Technologie

US-Chip-Sanktionen gegen China: Auch Deutschland betroffen

Nicht nur in Energiefragen hat Deutschland sich in eine gefährliche Abhängigkeit begeben. Das zeigen die jüngsten Chip-Sanktionen der US-Regierung gegen China.
Autor
30.10.2022 08:55
Aktualisiert: 30.10.2022 08:55
Lesezeit: 3 min

Die von US-Präsident Joe Biden Anfang Oktober erlassenen Exportbeschränkungen sollen nicht nur Chinas Tech-Industrie von fortgeschrittenen Halbleiter-Chips abschneiden, sondern auch fachkundige US-Bürger daran hindern, ihr Knowhow in chinesischen Halbleiter-Werken einzubringen.

Laut einem zuletzt vielzitierten Tweet eines chinesischen Tech-Influencer sollen die Sanktionen für Chinas Halbleiterindustrie eine „Auslöschung“ bedeuten.

US-Sanktionen werden sich in der Praxis beweisen müssen

Ist dem so? Gegenüber den Deutschen Wirtschaftsnachrichten betont Uwe Cantner, Wirtschaftswissenschaftler und Vorsitz der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), dass die Sanktionen jedenfalls das Potenzial hätten, die chinesische Technologiebranche schwer zu schädigen und die Entwicklung neuer Schlüsseltechnologien massiv zu behindern. Chinas starke Position im Bereich der KI und des autonomen Fahrens könne deutlich geschwächt werden.

„Allerdings wird sich in der Praxis zeigen müssen, ob die amerikanische Regierung ihre Sanktionen streng auslegt oder im größeren Stil Ausnahmen zulässt.“ Das hinge letztlich auch vom vom Verhalten der chinesischen Regierung ab, erklärt Cantner.

Europa steht wirtschaftlich zwischen den USA und China

Nicht wenige Kommentatoren sehen in den Sanktionen derweil die folgenreichste politische Entscheidung der USA seit dem Kalten Krieg, die Financial Times kündet sogar schon vom „Kalten Tech-Krieg“. Doch im Gegensatz zur Zeit des Kalten Krieges sind die Fronten im 21. Jahrhundert weniger deutlich abgesteckt. Das vereinte Europa steht zumindest wirtschaftlich zwischen den USA und China.

Eine Zuspitzung des Konflikts zwischen den beiden Weltmächten kann für Europa demnach nicht folgenlos bleiben. Umso mehr, nachdem Deutschland unter seiner ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel in eine gefährliche Abhängigkeit vom heute kriegführenden Russland manövriert wurde, deren Folgen sich derzeit innenpolitisch in der Energie- und Wirtschaftskrise manifestieren.

Europa von den US-Sanktionen betroffen

Auch der EFI-Vorsitzende Cantner unterstreicht: „Deutschland und Europa sind von den US-Sanktionen gegen China ebenfalls betroffen. Der Druck auf deutsche Unternehmen, sich nach neuen Lieferanten und Märkten umzusehen, steigt.“ Um nicht zum Spielball innerhalb der amerikanisch-chinesischen Auseinandersetzung zu werden, sei es essentiell, dass Deutschland gemeinsam mit seinen europäischen Partnern eigene Kompetenzen im Bereich der Schlüsseltechnologien auf- und ausbaue, so Cantner.

„Insbesondere im Bereich der digitalen Schlüsseltechnologien haben sich Deutschland und Europa in eine problematische Abhängigkeit gebracht. Wenn Deutschland seine technologische Souveränität erhalten will, müssen Politik und Wirtschaft jetzt gemeinsam gegensteuern.“ Dabei, stellt Cantner fest, gelte es sich nichts vorzumachen: Die Überwindung unserer Abhängigkeit von China könne nicht über Nacht gelingen und sei auch nicht zum Nulltarif zu haben.

VDA fordert raschen Ausbau europäischer Halbleiterproduktion

Als besonders abhängig von China gilt die deutsche Automobilindustrie. Wie stark trifft sie die jüngste Eskalation des amerikanisch-chinesischen Chipkriegs? Auf Anfrage der Deutschen Wirtschaftsnachrichten erklärt ein Sprecher des Verbands der Automobilindustrie (VDA), dass zunehmende geopolitische Konflikte und damit einhergehende Exportbeschränkungen sich auch negativ auf die Automobilindustrie auswirken.

