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Katar: Petrochemie-Megaprojekt soll Gas nach Deutschland liefern

Katar baut einen großen Industriekomplex für petrochemische Erzeugnisse auf. Von der daran angeschlossenen Erdgas-Förderung profitiert auch Deutschland.
19.01.2023 09:54
Aktualisiert: 19.01.2023 09:54
Lesezeit: 4 min
Katar: Petrochemie-Megaprojekt soll Gas nach Deutschland liefern
Eine Gasförderanlage in Ras Laffan, nördlich der katarischen Hauptstadt Doha. (Foto: dpa) Foto: Maneesh Bakshi

Einer der Profiteure der aktuellen Energiekrise in Europa ist der Wüstenstaat Katar. Infolge der Krise und der Abkehr des Kontinents von russischem Gas suchen die Europäer nach einem neuen großen Anbieter. Das Emirat ergriff diese Chance und konnte seine Position als weltweit führender Exporteur von Flüssiggas (LNG) sichern. Gleichzeitig treibt man ein Expansionsprogramm im Vorzeigefeld North Field energetisch voran. Nun hat Katar den Grundstein für ein riesiges Petrochemieprojekt gelegt.

Katar gab Anfang Januar bekannt, dass es den seit Langem erwarteten Petrochemiekomplex in Ras Laffan bauen wird. Ziel ist, hochwertige Petrochemikalie zu produzieren. Aufgrund seiner geografischen Lage zwischen Saudi-Arabien und dem Iran muss Katar einen heiklen diplomatischen Weg zwischen den USA und ihren Verbündeten (Saudi-Arabien) auf der einen Seite und China und seinen Verbündeten (in Form des Iran) auf der anderen Seite beschreiten. An dem riesigen Petrochemieprojekt sind nicht nur Großunternehmen aus den USA beteiligt, sondern auch mehrere der wichtigsten Verbündeten der USA in Asien, darunter Taiwan.

Chevron wird die Führung übernehmen

Das US-amerikanische Unternehmen Chevron Phillips Chemical wird die Führung beim Bau des 6 Milliarden US-Dollar teuren Ethylenprojekts in Ras Laffan übernehmen, das eine Ethankrackanlage mit einer Kapazität von 2,1 Millionen Tonnen Ethylen pro Jahr umfassen wird. Nach Angaben von Qatar Energy, welches das Projekt gemeinsam mit dem US-Unternehmen auf einer 70/30-Prozent-Basis zugunsten von QatarEnergy betreiben wird, wird es damit das größte im Nahen Osten und eines der größten weltweit sein.

Der Petrochemiekomplex in Ras Laffan, der voraussichtlich 2026 die Produktion aufnehmen wird, wird auch zwei Polyethylenanlagen mit einer Gesamtkapazität von 1,7 Millionen Tonnen HDPE-Polymerprodukten pro Jahr umfassen. Damit wird die gesamte petrochemische Produktionskapazität Katars auf fast 14 Millionen Tonnen pro Jahr steigen.

„Dieser Komplex wird unsere Ethylenproduktionskapazität verdoppeln und unsere lokale Polymerproduktion von 2,6 auf mehr als vier Millionen Tonnen pro Jahr steigern. Diese Eckpfeilerinvestition in Ras Laffan Industrial City ist ein wichtiger Meilenstein in der Downstream-Expansionsstrategie von QatarEnergy. Sie wird nicht nur die weitere Expansion im Downstream- und Petrochemiesektor in Katar erleichtern, sondern auch unsere integrierte Position als wichtiger globaler Akteur im Upstream-, LNG- und Downstream-Bereich stärken“. sagte Saad Sherida Al-Kaabi, Vorstandsvorsitzender von QatarEnergy und Katars Energieminister der amerikanischen Webseite Oilprice zufolge.

Von Ras Laffan nach Brunsbüttel

Der an der Penn State University ausgebildete Al-Kaabi erklärte, dass die Position von QatarEnergy als wichtiger globaler Akteur weiter gestärkt wird, sobald das neue petrochemische Großprojekt in Orange, Texas in Betrieb genommen wird, welches wiederum in Zusammenarbeit mit Chevron Phillips Chemical von QatarEnergys Joint Venture Golden Triangle Polymers Company durchgeführt wird. Die endgültige Investitionsentscheidung für den Petrochemiekomplex in Ras Laffan fällt weniger als zwei Monate nach der endgültigen Entscheidung von QatarEnergy und Chevron Phillips Chemical, sich auf das 8,5 Milliarden US-Dollar teure Golden Triangle Polymers-Werk an der US-Golfküste in Texas zu einigen.

