Finanzen

Russlands Staatsfonds verdoppelt Gewichtung von Gold und Renminbi

Lesezeit: 4 min
05.02.2023 08:45  Aktualisiert: 05.02.2023 08:45
Der russische Staatsfonds schichtet sein Portfolio um, die großen Gewinner heißen China und Gold. Die Maßnahmen befinden sich im Einklang mit der übergeordneten Strategie des Kreml.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Russlands Staatsfonds (National Wealth Fund - NWF) schichtet sein Portfolio drastisch um. Der chinesische Renminbi („Yuan“) und Gold werden zu Schlüsselkomponenten im Fondsuniversum aufgewertet, westliche Währungen wie Dollar und Pfund ausgeklammert.

Wie Eurasia Business News berichtet, gab das Finanzministerium Ende des Vorjahres grünes Licht für eine bedeutende Aufstockung beider Fondsbestandteile. So darf der Staatsfonds den Anteil von Gold unter seiner Verwaltungshoheit nach zuvor 20 Prozent jetzt auf bis zu 40 Prozent aller Einlagen anheben, die Obergrenze für den Anteil des Yuan wurde von 30 Prozent auf 60 Prozent verdoppelt.

Theoretisch könnte Russlands Staatsfonds – dessen gesamte Wertanlagen sich derzeit umgerechnet auf etwa 185 Milliarden US-Dollar summieren – also künftig nur noch mit Yuan und Gold gefüllt sein. Zugleich verfügte das Finanzministerium aber auch, dass bisherige Mindestanteile künftig auch auf Null zurückgefahren werden können, wenn dies die Umstände erfordern sollten.

Der Fonds wird aus den Einnahmen des russischen Staates finanziert, die dieser mithilfe von Steuern und Abgaben auf den Öl- und Gassektor generiert. Er soll in erster Linie das russische Rentensystem absichern, kann in Krisenzeiten aber auch herangezogen werden, um Defizite im Staatshaushalt auszugleichen.

Im Sommer vergangenen Jahres empfahl der Russische Rechnungshof drastische Änderungen in der Managementstruktur des Fonds, insbesondere was die Zusammensetzung der Währungskomponenten betrifft. Der Rechnungshof forderte, dass Währungen von Ländern, die Sanktionen gegen Russland erlassen hatten, künftig nicht mehr berücksichtigt werden sollten.

Vorhang auf für den Yuan…

Die Hinwendung zu Gold und Renminbi begann Anfang des Jahres 2021, als der Staatsfonds die chinesische Währung erstmals zukaufte. Bis dato bestanden die Währungsreserven Russlands zu jeweils 45 Prozent aus US-Dollar und Euro und zu zehn Prozent aus britischen Pfund.

Nach der Beimischung des Yuan (und auch des japanischen Yen) stellte sich das Verhältnis wie folgt dar: jeweils 35 Prozent entfielen auf den Euro und den US-Dollar, 15 Prozent auf den Yuan, zehn Prozent auf das Pfund und fünf Prozent auf den Yen.

Die Beimischung und schrittweise Erhöhung des Renminbi-Anteils gilt als kleiner Meilenstein in der Strategie der Chinesen, ihre Währung zu einer international akzeptierten Handels- und Reservewährung aufzubauen.

Lesen Sie dazu: China macht Schanghai zum Versuchslabor für die Globalisierung des Yuan

…und für Gold

Im Sommer 2021 trennte sich der Staatsfonds schließlich von seinen gesamten Dollar-Reserven. Der Euro war fortan mit 39,7 Prozent gewichtet, der Renminbi mit 30,4 Prozent, das Pfund mit nur noch fünf Prozent und der Yen mit 4,7 Prozent. Die restlichen 20 Prozent entfielen erstmals auf Gold, für welches das Finanzministerium im März den Weg frei gemacht hatte, wie Schiffgold berichtete.

