Deutschland

Berliner Verkehrsbetriebe verspekulieren sich mit Unternehmens-Pleiten

Lesezeit: 2 min
23.03.2014 00:05
Der Berliner Verkehrsbetriebe fechten aktuell vor Gericht in London einen Kampf mit JPMorgan aus. Es geht um 204 Millionen Euro, die die BVG in einer obskuren Wette bereits verloren hat. Gewettet wurde auf die Pleite von 150 Unternehmen.
Berliner Verkehrsbetriebe verspekulieren sich mit Unternehmens-Pleiten

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) als Anstalt des Öffentlichen Rechts hat eine Kreditwette im Umfang von 204 Millionen Euro verloren. Dabei ging es um eine Wette auf das Pleitegehen von 150 Firmen.

Ursprünglich wurde der Deal im Kontext mit einer Absicherung sogenannter Sale-and-Lease-Back-Geschäfte abgeschlossen. Die BVG hatte U-Bahn und Straßenbahnwagen verkauft und über jahrelange Zeiträume zurückgemietet. Der Deal ist als Independent Collateral Enhancement bekannt. Dies geht aus einer Kleinen Anfrage der Piraten-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus hervor.

„Zur Absicherung der Leasingraten hatte sich die BVG verpflichtet, Garantien von Großbanken mit hoher Bonität (sog. AAA-Rating) beizubringen. Als die Gefahr bestand, dass diese positiven Ratings verloren gehen würden, wurde der BVG von der Investment-Bank JPMorgan der Abschluss eines Finanztransaktionsmodells vorgeschlagen, das den Austausch von Sicherungsgebern vorsah“, heißt es in der Kleinen Anfrage.

Eine „Kleine Anfrage“ dient vorab der Informationsbeschaffung für Abgeordnete. Sie wird schriftlich von der (Landes)Regierung beantwortet und ist in der Regel als Vorbereitung einer Großen Anfrage gedacht, welche im Parlament öffentlich und mündlich behandelt wird.

„Die Kosten für diesen Austausch sollten durch das CDO-Geschäft kompensiert werden; infolge von Vereinbarungen mit JPMorgan sollte die BVG im Ergebnis ein Entgelt von mehreren Millionen US-Dollar ausbezahlt bekommen. Im Gegenzug sollte sie das Risiko der Abwertung eines Kreditportfolios von Bank- und Versicherungen übernehmen. Das Geschäft verlief für die BVG negativ“, heißt es in der Kleinen Anfrage weiter.

In 2008 hatte JPMorgen gegen die BVG Klage eingereicht, da die BVG die verlorene Wette nicht bei JPMorgan bezahlen wollen. Die mündliche Verhandlung in London im High Court begann im Januar 2014. Die Berliner Verkehrsbetriebe beriefen sich dabei auf ihre Unwissenheit (mehr hier).

Doch statt die Verluste zu begleichen, will die BVG ihrerseits umgerechnet etwa 150 Millionen Euro von ihrer Kanzlei wegen schlechter Beratung (hier).

Die Piratenfraktion fragt nun in ihrer Kleinen Anfrage, ob das Land Berlin für die Verluste haften muss, da der verantwortliche Senator das Geschäft, ohne es zu verstehen, abgesegnet hat.

Der Senat von Berlin verweist darauf, dass diese Frage erst nach Abschluss des Verfahrens zu stellen sei. Darüber hinaus stellt der Senat fest: „Der Gewährträgerversammlung wurde das Finanzgeschäft nicht zur Beschlussfassung, sondern zur Kenntnisnahme vorgelegt. Die Kenntnisnahme erfolgte im Rahmen der Befassung mit den jeweiligen Jahresabschlüssen. Dem Senat wurde das Finanzgeschäft nicht vorgelegt.“

Jedoch war offenbar der Vermögensausschuss des Abgeordnetenhauses von Berlin über dieses Geschäft informiert. So heißt es in der Antwort des Senats: „Seit dem Jahr 2008 wird der Unterausschuss für Beteiligungsmanagement und -controlling regelmäßig über das CDO-Geschäft informiert, zuletzt in der Sitzung am 23.01.2014“.

Kurios an dem ganzen Deal: Die BVG bezahlte 45.000 Euro für eine Beratung an die Kanzlei Cliffors Chance, die jedoch auch im Auftrag der Investmentbank JPMorgan arbeitete.

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft OWZE-Prognose 2024: Minimales Wirtschaftswachstum für Deutschland erwartet
02.05.2024

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OWZE) geht von einem minimalen Wirtschaftswachstum für Deutschland...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutschland im Investitionstief: Rückgang setzt Wirtschaft unter Druck
02.05.2024

Deutschlands Attraktivität für ausländische Investitionen schwindet weiter: 2023 markiert den niedrigsten Stand seit 2013. Manche...

DWN
Politik
Politik 1.-Mai-Demonstrationen: Gewerkschaften fordern dringend Gerechtigkeit
02.05.2024

Am Tag der Arbeit kämpfen Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen. Ihre Spitzenvertreter betonten die Notwendigkeit von...

DWN
Politik
Politik Militärhistoriker Lothar Schröter im DWN-Interview: Die Folgen des Massenmords von Odessa 2014
02.05.2024

Der Militärhistoriker Lothar Schröter ordnet im DWN-Interview den Massenmord in Odessa vom 2. Mai 2014 ein. Dabei geht er auch auf die...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview: Ukraine-Krieg - Zehn Jahre nach dem Massenmord von Odessa
02.05.2024

Am 2. Mai 2014 ist es in der ukrainischen Stadt Odessa zu einem Massenmord gekommen, bei dem fast fünfzig Menschen qualvoll ums Leben...

DWN
Technologie
Technologie Infineon vor herausforderndem Quartal: Augenmerk auf Zukunftsaussichten
02.05.2024

Der Chiphersteller Infineon sieht schwieriges Quartal voraus, mit moderaten Rückgängen und angespanntem Automobilmarkt. Wie geht es...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin als Geldanlage: „Das ist gleichzusetzen mit einem Besuch im Casino“
02.05.2024

Bitcoin entzweit trotz neuer Kursrekorde die Anlegergemeinschaft. Die einen halten große Stücke auf den Coin, die anderen sind kritisch....

DWN
Immobilien
Immobilien Balkonkraftwerk mit Speicher: Solarpaket könnte Boom auslösen - lohnt sich der Einbau?
01.05.2024

Balkonkraftwerke aus Steckersolargeräten werden immer beliebter in Deutschland. Insgesamt gibt es aktuell über 400.000 dieser sogenannten...