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Russland: West-Unternehmen kehren trotz Sanktionen zurück

Lesezeit: 7 min
23.11.2022 11:57  Aktualisiert: 23.11.2022 11:57
Im Frühjahr und Sommer verließen viele ausländische Unternehmen den russischen Markt. Nun kommen viele von Ihnen auf verschiedensten Wegen zurück.

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Viele bekannte Markenunternehmen verließen Russland im Frühjahr und Sommer als Reaktion auf die Sanktionen der EU und der USA auf verschiedenste Wirtschaftsbereiche in der Russischen Föderation. Laut einem Bericht der russischen Nachrichtenzeitung Konsomolskaja Pravda wurde nun vom russischen Ministerium für Industrie und Handel eine Liste ausländischer Unternehmen veröffentlicht, die angeblich nach Russland zurückgekehrt seien.

Die Liste verdeutlicht, dass viele Markenprodukte, die angeblich in Russland nicht zu bekommen sind, ohne Probleme bereits wieder im Land gekauft werden können. Es wird klar: Mehr und mehr Unternehmen sind nach Russland zurückgekehrt. Sie liefern ihre Ware nicht nur über Grauimporte, sondern auch über ganz offizielle Kanäle nach Russland.

Unternehmen, welche in diesem Jahr den Rückzug aus Russland angekündigt hatten, besitzen im Wesentlichen drei Möglichkeiten, um zurückzukehren. Die ersten beiden Optionen sind laut Konsomolskaja Pravda freiwillig und die dritte Option ist eine erzwungene Rückkehr.

Änderung der Beschilderung

Viele Unternehmen verkaufen ihr Russlandgeschäft an einheimische Unternehmer oder Unternehmen aus „befreundeten Ländern“. Und mit Hilfe der neuen Eigentümer liefern sie ihre Waren nach Russland. Oftmals werden die Namen der Verkaufsstellen geändert.

Es gibt aber auch eine andere Möglichkeit: nichts zu verkaufen, sondern einfach den Namen der juristischen Person zu ändern, so dass er nicht mehr an die westliche Marke erinnert, und den Betrieb weiterzuführen. Wie zum Beispiel bei Coca-Cola.

Reste im Verkauf

„Das Vorhandensein von Produkten abgezogener internationaler Markenauf russischen Internetplattformen, deutet nicht immer auf deren Rückkehr hin“, sagt Artem Sokolov, Präsident des Verbandes der Internet-Handelsunternehmen (AKIT) gegenüber der Konsomolskaya Pravda. „Im Frühjahr zum Beispiel gab es einen regen Verkauf von Restbeständen, da alles, was wir sahen, bereits für Russland produziert und ins Land gebracht worden war. Allerdings kann niemand garantieren, dass die Unternehmen nicht auch neue Artikel unter dem Deckmantel von Restposten verkaufen. Dies ist schwer zu kontrollieren.“

Paralleleinfuhren

Im Frühjahr beschloss die russische Regierung, den Parallelimport, auch bekannt als Grauimport, zuzulassen, bei dem Waren im Ausland gekauft und ohne Zustimmung des Herstellers ins Land gebracht werden. Aber nicht alles kann als Grauimport eingeführt werden: Das Ministerium für Industrie und Handel hat eine Liste von Waren veröffentlicht, die für den Parallelimport zugelassen sind, und viele alte Marken sind darin enthalten. Die Liste wird in regelmäßigen Abständen aktualisiert.

Bugatti kehrt zurück und Sauza Tequila bleibt weg

Einige Produkte werden davon ausgenommen, wenn ihre Hersteller die Lieferungen nach Russland wieder aufnehmen, und andere werden im Gegenteil hinzugefügt.

So wurden beispielsweise die Schuhmarken Bugatti, Ecco und Ekonika sowie die Parfümmarken Pierre Cardin, Clarins, Garnier, L'Occitane, L'Oreal Paris usw. kürzlich von der Liste gestrichen. So lässt das Ministerium für Industrie und Handel laut der Konsomolskaja Pravda verlauten, dass diese Unternehmen beschlossen haben, die Lieferungen nach Russland wieder aufzunehmen.

