Die Außenminister der arabischen Länder haben eine Rückkehr Syriens in die Arabische Liga beschlossen. Das sagte Gamal Ruschdi, Sprecher des Generalsekretärs der Organisation, der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag in Kairo während eines außerordentlichen Treffens auf Ministerebene.
Generalsekretär Ahmed Abul Gheit sagte, Assad könne am bevorstehenden Gipfeltreffen am 19. Mai teilnehmen. „Ab heute Abend ist Syrien ein vollwertiges Mitglied“, sagte Abul Gheit. Bei dem Schritt handle es sich um eine „unabhängige arabische Entscheidung.“
Syrien war 2011 aus der Organisation ausgeschlossen worden, nachdem die Regierung in Damaskus mit Gewalt Aufstände niederschlug, die von Kräften aus dem Ausland gesteuert worden waren. Inzwischen kontrolliert Damaskus zusammen mit Verbündeten wieder etwa 70 Prozent des Landes, in welchem neben allerlei islamistischen Milizen auch Russen, Amerikaner, Türken und Iraner mit ihren jeweiligen Verbündeten militärisch aktiv sind. Zudem bombardiert Israel regelmäßig Ziele in Syrien.
Aus den Aufständen entwickelte sich ein bis heute andauernder Stellvertreterkrieg, in dem mehr als 350.000 Menschen ums Leben kamen. Mehr als 14 Millionen Menschen wurden durch die Kämpfe vertrieben, davon 6,8 Millionen im eigenen Land. Nach UN-Angaben lebt mehr als 90 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze – nicht zuletzt auch wegen Sanktionen, die der Westen gegen die Assad-Regierung erlassen hatte.
Washingtons Front bricht zusammen
Laut Beschluss vom Sonntag soll nun eine Gruppe innerhalb der Liga direkten Kontakt mit der syrischen Regierung halten. Das syrische Außenministerium begrüßte die Schritte laut einem Bericht der Staatsagentur Sana und mahnte „gegenseitigen Respekt“ an für den Dialog.
Die Wiederaufnahme in die 21 Mitglieder umfassende Organisation solle „Schritt für Schritt“ erfolgen, heißt es in einem dreiseitigen Beschluss vom Sonntag. Konkrete Auflagen an die Regierung in Damaskus werden darin zunächst nicht gemacht. Arabische Medien hatten zuvor von Bedingungen berichtet – etwa mit Blick auf neue Gespräche mit der Opposition, die Rückkehr von Flüchtlingen nach Syrien und die Eindämmung des Drogenschmuggels in benachbarte Länder. Solche oder ähnliche Bedingungen könnten aber noch folgen.
Eine politische Lösung sei der „einzige Weg“ zu einer Einigung, sagte Ägyptens Außenminister Samih Schukri bei Eröffnung der Sitzung in Kairo. Eingriffe ausländischer Staaten hätten die Krise in Syrien demnach verschärft. Die Hauptverantwortung für eine Lösung liege bei der Regierung in Damaskus.
Die Re-Integration Syriens in die diplomatischen Strukturen der Region ist bedeutsam, weil die US-Regierungen der Vergangenheit arabische Länder mehrfach vor einer Wiederannäherung an die Assad-Regierung gewarnt und mit Konsequenzen gedroht hatten. Aus diesem Grund stellt die Wiederaufnahme Syriens in die Arabische Liga einen Affront erster Güte gegen Washington dar.
Sie zeigt zudem, dass die arabischen Staaten nicht mehr uneingeschränkt willens sind, sich den Interessen der USA in der Region unterzuordnen. Die Aussage von Generalsekretär Abul Gheit, wonach die Normalisierung der Beziehungen zu Damaskus eine „unabhängige arabische Entscheidung“ sei, muss vor diesem Hintergrund verstanden werden.
Gestaltungsmacht China
Die formelle Rückkehr Syriens in die arabische Gemeinschaft zeichnet sich schon seit Jahren ab. Vor rund einer Woche hatten sich die Außenminister Jordaniens, Saudi-Arabiens, Ägyptens und des Iraks mit ihrem syrischen Amtskollegen Faisal al-Mikdad getroffen, um eine Normalisierung der Beziehungen zu besprechen.
Das Treffen stellte den vorläufigen Höhepunkt einer Normalisierungsentwicklung dar, die sich bereits vor einigen Jahren angedeutet hatte, als Jordanien einen Grenzübergang zu Syrien öffnete. Danach taten sich insbesondere die Vereinigten Arabischen Emirate als Mittler zwischen Syrien und der Arabischen Liga hervor.
Möglich geworden wurde die Wiedereingliederung Syriens in die arabische Welt, nachdem die regionalen Erzfeinde Saudi-Arabien und Iran unter Vermittlung Chinas einen Friedensprozess begonnen hatten.
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Die saudisch-iranische Verständigung – sollte sie Bestand haben – könnte zu tektonischen Machtverschiebungen im Nahen Osten führen. Eine Phase der Kooperation könnte einer Ära der Konfrontation folgen, welche im Jahr 2011 mit dem sogenannten „Arabischen Frühling“ begonnen hatte.
Bemerkenswert ist, dass China seinen Einfluss in der geostrategisch aufgrund ihrer riesigen Rohstoffvorkommen bedeutsamen Region mithilfe seiner diplomatischen Initiativen und auch durch wirtschaftlichen Anreize mehren konnte, wohingegen die USA relativ an Bedeutung verlieren. Damaskus war wie andere Länder der Region auch schon vor einigen Jahren dem chinesischen Seidenstraßen-Projekt beigetreten.
„Zu den Verlierern der Rückkehr Assads gehören neben den versprengten Resten der syrischen Opposition vor allem Amerikaner und Europäer. Jahrelang hatte der Westen versucht, das Assad-Regime zu isolieren und so in die Knie zu zwingen. Dieses Ansinnen ist nun endgültig gescheitert. Zwar bekräftigte Washington, auch weiterhin an den Sanktionen gegen Syrien festhalten zu wollen. Allerdings sind die Zeiten, in denen die Araber Gewehr bei Fuß standen, sobald der Westen rief, vorbei. So weigerten sich die Golfstaaten im letzten Jahr, ihre Beziehungen zu Russland abzubrechen, und pflegen vermehrt enge Beziehungen zu China. Assads Heimkehr nach Arabien zeigt nun einmal mehr, wie sehr sich die Verhältnisse im Nahen Osten gewandelt haben“, kommentiert die Neue Zürcher Zeitung die Entwicklungen.