Politik

Paukenschlag in Nahost: Syrien kehrt in Arabische Liga zurück

Washingtons diplomatische Front gegen Assad bricht zusammen, der Nahe Osten stellt sich geopolitisch neu auf.
08.05.2023 12:59
Aktualisiert: 08.05.2023 12:59
Lesezeit: 3 min
Paukenschlag in Nahost: Syrien kehrt in Arabische Liga zurück
Syrien ist wieder der Arabischen Liga beigetreten. (Foto: dpa) Foto: -

Die Außenminister der arabischen Länder haben eine Rückkehr Syriens in die Arabische Liga beschlossen. Das sagte Gamal Ruschdi, Sprecher des Generalsekretärs der Organisation, der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag in Kairo während eines außerordentlichen Treffens auf Ministerebene.

Generalsekretär Ahmed Abul Gheit sagte, Assad könne am bevorstehenden Gipfeltreffen am 19. Mai teilnehmen. „Ab heute Abend ist Syrien ein vollwertiges Mitglied“, sagte Abul Gheit. Bei dem Schritt handle es sich um eine „unabhängige arabische Entscheidung.“

Syrien war 2011 aus der Organisation ausgeschlossen worden, nachdem die Regierung in Damaskus mit Gewalt Aufstände niederschlug, die von Kräften aus dem Ausland gesteuert worden waren. Inzwischen kontrolliert Damaskus zusammen mit Verbündeten wieder etwa 70 Prozent des Landes, in welchem neben allerlei islamistischen Milizen auch Russen, Amerikaner, Türken und Iraner mit ihren jeweiligen Verbündeten militärisch aktiv sind. Zudem bombardiert Israel regelmäßig Ziele in Syrien.

Aus den Aufständen entwickelte sich ein bis heute andauernder Stellvertreterkrieg, in dem mehr als 350.000 Menschen ums Leben kamen. Mehr als 14 Millionen Menschen wurden durch die Kämpfe vertrieben, davon 6,8 Millionen im eigenen Land. Nach UN-Angaben lebt mehr als 90 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze – nicht zuletzt auch wegen Sanktionen, die der Westen gegen die Assad-Regierung erlassen hatte.

Washingtons Front bricht zusammen

Laut Beschluss vom Sonntag soll nun eine Gruppe innerhalb der Liga direkten Kontakt mit der syrischen Regierung halten. Das syrische Außenministerium begrüßte die Schritte laut einem Bericht der Staatsagentur Sana und mahnte „gegenseitigen Respekt“ an für den Dialog.

Die Wiederaufnahme in die 21 Mitglieder umfassende Organisation solle „Schritt für Schritt“ erfolgen, heißt es in einem dreiseitigen Beschluss vom Sonntag. Konkrete Auflagen an die Regierung in Damaskus werden darin zunächst nicht gemacht. Arabische Medien hatten zuvor von Bedingungen berichtet – etwa mit Blick auf neue Gespräche mit der Opposition, die Rückkehr von Flüchtlingen nach Syrien und die Eindämmung des Drogenschmuggels in benachbarte Länder. Solche oder ähnliche Bedingungen könnten aber noch folgen.

Eine politische Lösung sei der „einzige Weg“ zu einer Einigung, sagte Ägyptens Außenminister Samih Schukri bei Eröffnung der Sitzung in Kairo. Eingriffe ausländischer Staaten hätten die Krise in Syrien demnach verschärft. Die Hauptverantwortung für eine Lösung liege bei der Regierung in Damaskus.

Die Re-Integration Syriens in die diplomatischen Strukturen der Region ist bedeutsam, weil die US-Regierungen der Vergangenheit arabische Länder mehrfach vor einer Wiederannäherung an die Assad-Regierung gewarnt und mit Konsequenzen gedroht hatten. Aus diesem Grund stellt die Wiederaufnahme Syriens in die Arabische Liga einen Affront erster Güte gegen Washington dar.

Sie zeigt zudem, dass die arabischen Staaten nicht mehr uneingeschränkt willens sind, sich den Interessen der USA in der Region unterzuordnen. Die Aussage von Generalsekretär Abul Gheit, wonach die Normalisierung der Beziehungen zu Damaskus eine „unabhängige arabische Entscheidung“ sei, muss vor diesem Hintergrund verstanden werden.

Gestaltungsmacht China

Die formelle Rückkehr Syriens in die arabische Gemeinschaft zeichnet sich schon seit Jahren ab. Vor rund einer Woche hatten sich die Außenminister Jordaniens, Saudi-Arabiens, Ägyptens und des Iraks mit ihrem syrischen Amtskollegen Faisal al-Mikdad getroffen, um eine Normalisierung der Beziehungen zu besprechen.