Gleichzeitig wurden Spirituosen wie Johnnie Walker Whisky, Sauza Tequila usw. in die Liste der Parallelimporte aufgenommen. Denn im Spätherbst war endgültig klar, dass die Hersteller dieser Getränke nicht freiwillig nach Russland zurückkehren werden. Das bedeutet, dass es Unternehmen geben wird, die diese Alkoholika in der Mongolei kaufen und dann nach Russland importieren.

Mango änderte nicht mal das Aushängeschild

Wer sind diese Unternehmen, deren Produkte bereits ganz offiziell wieder in Russland verkauft werden? Die detaillierte Liste, die der Konsomolskaja Pravda vom Ministerium für Industrie und Handel vorliegt, zeigt es:

Der amerikanische Hersteller von Sportbekleidung und -schuhen Reebok hat sein Russlandgeschäft an die türkische Holdinggesellschaft FLO Retailing übertragen. In Russland werden unter dem Namen Sneaker Box Geschäfte mit Reebok-Produkten eröffnet.

Beim amerikanischen Konkurrenten Nike wurden die Geschäfte im Sommer in Russland geschlossen. Die Läden wurden von der russischen Kette Sport Point aufgekauft, und der erste der geschlossenen Läden wurde kürzlich in Moskau unter dem Namen NSP wiedereröffnet. Die Produktpalette ist weitgehend unverändert geblieben.

Der amerikanische Bekleidungshersteller Levi Strauss & Co hat hingegen seine Geschäftstätigkeit in Russland unter dem neuen Namen JNS wieder aufgenommen. Es wurde berichtet, dass es sich um eine Mehrmarkenkette handeln würde, die neben Levi's auch Lacoste, Vans und andere Marken umfassen würde.

Die spanische Marke Mango änderte nicht einmal ihr Aushängeschild: Im Frühjahr wurden die Geschäfte geschlossen, aber im Sommer begannen sie langsam wieder unter ihrem „einheimischen“ Namen zu öffnen und man verkauft immer noch die gleiche Kleidung.

Uniqlo verließ Russland unter Druck

Der japanische Bekleidungshersteller Uniqlo wollte Russland nicht verlassen, wie die Geschäftsführer des Unternehmens offen erklärten. Daraufhin stießen sie auf Aufrufe, Uniqlo-Produkte weltweit zu boykottieren. Infolgedessen hat das Unternehmen am 10. März seine Tätigkeit in der Russischen Föderation „ausgesetzt“ und an diesem Vorgang hat sich nichts geändert.

Im Oktober erschien jedoch die Ware der japanischen Marke zum Verkauf im Online-Shop Lamoda - das ist die Seite, auf der Uniqlo seine angesammelten Bestände verkauft. Aus irgendeinem Grund gibt es immer mehr davon - im Oktober gab es etwa 600 Stück, jetzt sind es etwa 1000. Es ist auch möglich, die Waren der Marke auf anderen Online-Marktplätzen zu finden.

Die Kosten für Produkte von Uniqlo sind in etwa gleichgeblieben. Umgerechnet von Euro in Rubel entsprechen sie im Allgemeinen den Preisen, die auf der europäischen Version der Uniqlo-Website angegeben sind.

Coca-Cola läuft unter Moulton Partners Ltd

Zu Beginn des Sommers verkaufte der amerikanische Reisegepäckhersteller Samsonite International sein Russlandgeschäft an das Management seiner lokalen Niederlassung. Ab August wurden die Geschäfte unter dem Namen „Suitcase Pro“ wieder eröffnet. Samsonite-Koffer (sowie American Tourister, Tumi und Lipault, die zu Samsonite International gehören) werden immer noch in diesen Ländern verkauft. Das Unternehmen berichtet, dass die Lieferungen nach Russland fortgesetzt werden.

Auch das französische Kosmetikunternehmen L'Occitane hatte im Frühjahr den Betrieb eingestellt, doch sind nun alle 110 Geschäfte wieder geöffnet. Der Name wurde geändert, aber das Sortiment ist das gleiche geblieben.

