Unternehmen

Gazprom enteignet: Bund verstaatlicht Gas-Importeur Sefe

Der Bund übernimmt den Gas-Importeur Sefe, der früher Gazprom Germania hieß. Russland wird dabei endgültig und vollständig aus dem Unternehmen gedrängt.
14.11.2022 15:41
Aktualisiert: 14.11.2022 15:41
Lesezeit: 2 min

Nach Uniper verstaatlicht der Bund auch den Gas-Importeur Sefe, die frühere Gazprom Germania. Das Bundeswirtschaftsministerium teilte am Montag in Berlin mit, der Bund werde Russland endgültig aus dem Unternehmen drängen und selbst 100 Prozent der Anteile übernehmen. Seit April stand das Unternehmen bereits unter Treuhandverwaltung der Bonner Bundesnetzagentur.

Sefe laut Ministerium überschuldet

"Grund ist die handelsbilanzielle Überschuldung der Sefe und die dadurch drohende Insolvenz, die die Versorgungssicherheit in Deutschland gefährden würde", begründete das Ministerium den Schritt, der so zuletzt bereits erwartet wurde. "Um diese Gefahr abzuwenden und die operative Geschäftstätigkeit der Sefe aufrechtzuerhalten, wird nun der Eigentümerwechsel vollzogen und das Unternehmen stabilisiert." Eine entsprechende Anordnung sei zu Wochenbeginn im Bundesanzeiger veröffentlicht worden. In den vergangenen Monaten hatte die Bundesregierung noch gezögert mit der Enteignung, weil Vergeltungsmaßnahmen für deutsche Firmen in Russland befürchtet wurden.

Weil Russland mittlerweile aber von sich aus vereinbarte Gaslieferungen über die Pipeline Nord Stream 1 gestoppt hat, sind Importeure wie Sefe, Uniper oder die EnBW-Tochter VNG in Schieflage geraten. Sie müssen jetzt für viel Geld am Markt kurzfristig Ersatz beschaffen, um ihre Kunden weiter beliefern zu können. Das führte zu milliardenschweren Verlusten bei Sefe. Der Bund betonte zudem, Banken und Geschäftspartner hätten zuletzt Geschäftsbeziehungen mit dem Unternehmen gescheut.

Konkret ordnete der Bund einen Kapitalschnitt an, womit das bisherige Stammkapital auf null gesetzt wird. Damit verliert der russische Staatskonzern Gazprom seine Einlagen. "Der Kapitalschnitt ist mit einer Entschädigung verbunden. Die Höhe der Entschädigung bemisst sich am Marktwert der Sefe-Anteile", so das Ministerium. "Das Entschädigungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen." Gleichzeitig erfolgt bereits eine Kapitalerhöhung im Volumen von 225,6 Millionen Euro, die der Bund alleine stemmt und die ihn zum 100-prozentigen Eigentümer macht. Die EU-Kommission hatte für das frische Kapital bereits am Wochenende grünes Licht gegeben.

Sefe - eine Abkürzung für "Securing Energy for Europe" - hatte im Frühjahr bereits von der Förderbank KfW Kredite im Umfang von 11,8 Milliarden Euro erhalten. Dieses Darlehen werde nun auf 13,8 Milliarden Euro aufgestockt, so der Bund. Ein Großteil davon werde dann in Eigenkapital umgewandelt, was die EU-Kommission allerdings noch genehmigen müsse. Die neuen Gelder für die Sefe-Rettung kämen aus dem 200 Milliarden Euro schweren Abwehrschirm der Bundesregierung, mit dem die Folgen der Energiekrise abgemildert werden soll.

Dritte Verstaatlichung bei VNG?

Die für Wettbewerbspolitik zuständige Vize-Präsidentin der EU-Kommission, Margrethe Vestager, begrüßte den Eigentümerwechsel bei Sefe. Er ermögliche, nach neuen Gaslieferanten zu suchen. Sefe hat nach Angaben der Brüsseler Behörde einen Anteil von 14 Prozent am Gasversorgungsmarkt in Deutschland und sei auch in anderen EU-Mitgliedsstaaten tätig. Zudem betreibe das Unternehmen 28 Prozent der Gasspeicherkapazitäten in Deutschland und besitze Gasleitungen über Deutschland hinaus.

