Finanzen

Ära der negativen Renditen geht zuende

Der globale Bestand an Anleihen mit negativen Renditen hat sich fast vollständig aufgelöst. Dies ist die erwartete Folge der starken Zinsanhebungen in diesem Jahr.
Autor
28.12.2022 14:35
Aktualisiert: 28.12.2022 14:35
Lesezeit: 3 min

Der weltweite Bestand an Anleihen mit negativen Renditen ist auf 271 Milliarden Dollar massiv eingebrochen, wie aus Daten von Bloomberg hervorgeht. Noch vor zwei Jahren waren es 18,4 Billionen Dollar. Der Bestand an Anleihen mit negativen Renditen war auf diese riesige Summe angewachsen, weil die Europäische Zentralbank und die Bank of Japan ihre Zinssätze in den letzten Jahren unter Null hielten.

In diesem Jahr hat nun aber die stark steigende Inflation zahlreiche Zentralbanken dazu veranlasst, ihre Zinssätze anzuheben, was die nominalen Renditen für einen Großteil der zuvor negativ rentierten Anleihen wieder in den positiven Bereich gebracht hat. Tatsächlich sind inzwischen fast alle noch verbliebenen Anleihen mit einer Rendite unterhalb von null Prozent in Japan zu finden.

In der vergangenen Woche hat nun aber auch die Bank of Japan ihre Bemühungen gelockert, die Rendite für zehnjährige japanische Staatsanleihen unter 0,25 Prozent zu halten. In den letzten Tagen ist die Rendite sogar auf knapp 0,5 Rendite gestiegen, und die Renditen kürzerer Laufzeiten von weniger als 10 Jahren haben sich ins Positive gedreht.

Jetzt sind nur noch die Renditen der japanischen Staatsanleihen mit einer Laufzeit von einem Jahr oder weniger negativ. Einige Anleger sind der Meinung, dass diese Entwicklung der Bank of Japan die Möglichkeit eröffnet, ihren Zielzinssatz von derzeit minus 0,1 Prozent im nächsten Jahr auf über null anzuheben. Sollte dies der Fall sein, würden die Renditen für weitere japanische kurzfristige Anleihen wahrscheinlich ins Plus drehen.

Sowohl die EZB als auch die Zentralbanken von Schweden, Dänemark und der Schweiz hielten Ende der 2010er Jahre ihre Zielzinssätze unter Null, was in Europa zu einer Flut negativer Renditen für Staatsanleihen führte. Doch inzwischen haben alle Notenbanken ihre Zinssätze wieder in den positiven Bereich gebracht. Der Zinssatz der EZB kletterte von minus 0,5 Prozent im Januar auf plus 2 Prozent bis Ende 2022.

Staatsanleihen mit negativen Renditen sind eine kontraintuitive Investition, da der Anleiheninhaber für das Privileg, dem Staat Geld zu leihen, zahlen muss. Dennoch fanden viele Anleger in den letzten Jahren Gründe, Anleihen mit negativen Renditen zu kaufen. Einige kauften Anleihen mit negativer Rendite und wetteten darauf, sie vor der Fälligkeit mit Gewinn weiterverkaufen zu können.

Möglich war dies allein dadurch, dass die Notenbanken die Zinsen extrem niedrig hielten und zudem selbst massiv Staatsanleihen kauften, was die Renditen nach unten und die Kurse in die Höhe trieb. Die äußerst niedrigen und mitunter sogar negativen Renditen für viele Staatsanleihen auf der ganzen Welt führten zu einer Rallye bei riskanteren Anlagen wie Aktien, die bis Ende 2021 andauerte.

Anleger außerhalb von Japan haben von den niedrig verzinsten japanischen Staatsanleihen profitiert, indem sie ihre Anlagen mit einer Währungsabsicherung kombinierten. Ella Hoxha, eine leitende Investmentmanagerin bei Pictet Asset Management, sagte dem Wall Street Journal, dass einige der festverzinslichen Fonds des Unternehmens auf diese Weise Renditen von mehr als 4 Prozent erzielt haben.