Die russische Abteilung des amerikanischen Unternehmens Coca-Cola wurde in Moulton Partners Ltd. umbenannt. Die Säfte „Dobry“, „Rich“ und „My Family“ des Unternehmens sind in den russischen Regalen geblieben. Das Unternehmen stellt auch weiterhin Limonaden her, die unter den ungewöhnlichen Namen Dobry Orange und Dobry Cola verkauft werden. Es handelt sich jedoch nicht um die ursprüngliche Coca-Cola: Bereits im Frühjahr haben die Amerikaner die Lieferung des Konzentrats für die Produktion an Russland eingestellt. Dennoch kann das „gleiche“ Getränk laut der Konsomolskaya Pravda online gekauft werden. So kann beispielsweise eine Packung mit 12 Dosen Coca-Cola aus Polen für 1.300 Rubel bestellt werden.

Apple-Produkte über Parallelimport kaufbar

Microsoft kündigte im Frühjahr seinen Rückzug an, und im Herbst erschien seine Software plötzlich in Russland - ganz offiziell. Jetzt können Sie kostenlos eine Lizenz für Microsoft Office 2021 (Word, Excel und andere Programme, die im Haushalt unverzichtbar sind) und das Betriebssystem Windows 10 in Online-Shops kaufen. Sie wurden speziell für Russland freigegeben.

Anfang März kündigte auch Apple eine Aussetzung der Verkäufe in Russland an. Die Lagerbestände reichten jedoch aus, um noch einige Monate lang ausverkauft zu sein.

Im Sommer kam ein neuer Strom von Apple-Geräten, darunter das neueste iPhone 14-Modell, nach Russland. Offensichtlich durch graue Kanäle. Und im Frühherbst kündigte die Einzelhandelskette M.Video den offiziellen Verkaufsstart der neuen Apple-Smartphones an. „Wir haben die erforderlichen Dokumente erhalten und alle Zollverfahren durchlaufen“, berichtet ein Verkäufer laut Konsomolskaja Pravda. Die Preise beginnen bei 85.000 Rubel.

Allerdings sind die neuen iPhones nun auch in anderen Ketten zu finden - durch Parallelimport. So verspricht beispielsweise cdek.shopping, ein iPhone 14 innerhalb von zwei Wochen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten zu liefern, und zwar für ungefähr das gleiche Geld.

Inditex Produkte werden von Daher Group übernommen

Zur spanischen Inditex-Gruppe gehören neben der beliebten Marke Zara auch die Marken Massimo Dutti, Pull and Bear, Oysho, Stradivarius und Bershka. Alle mehr als 500 Geschäfte der Holding haben im Frühjahr ihren Betrieb in Russland eingestellt. Im Oktober kündigte Inditex nun den Verkauf seines russischen Geschäfts an die Daher Group mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten an. Die Geschäfte werden umbenannt. Aber was wird dort verkauft werden? Die Konsomolskaja Pravda hat sich mit dieser Frage an Inditex gewandt und eine Antwort erhalten:

„Die Daher-Gruppe wird in der Russischen Föderation mit ihren eigenen Marken und Kollektionen tätig sein, die nichts mit Inditex zu tun haben“. Gleichzeitig betonen die Spanier: „Sollte sich das Unternehmen für eine Rückkehr nach Russland entscheiden, haben Inditex und die Daher-Gruppe die Möglichkeit einer potenziellen Zusammenarbeit.“

Die Produkte aller Inditex-Marken können aber auch auf dem russischen Markt gekauft werden. Zara-Waren auf Wildberries werden zum Beispiel von Wildberries selbst verkauft und nicht von einem Drittanbieter-Shop. Der Katalog enthält mehr als 20.000 Zara-Artikel. Auch bei Ozon gibt es eine große Auswahl an Zarov-Artikeln. Es ist unwahrscheinlich, dass Inditex selbst nichts von einem solchen Massenhandel mit seinen Waren in Russland weiß.

Die Preise auf dem russischen Markt liegen im Durchschnitt 20-30 Prozent über den Preisen auf den offiziellen Websites der Marken. So kostet beispielsweise die ZW The '90s Damenjeans (weites Bein, hohe Passform) bei Wildberries 5.200 Rubel, während sie auf der Zara-Website mit 3.999 Rubel angegeben ist.