Interessant ist auch, dass diese Entscheidungen etwa zur gleichen Zeit fielen, als die US-Firma ConocoPhillips maßgeblich an der Sicherstellung der Gaslieferungen aus Katar nach Deutschland beteiligt war, und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem jegliches Zögern der Europäischen Union (EU) bei der Umsetzung der von den USA angeführten Energiesanktionen gegen Russland die Kernstrategie der USA zur Sanktionierung Russlands für den Krieg in der Ukraine untergraben hätte. Für Deutschland war der Zeitpunkt der Geschäftsabschlüsse passend. Die zwei zwischen QatarEnergy und dem US-Unternehmen unterzeichneten Verkaufs- und Kaufvereinbarungen, ermöglichen es den Kataris, ab 2026 für mindestens 15 Jahre LNG nach Deutschland zu exportieren.

Diese beiden Vereinbarungen zwischen Berlin und Doha werden Deutschland mit 2 Millionen Tonnen LNG pro Jahr versorgen, die von Ras Laffan in Katar zum norddeutschen LNG-Terminal Brunsbüttel geschickt werden, so eine damalige Erklärung von QatarEnergy's Al-Kaabi. Darüber hinaus seien die beiden Verträge die ersten langfristigen LNG-Liefervereinbarungen von Katar nach Deutschland, die sich über einen Zeitraum von mindestens 15 Jahren erstrecken und somit zur langfristigen Energiesicherheit Deutschlands beitragen. ConocoPhilips ist daran beteiligt, da eine ihrer Tochtergesellschaften das LNG aus Katar kaufen und dann an das Kraftwerk Brunsbüttel liefern wird, das sich derzeit noch im Bau befindet.

Das größte Gasfeld der Welt

Spannend dabei: Die neuen LNG-Vereinbarungen für Deutschland werden aus dem katarischen Projekt North Field East (NFE) stammen. Das NFE-Projekt ist der erste und größere Teil des zweistufigen Ausbauprogramms für das Nordfeld, das sechs LNG-Züge umfasst, mit denen die Verflüssigungskapazität Katars bis 2027 von 77 Millionen Tonnen auf 126 Millionen Tonnen pro Jahr gesteigert werden soll.

Das Nordfeld ist die eine Hälfte der beiden Teile, der andere Teil gehört Chinas wichtigstem Verbündeten im Nahen Osten, dem Iran. Gemeinsam kontrollieren beide Länder somit das größte Gasfeld der Welt. Dieses 9.700 Quadratkilometer große Gasreservoir enthält schätzungsweise 1.800 Billionen Kubikfuß nicht-assoziiertes Erdgas und mindestens 50 Milliarden Barrel Erdgaskondensate.

Katars 6.000 Quadratkilometer großer Abschnitt „Nordfeld“ bildet die Basis für den Status des Emirats als weltweit führender LNG-Exporteur. Irans 3.700 Quadratkilometer großer Abschnitt „South Pars“, macht bereits etwa 40 Prozent der gesamten iranischen Gasreserven aus, die sich größtenteils in den südlichen Regionen Fars, Buschehr und Hormozgan befinden und etwa 75 Prozent der Gasproduktion des Landes darstellen.

US-Unternehmen seit Blockade-Ende sehr aktiv in Katar

Interessanterweise hält ConocoPhillips einen Anteil von 3,125 Prozent am Projekt North Field East und einen Anteil von 6,25 Prozent am Projekt North Field South, die 2026 bzw. 2027 in Betrieb gehen sollen. Die USA verfügen auch immer noch über ihren riesigen Luftwaffenstützpunkt Al Udeid in Katar, der als vorgeschobenes Hauptquartier ihres Zentralkommandos (CentComm) dient.

Saudi-Arabien wird von Washington trotz zunehmender Spannungen zumindest offiziell noch immer als wichtigster Verbündeter im Nahen Osten angesehen. Die Trump-Administration unterstützte Riad in der Vergangenheit darüber hinaus bei der gegen Katar verhängten Blockade (vom Juni 2017 bis Januar 2021). Seitdem diese aufgehoben ist kann Washington eine freiere Energie- und Sicherheitspolitik im gesamten Nahen Osten verfolgen, nicht zuletzt auch gegenüber Katar.

Dies scheint sich für die USA in dem strategisch günstig gelegenen Emirat auszuzahlen, denn nicht nur ihre eigenen Unternehmen haben fleißig neue Abkommen mit Katar unterzeichnet, sondern im Fall von Ras Laffan haben auch mehrere Unternehmen aus zwei Ländern profitiert, die die USA als entscheidend für ihre Interessen in Asien betrachten: Südkorea und Taiwan.

Denn ein Folgeauftrag im Zusammenhang mit dem riesigen Petrochemiekomplex war der Engineering-, Beschaffungs- und Bauauftrag (EPC) für die Ethylenanlage, der an Samsung Engineering CTCI Joint Venture (SCJV) aus Südkorea vergeben wurde. Auch CTCI, der führende Anbieter von EPC-Dienstleistungen in Taiwan, wurde beteiligt.

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