Mithilfe von kurzfristigen Swaps tauschten diese Fonds Dollars gegen Yen und investierten dann die Yen in kurzfristige japanische Staatsanleihen. Der größte Teil der Rendite bei diesem Handel stammt aus der Währungsabsicherung, da Ausländer vor dem Hintergrund relativ hoher Zinsen in den USA bereit waren, höhere Zinsen für Dollar-Kredite zu zahlen.

Die Bank of Japan hält ihren Leitzins seit 2016 unter Null. Doch die steigenden Preise stellen diese Strategie der Bank nun auf die Probe. Die Zentralbank bezeichnete ihre jüngste Änderung der Zinskurvenpolitik als technische Anpassung. Dennoch entfachte der Schritt eine Debatte darüber, ob die Notenbanker ihren Zielsatz im nächsten Jahr anheben werden.

Die Ökonomen der Goldman Sachs Group werteten die Entscheidung der Bank of Japan als "ein Zeichen dafür, dass die Leitzinsen in den kommenden Monaten weiter angepasst werden könnten", wie sie letzte Woche in einer Mitteilung an ihre Kunden schrieben.

Brent Donnelly, ein Devisenhändler und Makroanalyst, der Spectra Markets leitet, sagte, dass der Weg der Bank davon abhängen wird, wer zum Nachfolger von Haruhiko Kuroda, dem Gouverneur der Bank of Japan, gewählt wird, dessen Amtszeit nächstes Jahr endet. "Sie könnten entweder eine Taube oder einen Falken wählen, und dieses Signal ist wahrscheinlich alles, was man wissen muss", so Donnelly.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bürokratieabbau: Normenkontrollrat kritisiert Bund-Länder-Pläne als zu schwach
24.11.2025

Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) hält die aktuellen Vorschläge von Bund und Ländern zum Bürokratieabbau für unzureichend. In...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Infrastruktur in der Finanzlücke: Pkw-Maut als mögliche Lösung?
24.11.2025

Eine aktuelle Studie der Denkfabriken Agora Verkehrswende und Dezernat Zukunft zeigt, dass Deutschland bis 2030 rund 390 Milliarden Euro...

DWN
Panorama
Panorama Kita unter Druck: Experten fordern besseren Gesundheitsschutz für Erzieher
24.11.2025

Das Kita-System in Deutschland steht vor großen Herausforderungen: Hohe Ausfallraten und Personalmangel belasten Erzieherinnen und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Technologie im Mittelstand: Cloud bleibt bei kleinen Unternehmen ein Nischenthema
24.11.2025

Während große Unternehmen längst auf Cloud-Dienste für Speicher, Rechenleistung und Softwareanwendungen setzen, ist die Nutzung bei...

DWN
Technologie
Technologie Digitalisierung: Was Deutschland von Estland lernen sollte
24.11.2025

Deutschland steckt im digitalen Stau: Ämter arbeiten auf Papier, Gründer warten wochenlang, Unternehmen verlieren Zeit und Geld. Estland...

DWN
Politik
Politik Deutschland investiert am meisten in Soziales – IW-Studie zeigt EU-Spitzenplatz
24.11.2025

Deutschland führt europaweit bei den Sozialausgaben: Laut einer aktuellen Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft fließen...

DWN
Panorama
Panorama Artenschutz-Gipfel eröffnet: 185 Staaten verhandeln über das Überleben bedrohter Arten
24.11.2025

In Usbekistan hat eine internationale Artenschutzkonferenz begonnen, bei der Vertreter aus 185 Staaten über strengere Regeln für den...

DWN
Politik
Politik US-Sanktionen: Warum Russlands Schattenflotte außer Kontrolle gerät
24.11.2025

Der Druck aus Washington entfaltet weltweit Wirkung, weil Russlands Ölexporte unter den US-Sanktionen einbrechen und zugleich der...