Deutschland und die EU haben ihren Streit über das Verbrenner-Aus beigelegt. Auch nach 2035 sollen Autos mit Verbrennermotor neu zugelassen werden können, sofern sie ausschließlich mit E-Fuels betankt würden, teilte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) am Samstag auf Twitter mit. "Der Weg ist frei: Europa bleibt technologieneutral." Ein konkreter Verfahrensweg und Zeitplan seien verbindlich festgelegt worden. In einem ersten Schritt solle eine Kategorie rein mit E-Fuels geschaffen werden, die dann in bestehende Umweltnormen für Autos integriert werden soll. Dieser Prozess solle bis Herbst 2024 abgeschlossen sein.
EU-Kommissionsvize Frans Timmermans erklärte ebenfalls auf Twitter, es werde nun daran gearbeitet, dass die Verordnung über CO2-Standards schnellstmöglich verabschiedet werde.
UMWELTMINISTERIN LEMKE BEGRÜSST ENDE DER HÄNGEPARTIE
Es sei gut, dass die Hängepartie ein Ende habe, sagte Umweltministerin Steffi Lemke von den Grünen. "Alles andere hätte sowohl das Vertrauen in die europäischen Verfahren wie auch in die europapolitische Verlässlichkeit Deutschlands schwer beschädigt." Mit der Einigung habe die Automobilindustrie nun Klarheit für ihre Umstellung auf Elektromobilität. "E-Fuels werden – das haben wir immer gesagt – eine wichtige Rolle spielen. Insbesondere für die Bereiche, die nicht ohne Weiteres auf effiziente Elektromotoren umstellen können."
Greenpeace kritisierte die Einigung als einen Rückschlag für Klimaschutz im Verkehr. Sie verwässere die dringend nötige Ausrichtung der Autobranche auf effiziente Elektromobilität, erklärte die Klima- und Umweltschutz-Organisation. "Das Ergebnis ist ein Rückschritt fürs Klima und ein Bärendienst für die europäische Autoindustrie."
Eigentlich gab es in der EU bereits im vergangenen Jahr grundsätzlich eine Einigung zum Verbrenner-Aus ab 2035, doch kurz vor der für Anfang März angesetzten formalen Zustimmung blockierte Deutschland sie. Ohne Deutschland wäre das Vorhaben nicht möglich gewesen. Wissing hatte im vergangenen Jahr bei den Verhandlungen zwischen Kommission, EU-Staaten und Europäischem Parlament einen Passus für eine Kompromiss durchgesetzt, wonach die Brüsseler Behörde um einen Vorschlag zu den E-Fuels gebeten wird. Dieser Passus ist nicht rechtsverbindlich. Die Kommission wollte ihn erst nach dem formalen Beschluss der Staaten veröffentlichen. Wissing verlangte dann aber überraschend vorher eine Einigung über die E-Fuels. In Brüssel sorgte das deutsche Vorgehen für erhebliche Verärgerung. Allerdings sprangen in der Zwischenzeit andere Staaten Deutschland bei. So sprach sich auch Italien für eine Zulassung von Biosprit-Autos aus.
EIN STREITPUNKT WENIGER BEI KOALITIONSGIPFEL AM SONNTAG
Schweden, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne hat, war dadurch gezwungen, einen Kompromiss auszuhandeln. Schweden strebt nun an, die Verordnung am Dienstag vom EU-Rat abnicken zu lassen. Die Bundesregierung sah zuletzt eine Lösung in dem Streit in greifbarer Nähe. "Das wird passieren und zwar bald", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Freitag zum Abschluss des EU-Gipfels in Brüssel. Mit der Einigung dürfte es auch ein Streitthema weniger bei dem für Sonntagabend geplanten Ausschuss der Ampel-Koalition geben. Dann treffen sich die Spitzen von SPD, Grünen und FDP im Kanzleramt.
E-Fuels werden bislang kaum produziert und gelten als knapp, teuer und ineffizient. Daher sollen sie nach dem Willen der EU-Kommission vor allem für den Schiffs- oder Flugverkehr reserviert werden, der nicht direkt mit Strom betrieben werden kann. Einer Studie des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) reicht die 2035 erwartete Produktionsmenge nicht einmal aus, um den Bedarf allein in diesen Bereichen zu decken. (Reuters)