Polnisches Bekleidungsunternehmen riskierte viel

Der polnische Bekleidungshersteller LPP, zu dem die in Russland beliebten Marken Reserved, Cropp, House, Mohito und Sinsay gehören, war einer der ersten, der Russland im Frühjahr verlassen hat. Für das polnische Unternehmen ein großes Risiko. LPP war einer der größten Akteure auf dem Bekleidungsmarkt in Russland: Im vergangenen Jahr verdoppelte die russische Abteilung ihren Umsatz auf 53 Milliarden Rubel. Das Unternehmen verzeichnete einen Nettogewinn von rund 5 Milliarden Rubel.

Bereits im Mai 2022 nahmen geschlossene LPP-Läden den Betrieb wieder auf, allerdings unter neuem Namen. Reserved wurde zu RE, Cropp zu CR, Mohito zu M, House zu XC und Sinsay zu Sin. Sie alle wurden von FES Retail, einem in den Vereinigten Arabischen Emiraten eingetragenen Unternehmen, übernommen. In den ersten Wochen verkauften die Geschäfte die Kollektionen der ausgeschiedenen polnischen Marken weiter. FES Retail durfte die LPP-Kleidung jedoch nicht mehr in seinen Geschäften verkaufen und suchte deshalb nach neuen Lieferanten. Die Waren werden höchstwahrscheinlich aus China und anderen asiatischen Ländern kommen.

Was die Preise anbelangt, so sind diese laut der Konsomolskaya Pravda in den ehemaligen LPP-Geschäften, nach dem Relaunch im Mai, für die ausgeschiedenen Marken deutlich gestiegen. Die Kunden beschwerten sich vor allem über einen erheblichen Preisanstieg bei den Artikeln Mohito und Reserved. Experten gehen jedoch davon aus, dass die neuen Ladenbesitzer versuchen werden, in der gleichen Preisklasse zu bleiben.

Experte: „Unternehmen haben die Verluste berechnet“

Der Wirtschaftswissenschaftler Denis Raksha erklärt das Verhalten internationaler Unternehmen mit unterschiedlichen Faktoren: „Als die Hersteller im Frühjahr den russischen Markt verließen, wurden sie von mehreren Faktoren beeinflusst. Erstens war es die öffentliche Stimmung im Westen. Zweitens: Angst vor Sanktionen. Drittens sind große internationale Unternehmen vielleicht davon ausgegangen, dass der Krieg und damit die Sanktionen schnell vorbei sind. Zudem konnte man durch die Ankündigung des Rückzugs in den Augen der Öffentlichkeit in den jeweiligen Heimatländern in der EU, Großbritannien oder in den USA Reputationspunkte sammeln.“

Inzwischen hat sich die Situation gewandelt und wie Raksha auf Nachfrage der Konsomolskaja Pravda erklärt, haben die Unternehmen ihren Schritt überdacht: „Die Situation zieht sich inzwischen hin und die Sanktionen wurden nicht zurückgenommen. Einige Unternehmen, die den russischen Markt verlassen haben, fingen irgendwann an ihre Verluste zu berechnen. Dazu gehören direkte Verluste (unverkaufte Warenreste, Miete für nicht genutzte Geschäfte, Leistungen für entlassene Mitarbeiter usw.) und entgangene Gewinne. Deshalb denken manche Unternehmen jetzt: „Die Problematik mit den Sanktionen nehmen wir in Kauf.“

Neben den Verlusten kommt laut Raksha hinzu, dass die außenpolitische Situation heute von vielen nicht mehr so akut wahrgenommen werde, wie noch im Frühjahr. So evaluieren die Unternehmen ihre Möglichkeiten, wieder zurückzukommen. Diese Rückkehr ist laut dem Experten auffallend zu beobachten und auf unterschiedliche Weise. Ob mit anderen Namen oder unter parallelen Einfuhrregelungen.

Der Bericht verdeutlicht, dass sich auf unterschiedlichsten Wegen etwas auf dem russischen Wirtschaftsmarkt tut. Die Sanktionen der EU, Großbritanniens und der USA scheinen auch an ihre Grenzen zu stoßen. Es wird zu beobachten sein, ob es sich bei den Meldungen über die Rückkehr ausländischer internationaler Marken nach Russland um einen langfristigen Effekt, oder nur eine Momentaufnahme handelt.

 


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