Die Integration von physischem Gold in das Portfolio war eine Reaktion auf die sich zunehmend verschlechternden Beziehungen zwischen westlichen Staaten – allen voran den USA und Großbritanniens – und Russland im Zuge der Ukraine-Krise. Schon im Dezember 2019 äußerte Russlands Finanzminister Anton Siluanow erstmals öffentlich die Idee, den Staatsfonds mit Gold auszustatten. Im November 2020 schließlich stellte die Regierung einen entsprechenden Plan vor.

Das Gold soll aus Sicht des Kreml als Stabilitätsanker dienen, um den Fonds zu schützen – aber auch langfristig Renditechancen eröffnen und die Anlagen des Staates im Allgemeinen diversifizieren. Zum 1. Dezember 2022 hatte der Fonds offiziellen Angaben zufolge 554,911 Tonnen Gold in seinen Konten bei der Zentralbank eingelagert.

Hintergrund: Russlands Abkehr vom US-Dollar

Spiegelbildlich zur verstärkten Hinwendung zu Gold und Renminbi hatte Moskau in den vergangenen Jahren den US-Dollar schrittweise aus seinem Finanzsystem verbannt.

Russlands Zentralbank begann 2014 damit, in großem Stil Goldbestände aufzubauen, während sie US-Staatsanleihen abverkaufte. Zwischen 2014 und 2020 kaufte das Land jedes Jahr rund 200 Tonnen des Edelmetalls zu. Mehr noch: weil die Zentralbank das Gold in der Regel heimischen Minen direkt abkaufte, ist unklar, wie viel Gold die Bank wirklich in ihren Tresoren hält. Die Goldreserven Russlands könnten also höher sein, als offiziell angegeben. Die in ihrem Besitz befindlichen US-Staatsanleihen hingegen veräußerten die Russen schrittweise – und mitunter rabiat: so halbierte die Zentralbank im April 2018 innerhalb eines Monats ihren Bestand von rund 96 Milliarden Dollar auf nur noch 47 Milliarden Dollar.

Im Januar 2021 überstieg der Wert des Goldschatzes der Zentralbank erstmals jenen der Dollar-Bestände. Dem Analyseportal Statista zufolge hielten „Einwohner Russlands“ im September des vergangenen Jahres nur noch US-Anleihen im Gesamtwert von rund zwei Milliarden Dollar. Die Zentralbank dürfte ihre Bestände inzwischen längst aufgelöst haben – im November 2019, also weit vor Beginn des Einmarsches in der Ukraine, lag deren Wert noch bei rund 8 Milliarden Dollar.

Am Rande sein angemerkt: Ebenso wie der Staatsfonds begann auch die russische Zentralbank vor einigen Jahren, Reserven des chinesischen Renminbi anzulegen. Schiffgold zufolge hatten diese im März 2021 einen Umfang von rund 12 Prozent der gesamten Zentralbankreserven. Flankiert wurde die Entwicklung von Abkommen zwischen den Zentralbanken beider Länder – etwa einer forcierten Integration auf dem Anleihemarkt - und einer Umstellung des bilateralen Handels auf Euro, Rubel oder Yuan.

Russlands Präsident Putin selbst hatte in der Vergangenheit mehrfach öffentlich gefordert, dass sich russische Finanzinstitutionen vom Dollar abkoppeln sollten, um die Angriffsfläche für amerikanische Sanktionen zu minimieren. Beispielsweise sagte Putin in seiner Ansprache zu seiner vierten Amtszeit als Präsident, dass es das Ziel sei, sich vom Dollar zu lösen und die Reserven des Landes zu diversifizieren, um „ökonomische Souveränität“ zu erlangen.

