Deutschland

Energie in Deutschland weiter zu teuer, Unternehmen wandern ab

Die Energiepreise in Deutschland mögen sich etwas beruhigt haben. Doch die Deindustrialisierung schreitet voran, Fabriken und Arbeitsplätze wandern ins Ausland ab.
Autor
04.02.2023 11:49
Aktualisiert: 04.02.2023 11:49
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Nachdem die Gaspreise von ihren Rekordhöhen im Sommer deutlich gesunken sind, herrscht in Deutschland Optimismus, dass das Schlimmste der Energiekrise überstanden ist. Doch für die größten Industrieunternehmen des Landes bleibt das langfristige Bild düster.

Unternehmen wie BASF, Dow und Lanxess sind bereit, Tausende von Arbeitsplätzen zu streichen und Investitionen aus Deutschland zu verlagern. Denn sie gehen nicht davon aus, dass die von ihnen benötigte Energie verlässlich zu ähnlichen Preisen zur Verfügung stehen wird, wie sie früher russisches Pipelinegas.

"Wir sind in Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig", sagte der Vorstandsvorsitzende von Lanxess, Matthias Zachert, kürzlich auf einer von der Zeitung Die Welt organisierten Konferenz. Der Kölner Chemiekonzern will seine Produktionsstandorte in Nordrhein-Westfalen beibehalten, "aber unsere Investitionen, um weiter zu wachsen, werden an wettbewerbsfähigere Standorte wie die USA gehen".

Die Zuversicht der deutschen Unternehmen ist in den letzten Wochen gestiegen, nachdem eine Phase ungewöhnlich warmen Wetters und die frühzeitige Fertigstellung des Flüssiggasterminals in Wilhelmshaven dazu beigetragen haben, die Preise zu senken und mögliche Rationierungen und Stromausfälle zu vermeiden.

Die Galgenfrist durch das ungewöhnlich warme Wetter hat einige deutsche Produzenten etwas aufatmen lassen. Die Automobilriesen Mercedes-Benz und Volkswagen etwa hatten in erster Linie plötzliche Rationierungen von Treibstoff befürchtet, welche ihren fein abgestimmten Lieferketten einen massiven Schlag versetzt hätten.

Deutschland hat seit September keine direkten russischen Gasimporte mehr erhalten. Dies ist eine dramatische Veränderung, wenn man bedenkt, dass Russland früher mehr als die Hälfte der deutschen Gasimporte lieferte. Nun will sich Deutschland auf anderem Wege genügend erschwingliche Energie sichern, um seine industrielle Basis zu bewahren.

Doch die Aussichten für deutsche Chemie-, Glas- und Baustoffunternehmen, bei denen Gas und Strom ein Drittel der Kosten ausmachen können, bleiben düster. Selbst nach den jüngsten Rückgängen sind die Energiepreise in Deutschland immer noch wesentlich höher als in konkurrierenden Produktionsgebieten in den USA und Asien. Der Gaspreis in Europa ist weiterhin fast achtmal so hoch wie in den USA, berichtet Bloomberg.

Im Oktober kündigte die BASF an, 500 Millionen Euro an Kosten einzusparen, um sich auf die dauerhaft höheren Energiepreise in Deutschland einzustellen. Seitdem sind die Gaspreise um 40 Prozent gesunken, aber der Vorstand der BASF hält an den Kürzungen fest und will die Produktion der gasintensivsten Produkte in seinem Werk in Ludwigshafen einstellen.

Der Branchenverband Aluminium Deutschland (AD) erklärte, eine kürzlich durchgeführte Umfrage unter Metallerzeugern habe ergeben, dass zwei Drittel eine leichte Verbesserung der Energiepreise in den letzten Monaten bestätigten, während 86 Prozent der Unternehmen die Aussichten für die langfristige Gas- und Stromversorgung in Deutschland als "nicht gut" bezeichneten. "Leider können wir noch nicht sagen, dass das Schlimmste hinter uns liegt", zitiert Bloomberg Verbandschef Rob van Gils.