Das Treffen stellte den vorläufigen Höhepunkt einer Normalisierungsentwicklung dar, die sich bereits vor einigen Jahren angedeutet hatte, als Jordanien einen Grenzübergang zu Syrien öffnete. Danach taten sich insbesondere die Vereinigten Arabischen Emirate als Mittler zwischen Syrien und der Arabischen Liga hervor.

Möglich geworden wurde die Wiedereingliederung Syriens in die arabische Welt, nachdem die regionalen Erzfeinde Saudi-Arabien und Iran unter Vermittlung Chinas einen Friedensprozess begonnen hatten.

Lesen Sie dazu: Im Nahen Osten finden tektonische Macht-Verschiebungen statt – mit Folgen für die ganze Welt

Die saudisch-iranische Verständigung – sollte sie Bestand haben – könnte zu tektonischen Machtverschiebungen im Nahen Osten führen. Eine Phase der Kooperation könnte einer Ära der Konfrontation folgen, welche im Jahr 2011 mit dem sogenannten „Arabischen Frühling“ begonnen hatte.

Bemerkenswert ist, dass China seinen Einfluss in der geostrategisch aufgrund ihrer riesigen Rohstoffvorkommen bedeutsamen Region mithilfe seiner diplomatischen Initiativen und auch durch wirtschaftlichen Anreize mehren konnte, wohingegen die USA relativ an Bedeutung verlieren. Damaskus war wie andere Länder der Region auch schon vor einigen Jahren dem chinesischen Seidenstraßen-Projekt beigetreten.

„Zu den Verlierern der Rückkehr Assads gehören neben den versprengten Resten der syrischen Opposition vor allem Amerikaner und Europäer. Jahrelang hatte der Westen versucht, das Assad-Regime zu isolieren und so in die Knie zu zwingen. Dieses Ansinnen ist nun endgültig gescheitert. Zwar bekräftigte Washington, auch weiterhin an den Sanktionen gegen Syrien festhalten zu wollen. Allerdings sind die Zeiten, in denen die Araber Gewehr bei Fuß standen, sobald der Westen rief, vorbei. So weigerten sich die Golfstaaten im letzten Jahr, ihre Beziehungen zu Russland abzubrechen, und pflegen vermehrt enge Beziehungen zu China. Assads Heimkehr nach Arabien zeigt nun einmal mehr, wie sehr sich die Verhältnisse im Nahen Osten gewandelt haben“, kommentiert die Neue Zürcher Zeitung die Entwicklungen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Microsoft-Aktie: Wie der KI-Boom den Gewinn über 100 Milliarden treibt
31.07.2025

Microsoft verdient erstmals mehr als 100 Milliarden Dollar – ein Meilenstein, der zeigt, wie tiefgreifend sich das Unternehmen unter...

DWN
Finanzen
Finanzen Investoren warnen: Ist die Erfolgsgeschichte der Novo Nordisk-Aktie vorbei?
31.07.2025

Die Novo Nordisk-Aktie galt als Fels in der Brandung – doch nach einer drastischen Gewinnwarnung gerät das Erfolgsmodell ins Wanken....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft 2 Prozent Inflation: Kerninflation zieht Verbrauchern das Geld aus den Taschen
31.07.2025

Die Inflation liegt genau im Zielkorridor der EZB – ein scheinbar gutes Zeichen. Doch die Kerninflation bleibt hoch, vor allem...

DWN
Finanzen
Finanzen Renminbi im Welthandel: Warum Dollar und Euro dominant bleiben
31.07.2025

Chinas Regierung will den Renminbi zur globalen Handelswährung machen – und nutzt gezielt geopolitische Spannungen, um Druck auf...

DWN
Unternehmen
Unternehmen ZF Stellenabbau: 14.000 Arbeitsplätze in Deutschland bedroht
31.07.2025

Der Autozulieferer ZF rutscht immer tiefer in die Krise. Die "Zahnradfabrik" verzeichnet erneut einen hohen Verlust, steckt tief im...

DWN
Politik
Politik Trump tobt, doch Powell bleibt hart: Keine Zinsgeschenke für den Präsidenten
31.07.2025

Donald Trump fordert eine drastische Zinssenkung – doch Fed-Chef Jerome Powell verweigert den Gefolgschaftseid. Die US-Notenbank bleibt...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Reserve kommt: Was Anleger jetzt wissen müssen
31.07.2025

Die USA lagern still und heimlich Bitcoin – als nationale Reserve. Was bedeutet das für Anleger? Was steckt hinter dieser strategischen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen MediaMarkt Saturn: Chinas JD.com übernimmt die Kontrolle beim Elektronikhändler – Ceconomy-Aktie im Fokus
31.07.2025

Der Einstieg eines Handelsgiganten verändert das Kräfteverhältnis bei MediaMarkt Saturn: Chinas JD.com will Europas Elektronikmarkt...