Aus der Sicht des VDA sei es darum entscheidend, dass Deutschland und Europa über weitere Optionen der Versorgungssicherheit in der Zukunft nachdenken, auch im Halbleitersektor. „Um unabhängiger von Asien zu werden und die weiter steigende Nachfrage nach Halbleitern befriedigen zu können, brauchen wir einen raschen Ausbau der europäischen Halbleiterproduktion, insbesondere bei den für die europäische Industrie notwendigen Technologien.“

Neue Kapazitäten könnten Chipknappheit teilweise entspannen

Gleichsam ließe sich, so der VDA-Sprecher, die Fertigung in Deutschland oder Europa aufgrund der Komplexität der Produktionsprozess nicht kurzfristig hochfahren. „Es werden jedoch weltweit und auch hierzulande – z.B. in Dresden und Villach – bereits neue Kapazitäten aufgebaut. Dadurch dürfte sich die Chipknappheit in einzelnen Anwendungen etwas entspannen.“

Die Unternehmen der Automobilindustrie seien dazu im engen Austausch mit ihren Lieferanten sowie den Herstellern von Halbleitern und Chips und arbeiteten kontinuierlich an Lösungen, um der aktuellen Situation bestmöglich zu begegnen. Darüber hinaus führe auch der VDA fortlaufend Gesprächen mit den Unternehmen und der Politik. Doch nicht nur Wirtschaft und Politik sind nun gefragt: Den Kampf um ihre technologische Souveränität und ihren Platz in der Lieferkette müssen die EU-Länder gemeinsam ausfechten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik YouGov-Wahlumfrage: AfD und SPD gleichauf - CDU rutscht ab
22.01.2025

In der neuesten Wahlumfrage von YouGov kann die SPD deutlich zulegen. Die AfD verliert dagegen. Beide Parteien liegen nun gleichauf. Auch...

DWN
Technologie
Technologie Projekt "Stargate" - OpenAI und Trump setzen auf KI-Rechenzentren für die Zukunft
22.01.2025

OpenAI und bedeutende Technologie-Partner investieren 500 Milliarden Dollar in neue Rechenzentren für Künstliche Intelligenz (KI). Das...

DWN
Politik
Politik China-Importe: Deutschlands Handel, Verbraucher und Zollbeamte fordern Regierung zu Regeln auf
22.01.2025

Täglich werden Hunderttausende Pakete mit Waren aus China auf den europäischen Markt geschwemmt, die China-Importe umgehen trickreich die...

DWN
Finanzen
Finanzen Nvidia-Aktie: Prognose 2025 mit mehr Potential als Risiko - Nvidia-Aktie Kursziel überzeugt
22.01.2025

Die Nvidia-Aktie gehört zu den Lieblingspapieren sowohl der institutionellen Investoren als auch der privaten Anleger. Der US-Chipkonzern...

DWN
Politik
Politik Rüstungsexporte steigen auf Rekordwert, mehr als die Hälfte geht an die Ukraine
22.01.2025

Die Regierung von Kanzler Scholz hatte sich ursprünglich vorgenommen, Rüstungsexporte mit einem Kontrollgesetz einzudämmen. Dann kam die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Schuhhändler Görtz erneut in die Insolvenz gerutscht
22.01.2025

Einst gab es in fast jeder Fußgängerzone eine Görtz-Schuhfiliale. Doch das Traditionsunternehmen, das 1875 gegründet wurde, ist erneut...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft IWF-Prognose Weltwirtschaft: USA im Aufwind - Deutschland abgeschlagen
22.01.2025

Die neue IWF-Konjunkturprognose für die Weltwirtschaft zeichnet ein differenziertes Bild für das Wachstum der Industrienationen....

DWN
Finanzen
Finanzen Apple-Aktie rutscht ab: Jefferies-Analyst senkt Kursziel – jetzt Apple-Aktie kaufen?
21.01.2025

Die Apple-Aktie steht am Dienstag mächtig unter Druck. Ein skeptischer Analystenkommentar sowie schwächere Verkaufszahlen in China sorgen...