Schott Pharma-Aktie: Zähe Nachfrage nach Glasspritzen – Pharmazulieferer Schott Pharma schaut vorsichtig auf 2026
04.12.2025

Die Schott Pharma-Aktie ist am Donnerstag nachbörslich unter Druck geraten, Anleger beäugen den Ausblick des Mainzer Pharmazulieferers...

DWN
Politik
Politik Die EZB blockiert: Streit um EU-Pläne für eingefrorene russische Vermögenswerte
04.12.2025

Die EU ringt um einen Weg, die finanziellen Belastungen des Ukrainekriegs abzufedern, doch zentrale Institutionen setzen klare Grenzen. Wie...

DWN
Politik
Politik Friedensverhandlungen in Moskau: Trump-Gesandte führen Gespräche mit Putin
04.12.2025

Die Gespräche zwischen Washington und Moskau rücken die Suche nach einer realistischen Friedenslösung wieder in den Mittelpunkt der...

DWN
Politik
Politik EU Ermittlungen: Staatsanwaltschaft nimmt Büros von Kaja Kallas ins Visier
04.12.2025

Die Ermittlungen der Europäischen Staatsanwaltschaft rücken den Umgang mit sensiblen EU-Mitteln und institutionellen Abläufen in...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Trade Republic Probleme: Kundenfrust wächst trotz neuer Produkte
04.12.2025

Trade Republic wirbt mit Innovationen, doch viele Kunden erleben etwas anderes. Die Beschwerden zu Ausfällen, Support und Handelbarkeit...

DWN
Politik
Politik G7? Nein danke, sagt Putin
04.12.2025

Russlands Präsident Wladimir Putin sorgt vor seinem Indien-Besuch für Aufsehen. Er kritisiert die G7 als "nicht groß" und verweist auf...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutschland im Club der Superreichen vorn dabei
04.12.2025

Fast 3.000 Menschen weltweit besitzen mehr als eine Milliarde Dollar – und Deutschland spielt eine führende Rolle. Während...

DWN
Finanzen
Finanzen Silberpreis aktuell leichter: Kurspotenzial weiter hoch – jetzt Rücksetzer nutzen und Silber kaufen?
04.12.2025

Der Silberpreis hat am Mittwoch ein Rekordhoch erreicht. Doch der starke Anstieg des Silberpreises in den vergangenen Monaten stellt die...