Einer der größten öffentlichen Rentenfonds in den USA bereitet sich darauf vor, den Wert seines 52 Milliarden Dollar schweren Immobilienportfolios abzuschreiben. Dies ist das jüngste Anzeichen dafür, dass höhere US-Zinssätze und die jüngsten Turbulenzen im Bankensektor den US-Immobiliensektor weiter ins Chaos gestürzt haben.
Im Hintergrund sind erhebliche Turbulenzen am fast 3 Billionen Dollar schweren Gewerbeimmobilien-Markt, der zu 70 Prozent von kleineren US-Banken dominiert wird. In diesem Segment herrscht aktuell eine bedrohliche Leerstandsquote von rund 20 Prozent. Fast noch wichtiger ist die Entwicklung bei den sogenannten „Leveraged Loans.“ Unter diesem Überbegriff werden Kredite an überschuldete Kreditnehmer zusammengefasst. Der Markt ist grob eine Billion Dollar schwer und bei einer Refinanzierung zu massiv höheren Zinsen droht dieses Kartenhaus in sich zusammenzufallen.
Die Sorgen um den Gewerbeimmobilien-Sektor haben sich nach der jüngsten Krise der Silicon Valley Bank und die Dominoeffekte für andere US-Banken noch verstärkt. Der US-Immobilienmarkt ein wichtiger Indikator für die zukünftige Richtung der Immobilienmärkte in anderen großen Volkswirtschaften, und wird daher genau beobachtet.
US-Rentenfonds erwartet hohe Immobilienportfolio-Verluste
Der Financial Times zufolge hat der 306 Milliarden Dollar schwere California State Teachers' Retirement System (Calstrs) Fonds in den letzten Jahren einen zunehmenden Teil seines Vermögens in Immobilien investiert, um sich von Aktien und Anleihen zu trennen und von den höheren Renditen zu profitieren, die Käufern von Privatvermögen geboten werden.
Der Chief Investment Officer des Fonds erklärte jedoch gegenüber der Financial Times, dass er sich nun auf Verluste bei den Vermögenswerten in seinem Immobilienportfolio einstellt. Der Grund: Die Anzeichen mehren sich, dass die rasche Straffung der Geldpolitik durch die US-Notenbank in den letzten 12 Monaten die Bewertungen in dem Gewerbeimmobilien-Sektor gedrückt haben.
„Büroimmobilien haben allein durch den Anstieg der Zinssätze wahrscheinlich etwa 20 Prozent an Wert verloren“, sagte Christopher Ailman, der leitende Anlageberater des Calstrs-Fonds. „Unsere Immobilienberater sind der Meinung, dass Immobilien ein oder zwei negative Jahre vor sich haben werden“.
Der Fonds ist mit seinen Sorgen nicht allein. Der Vorstandsvorsitzende von US-Finanzdienstleistungsunternehmen und Depotbank State Street, Ron O'Hanley, erklärte vor Kurzem gegenüber der Financial Times, dass die größte Sorge der Depotbank darin bestehe, „was mit gewerblichen Immobilien, insbesondere Büros, geschieht“.
Lage im Gewerbeimmobilienmarkt
Büroräume haben sich zu einem der größten Sorgenkinder des globalen Immobilienmarktes entwickelt. Die Financial Times wies darauf hin, dass Vermieter hart getroffen sind von steigenden Zinsen, der Umstellung auf hybrides Arbeiten und dem Druck, die Energieeffizienz von Gebäuden zu verbessern.
Laut einer Prognose des Beratungsunternehmens Capital Economics könnten die Preise für US-Büros von einem Höchststand bis zum Tiefpunkt um etwa 30 Prozent fallen, wobei sich die Preise in den am stärksten betroffenen Städten wie San Francisco halbieren könnten.
Ailman zufolge könnten Teile des Gewerbeimmobilienmarktes bei der Preisanpassung ins Stocken geraten. „Käufer wollen erst dann einsteigen, wenn die Preise sinken. Es handelt sich um einen illiquiden Markt, der noch eine Weile verschlossen bleiben wird.“
Tiefgreifender Einbruch
Das Wall Street Journal weist darauf hin, dass die jüngsten Probleme im US-Gewerbeimmobilienmarkt komplizierter sind als in früheren Abschwüngen.
Vermieter haben gleichzeitig mit einem zyklischen Marktabschwung und mit säkularen Trends in der Art und Weise, wie Menschen arbeiten, leben und einkaufen, zu kämpfen. Der plötzliche Anstieg der Zinssätze hat zu sinkenden Immobilienwerten geführt, während die Zunahme der Telearbeit und des elektronischen Handels die Nachfrage nach Büro- und Einzelhandelsflächen verringert hat.
Nach Ansicht von Investoren und Wirtschaftswissenschaftlern haben diese beiden Trends seit den 1970er Jahren nicht mehr in diesem Ausmaß zusammengewirkt. Aktuell ist es vor allem die Pandemie, die den Umbruch im Gewerbeimmobilien-Markt beschleunigt hat.
Blick nach vorne
Es ist noch nicht klar wie stark der Abschwung bei US-Gewerbeimmobilien ausfallen wird. Die Wall Street Journal zitierte mehrere Analysten, die sagten, der derzeitige Einbruch würde weniger schlimm ausfallen als die beiden vorigen Abschwünge in den frühen 1990er Jahren und nach der Finanzkrise 2008 - insbesondere, wenn die US-Wirtschaft eine tiefe Rezession vermeidet.
Aber die tieferen Probleme, mit denen sich Vermieter von Bürogebäuden und bestimmten Einzelhandelsimmobilien konfrontiert sehen, bedeuten, dass Gebäudewerte weniger wahrscheinlich zu neuen Höchstständen zurückkehren werden, wie es nach diesen früheren Zusammenbrüchen der Fall war.
Auch für die Banken, Pensionsfonds und Vermögensverwalter, die zu den größten Kreditgebern und Eigentümern von Gewerbeimmobilien gehören, ist die Nachricht nicht gut, da sie in den kommenden Jahren mit Verlusten rechnen müssen. Nach Angaben von Finanzdienstleistungskonzern KBW Research machen gewerbliche Hypotheken rund 38 Prozent des Kreditbestands einer durchschnittlichen US-Bank aus.