Die Allianz will Inflation und wackligen Kapitalmärkten weiter trotzen und nimmt den nächsten Rekordgewinn ins Visier. Im vergangenen Jahr kletterte das operative Ergebnis um sechs Prozent auf 14,2 Milliarden Euro, so viel wie noch nie.
„Wir hatten ein echt starkes Jahr in einem schrecklichen Umfeld“, fasste Vorstandschef Oliver Bäte auf der Bilanzpressekonferenz von Deutschlands größtem Versicherer am Freitag zusammen. 2023 soll im besten Fall nochmals eine Milliarde mehr herausspringen, im schlechtesten Fall eine Milliarde weniger.
Vorstand: Allianz Leben keine „Heilige Kuh“
„Wir dürften operativ mindestens den Gewinn des Vorjahres erreichen“, sagte Finanzvorstand Giulio Terzariol. „Wir sind nur wegen des Marktumfelds vorsichtig.“ Im Lebens- und Krankenversicherungsgeschäft verdiente die Allianz dank eines Endspurts deutlich mehr als erwartet.
„Dass man da fünf Milliarden Euro Gewinn im Jahr machen kann, hätte keiner geglaubt“, sagte Bäte. Um weniger Kapital vorhalten zu müssen, hatte der Versicherer hier im vergangenen Jahr Risiken aus Altbeständen von Leben-Policen in den USA und in der Schweiz auf Rückversicherer abgewälzt.
Das könnte so weitergehen – nicht einmal das Aushängeschild, die deutsche Allianz Leben, sei dabei tabu, machte der Vorstandschef deutlich: „Es gibt keine heiligen Kühe.“ Bisher hatte Bäte einen Verkauf von Policen an Investoren nach dem Vorbild von Generali, AXA oder Zurich stets ausgeschlossen.
„Structured Alpha“-Skandal drückt Bilanz
Beim Nettogewinn spürte die Allianz im vergangenen Jahr noch die Nachwehen eines Vergleichs im Skandal um die „Structured Alpha“-Hedgefonds der Tochter Allianz Global Investors, mit denen Pensionskassen und andere Anleger in den USA Milliardenverluste erlitten hatte.
Das belastete den Nettogewinn nochmals mit 1,6 Milliarden Euro - nach 2,8 Milliarden 2021. Dazu kamen rund 400 Millionen für den Verkauf des Russland-Geschäfts. Unter dem Strich lag das Ergebnis mit 6,7 (6,6) Milliarden Euro nur leicht über Vorjahr. Der Konzernumsatz - also die Bruttobeiträge in der Versicherung und die Provisionen in der Vermögensverwaltung - stieg um 2,8 Prozent auf 152,7 Milliarden Euro.
Der Vorstand will die Dividende um 60 Cent auf 11,40 Euro je Aktie anheben. Damit hatten von der Allianz befragte Analysten gerechnet, während der operative Gewinn ihre Prognosen übertraf. Dennoch gab die Allianz-Aktie am Freitag um 2,6 Prozent auf 215,20 Euro nach. „Solide wie immer, aber nicht mehr“, fasste ein Händler die Ergebnisse zusammen.
Trotz Marktlage: 2023 könnte Rekordjahr werden
Die Allianz steuert mit großen Schritten auf ihre Ziele für das Jahr 2024 zu, für das sie sich einen operativen Gewinn von mindestens 14,5 Milliarden Euro und eine Eigenkapitalrendite von 13 Prozent vorgenommen hat. Das sei „klar erreichbar, trotz der makroökonomischen Wirren“, hieß es in einer Präsentation.
Allein sieben Milliarden Euro soll dann die Schaden- und Unfall-Sparte abwerfen. 2022 waren es 6,2 Milliarden, obwohl sie besonders unter den Kostensteigerungen etwa für Kfz-Reparaturen leidet. Mit Preiserhöhungen stemmte sie sich dagegen. Ob Bäte den erwarteten Erfolg noch als Allianz-Chef feiern wird, ließ er offen: „Ich bin mindestens noch bis nächstes Jahr hier. Lassen wir uns alle überraschen.“ Der Vertrag des Managers, der in zwei Wochen seinen 58. Geburtstag feiert, läuft noch bis September 2024.
Am stärksten bekam die Allianz die abrupte Zinswende und die schwachen Finanzmärkte in der Vermögensverwaltung zu spüren. Aus den Fonds der Asset-Management-Töchter Pimco und Allianz Global Investors flossen 81 Milliarden Euro ab, der Wert der für Dritte verwalteten Anlagen brach um mehr als 300 Milliarden auf 1,64 Billionen Euro ein.
Von daher sei der Gewinnrückgang dort nicht überraschend, sagte Terzariol. Sobald die Anleger keine großen Zinssteigerungen mehr erwarten, dürfte sich der Trend drehen. Allein im Januar seien dem Bond-Spezialisten Pimco schon wieder zehn Milliarden Euro zugeflossen, sagte der Finanzvorstand.