Im März 2021 unterstrich Außenminister Sergej Lawrow die Idee bei einem Zusammentreffen mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping im südchinesischen Guilin: „Das von Sanktionen ausgehende Risiko sollte reduziert werden, indem die Unabhängigkeit der Wissenschaft und der technologischen Industrie gestärkt wird und indem die Abwicklung des Handels in lokalen und anderen internationalen Währungen, welche den Dollar ersetzten können, gefördert wird, um letztendlich schrittweise aus dem vom Westen kontrollierten Zahlungssystem auszusteigen“, zitierte die South China Morning Post Lawrow damals.

Das Portal Bullionstar geht näher auf diesen Umstand ein, wenn es schreibt: „Physisches Gold birgt, wie alle Goldbesitzer wissen werden, kein Kontrahentenrisiko und kein Kreditrisiko, daher ist es das ultimative monetäre Gut, das ein Nationalstaat halten sollte, wenn er sich Sorgen über das von anderen Ländern ausgehende Sanktionsrisiko macht. Wie Dmitrij Tulin, erster stellvertretender Gouverneur und Vorstandsmitglied der russischen Zentralbank, im Jahr 2016 sagte, als er die Goldkäufe der Zentralbank kommentierte: ‚Russland baut seinen Goldschatz aus, weil Gold einen Vermögenswert darstellt, der von rechtlichen und politischen Risiken frei ist.‘ Mit der Ankunft des massiven russischen Staatsfonds NWF als neuer Goldkäufer sieht es jetzt so aus, als wäre Russland in ein großes geopolitisches und monetäres Schachspiel mit goldenen Figuren verwickelt, und zwar in ein vierdimensionales Schachspiel.“


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Dauerbaustelle Autobahn: Sie stehen hier im Stau, weil sich Verkehrsminister Volker Wissing verrechnet hat
22.11.2024

Wenn man im Sommer entspannt durch Frankreich oder Italien über die Autobahnen gleitet, fragt man sich jedesmal aufs Neue: Warum müssen...

DWN
Politik
Politik Krankenhausreform kommt: Lauterbachs Reform passiert den Bundesrat
22.11.2024

Karl Lauterbach freut sich: Der Bundesrat hat das sogenannte "Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz" gebilligt, das Herzensprojekt des...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Rezession droht im Winter, Euro ist im Sinkflug: Was sind die Gründe?
22.11.2024

Stagnation der deutschen Wirtschaft, ein schwächelnder Euro, miese Stimmung in den Unternehmen: Ökonomen befürchten eine...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoins-Prognose: Kryptowährung mit Rekordhoch nahe 100.000 Dollar - wie geht's weiter?
22.11.2024

Ein Bitcoin-Rekordhoch nach dem anderen - am Freitagmorgen kletterte der Bitcoin-Kurs erstmals über 99.000 US-Dollar. Seit dem Sieg von...

DWN
Panorama
Panorama Merkel-Memoiren „Freiheit“: Wie die Ex-Kanzlerin ihre politischen Erinnerungen schönschreibt
22.11.2024

Biden geht, Trump kommt! Wer auf Scholz folgt, ist zwar noch unklar. Dafür steht das Polit-Comeback des Jahres auf der Tagesordnung: Ab...

DWN
Politik
Politik Krankenhausreform: Entscheidung über Lauterbachs hoch umstrittenes Projekt heute im Bundesrat
22.11.2024

Krankenhausreform: Kommt sie jetzt doch noch? Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) steht mit seinem hochumstrittenen Projekt vor...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenz von HH2E: Rückschlag für Habecks Energiewende - Wasserstoffprojekte in Sachsen in Gefahr
22.11.2024

Der Wasserstoff-Spezialist HH2E hat Insolvenz angemeldet, die Finanzierung durch ein britisches Private-Equity-Unternehmen ist gestoppt....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Aktien sind heiß gelaufen: Warum immer mehr Analysten den europäischen Aktienmarkt in den Blick nehmen
22.11.2024

Vermögensverwalter Flossbach von Storch sieht zunehmend Risiken für US-Aktien. Nach der jüngsten Rekordjagd an den US-Börsen verlieren...