Die deutsche chemisch-pharmazeutische Industrie beschäftigt nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums rund 466.500 Menschen und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von über 200 Milliarden Euro. Sie ist ein integraler Bestandteil der Automobil- und anderer Lieferketten.

Eine Umfrage des deutschen Chemieverbands VCI von Ende Januar ergab, dass fast die Hälfte der Chemieunternehmen in diesem Jahr ihre Investitionen in Deutschland aufgrund der Energiekosten kürzen wollen.

Gleichzeitig verzeichnen die Industrieunternehmen angesichts der weltweiten Konjunkturabschwächung einen Rückgang der Nachfrage. Das macht es immer schwieriger, die Preise entsprechend den gestiegenen Kosten zu erhöhen. Der Technologiekonzern Bosch setzt derzeit seine gesamten Hoffnungen in die erwartete Konjunkturerholung in China.

Einige Unternehmen erwägen sogar Betriebsschließungen. Trinseo, einer der weltweit größten Hersteller von Polystyrol, einem Polymer, das zur Isolierung von Produkten wie Autoteilen und medizinischen Geräten verwendet wird, hat Gespräche mit der Gewerkschaft über die Schließung seiner Produktionsstätte in Boehlen aufgenommen, wo rund 400 Menschen beschäftigt sind.

"Die Kostenposition des Werks in Bohlen ist aufgrund der aktuellen Energiekosten in Europa und der geringen Größe des Werks problematisch", sagte der Vorstandsvorsitzende Frank Bozich in einer Erklärung. "Es ist schwierig, kurz- bis mittelfristig eine signifikante Ergebnisverbesserung an diesem Standort zu erwarten."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft US-Arbeitsmarktdaten: Beschäftigung in den USA schwächer als erwartet
05.09.2025

Die jüngsten US-Arbeitsmarktdaten sorgen für Gesprächsstoff: Der Jobaufbau bleibt deutlich hinter den Erwartungen zurück. Experten...

DWN
Finanzen
Finanzen Biontech-Aktie legt kräftig zu: Positives Zwischenergebnis bei Krebs-Studie
05.09.2025

Die Biontech-Aktie hat nach positiven Studiendaten kräftig zugelegt. Hoffnungsträger ist ein Brustkrebsmedikament, das bessere Ergebnisse...

DWN
Politik
Politik Krankenkassen-Ausgaben wachsen: Bleibt der Krankenkassen-Beitrag stabil?
05.09.2025

Die Krankenkassen-Ausgaben steigen rasant, während die Politik um den stabilen Krankenkassen-Beitrag ringt. Milliarden fließen in...

DWN
Politik
Politik Kreml: Nato-Truppen in der Ukraine sind eine Gefahr für Moskau
05.09.2025

Die Diskussion über Nato-Truppen in der Ukraine sorgt erneut für Spannung zwischen Russland und dem Westen. Während Moskau klare rote...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kommunikationschaos frisst Produktivität: Warum klare Regeln über Erfolg entscheiden
05.09.2025

Chats, Mails, Meetings: Digitale Werkzeuge sollten Ordnung schaffen, doch sie erzeugen oft Chaos. Forscher zeigen, warum nur klare Regeln...

DWN
Finanzen
Finanzen Porsche-Aktie verliert DAX-Status: Raus aus dem Blue-Chip-Index
05.09.2025

Die Porsche-Aktie erlebt ein Debakel: Nach dem glanzvollen Börsengang 2022 und dem schnellen Aufstieg in den DAX stürzt der Kurs ab –...

DWN
Panorama
Panorama Messerangriff in Essen: Lehrerin schwer verletzt, Polizei im Einsatz
05.09.2025

Ein Amok-Alarm erschüttert Essen: Ein Schüler greift eine Lehrerin mit einem Messer an. Polizei und Rettungskräfte sind im Großeinsatz,...

DWN
Politik
Politik Russland stört GPS-Systeme in der Ostsee: Experten warnen vor wachsenden Risiken
05.09.2025

Russland intensiviert GPS-Störungen in der Ostsee. Experten warnen: Spoofing und Störsender gefährden nicht nur Militär, sondern auch...