Selten waren sich Ökonomen so uneins über die Zukunft, außer vielleicht während einer Rezession. Auch erfahrene Anleger sollten jetzt vorsichtig sein, denn dies ist zweifellos eine sehr schwierige Zeit, um Geld zu investieren.
Dem Wall Street Journal zufolge gibt es immer gute Gründe, unsicher über die Zukunft zu sein. Doch im Moment ist die Unsicherheit besonders groß, weil direkt entgegengesetzte wirtschaftliche Szenarien in den USA beide plausible sind – eine sogenannte „no-landing“ der US-Wirtschaft, mit anhaltender niedriger Arbeitslosigkeit – oder eine „hard-landing“, gekennzeichnet durch eine Rezession.
Seit Anfang des Jahres waren die Signale aus der US-Wirtschaft besonders beunruhigend. Anzeichen für eine Konjunkturabschwächung, die sich schon im vergangenen Jahr aufgebaut hatten, wurden im Januar durch unerwartet starke Wirtschaftsdaten aufgehoben.
Aktuell erwarten Ökonomen ein schwaches Wachstum in den USA, sind sich aber uneinig, wie schwach es sein soll. Der Abstand zwischen der besten und der schlechtesten Prognose für das reale US-Bruttoinlandsprodukt, zusammengestellt von dem internationalen Konjunkturforschungsinstitut, Consensus Economics, ist so groß wie seit 2020 nicht mehr.
Ungewisse Zeiten an den Finanzmärkten
Die Unsicherheit, in welche Richtung sich die US-Wirtschaft entwickelt, wird durch die Unterscheidung zwischen sogenannten „weichen“ und „harten“ Daten verstärkt. „Weiche“ Daten beruhen in der Regel auf Umfragen und hängen von der Stimmung der Befragten ab, während „harte“ Daten sich zum Beispiel auf Arbeitslosenzahlen oder Einzelhandelsumsätze beziehen. Harte Daten waren in der US in diesem Jahr bisher sehr stark, während weiche Daten schwach waren. Kein Wunder also, dass viele Anleger momentan verwirrt sind.
Laut dem Wall Street Journal führt ein unsicherer Ausblick zu mehr Volatilität. Märkte schwanken viel stärker, wenn die täglichen Daten im Vergleich zu den Prognosen große Überraschungen bringen. Die Markt-Volatilität in den USA ist seit einem Tiefstand Anfang Februar wieder angestiegen. „Zu einem gewissen Grad ist der Anstieg der Volatilität lediglich eine Korrektur dafür, dass sie Anfang Februar – als Anleger übermäßig optimistisch waren – so niedrig war. Aber sie spiegelt auch das echte wirtschaftliche Rätsel wider“, so die Wirtschaftszeitung.
Keine perfekten Lösungen für die Anleger
Für Anleger, die versuchen, ein Portfolio aufzubauen, besteht die Gefahr der Ungewissheit nicht so sehr in der täglichen Volatilität, sondern in möglichen extremen Anlage-Ergebnissen auf langer Sicht. Dem Wall Street Journal zufolge gibt es keine idealen Lösungen. Vermögenswerte, die sich während der Inflation besser entwickeln, schneiden in der Regel in der Rezession schlecht ab, und umgekehrt.
Doch Investoren sollten sich auf die folgenden drei Punkte konzentrieren:
- Diversifizierung und Akzeptanz der niedrigen langfristigen Renditeerwartungen, die der Markt bietet: Ein Standardportfolio mit 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Anleihen wird nur gelegentlich so schlecht abschneiden wie im letzten Jahr. Die meiste Zeit bieten Anleihen einen Puffer gegen schlechte Ergebnisse, während Aktien zulegen, wenn Dinge gut laufen. Weitere Diversifizierung in globale Aktien und Anleihen, Immobilien und Rohstoffe sind empfehlenswert, um alle Bereiche abzudecken.
- Eine Stellung einnehmen: Wenn Investoren glauben, dass die Rezession eine sichere Sache ist und die US Fed bereits viel zu viel getan hat, um die Inflation einzudämmen, sollten sie sich mit Anleihen eindecken. Wenn nicht, dann am besten Staatsanleihen meiden und stattdessen auf inflationsgeschützte Staatsanleihen, Rohstoffe und Aktien setzen, die in der Lage sind, Kostensteigerungen an die Kunden weiterzugeben.
- Der US- Wirtschaftszeitung zufolge sollten Anleger, nachdem sie sich für eine Stellung entschieden haben, eine Szenario-Planung durchführen. „Überlegen Sie, wie sich Ihr Portfolio entwickeln würde, wenn Sie sich irren. Eine große Position in Anleihen wird sehr schaden, wenn sich die Inflation als hartnäckig erweist. Aktien schneiden in Rezessionen fast immer katastrophal ab. Wenn das Portfolio in einem plausiblen Szenario schrecklich verlieren würde, sollten Sie überlegen, was es kosten würde, sich dagegen zu schützen.“
Das Wall Street Journal kommt zu dem Schluss: Ungewissheit ist normal und gut für Anleger, solange sie mit einer ausreichenden Belohnung verbunden ist. „Wenn jeder wüsste, was passieren wird, gäbe es kein Risiko und somit auch keine Belohnung“. Nach Angaben von Societe Generale wird das Nettovermögen passiv gemanagter Aktienfonds weltweit bald das ihrer aktiv verwalteten Pendants übersteigen. Dieser Führungswechsel in der Welt der Aktienfonds wurde seit mehr als einem Jahrzehnt erwartet.
„Die Fondsindustrie steht kurz davor, einen symbolischen Meilenstein zu überschreiten“, möglicherweise im März oder April, schrieb ein SocGen-Team unter der Leitung von Arthur Van Slooten vor Kurzem. „Natürlich handelt es sich dabei hauptsächlich um eine symbolische Hürde, aber die Tatsache, dass US-Aktienfonds diese Hürde Mitte 2021 auf überzeugende Weise und offenbar ohne größere Probleme genommen haben, kann uns beruhigen“, so das Team.