Uniper als Branchenprimus soll ebenfalls verstaatlicht werden, VNG nach Einschätzung von EnBW eher nicht. Experten gehen nicht davon aus, dass Sefe und Uniper fusioniert werden. Eine Privatisierung der Firmen wird erst erwartet, wenn sich die Märkte beruhigen. Das erwarten viele Beobachter frühestens im Frühjahr 2024. Bis dahin dürften ausbleibende Gaslieferungen aus Russland noch zu Knappheiten führen. Mittelfristig sollen dann neue Flüssiggas-Lieferanten sowie der Ausbau erneuerbaren Energien für Entspannung sorgen.

Im Öl-Bereich, in dem Deutschland ebenfalls stark von russischen Lieferungen abhängig ist, könnte es auch zu einer Enteignung kommen. Polen hat seine Bereitschaft signalisiert, die Raffinerie Schwedt zu unterstützen. Voraussetzung sei aber, dass der russische Konzern Rosneft keine Anteile dort mehr halte. Das Unternehmen ist trotz der von Deutschland eingesetzten Treuhand-Verwaltung weiterhin der Eigentümer. Rosneft hält gut 54 Prozent der Anteile, Shell ist mit gut 37 Prozent zweitgrößter Eigentümer.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Das Zeitalter des intelligenten passiven Einkommens: Bitcoin-Mining mit BlackchainMining

In der heutigen, sich rasant entwickelnden digitalen Wirtschaft sind Kryptowährungen wie Bitcoin nicht nur Vermögenswerte, sondern auch...

 

 

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Exporte: USA- und China-Geschäft bricht im Oktober ein
09.12.2025

Die deutschen Exporte geraten in ihren wichtigsten Absatzmärkten ins Rutschen, und die Zahlen aus den USA und China zeichnen ein klares...

DWN
Finanzen
Finanzen Neues Silberpreis-Rekordhoch: Engpässe treiben Aufwärtsrallye – warum Anleger jetzt wachsam sein müssen
09.12.2025

Der Silberpreis jagt von Rekord zu Rekord und übertrifft selbst den Hype um Gold, folgerichtig gibt es am Dienstag ein neues...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Arbeitsmarkt: Sieben Wege wie Unternehmen Fachkräfte finden und halten
09.12.2025

Qualifizierte Fachkräfte werden knapp – das spüren Unternehmen bei der Personalsuche immer deutlicher. Die Folgen: Engpässe,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Milan Nedeljkovic folgt auf Oliver Zipse bei BMW
09.12.2025

BMW bekommt einen neuen Chef: Milan Nedeljkovic übernimmt das Ruder von Oliver Zipse. Der Produktionsvorstand bringt Erfahrung aus fast...

DWN
Finanzen
Finanzen Allianz-Aktie im Fokus: Allianz-Kooperation mit Oaktree – was der Syndikat-Pakt für Anleger bedeutet
09.12.2025

Ein neuer Deal in London, ein bestätigtes Top-Rating und höhere Gewinnziele treiben die Allianz-Aktie bis an das Jahreshoch. Doch hinter...

DWN
Politik
Politik Merz fordert Abschaffung: EU-Lieferkettengesetz wird deutlich gelockert
09.12.2025

Das EU-Lieferkettengesetz sollte Unternehmen weltweit verpflichten, Menschenrechte zu achten. Doch bevor es überhaupt greift, haben sich...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kosten für Wohnen und Essen fressen geringere Einkommen auf
09.12.2025

Wohnen und Lebensmittel werden teurer – doch die Härte trifft nicht alle gleich. Neue Daten der Statistiker zeigen, wie stark vor allem...

DWN
Politik
Politik Analyse: Putins Besuch in Indien zeigt die gefesselten Hände des Kreml
09.12.2025

Wladimir Putins Besuch in Indien sollte Stärke demonstrieren, doch die Realität wirkt gegenteilig. Der Kreml ist stark von Ölexporten...