Ein von ChatGPT zusammengestelltes Portfolio aus 30 Aktien konnte innerhalb eines 8-Wochen-Zeitraums die zehn populärsten Aktienfonds aus Großbritannien schlagen. Das berichtete kürzlich die Financial Times unter Berufung auf das Vergleichsportal Finder.com, das den Versuch durchgeführt hatte. Demnach ist das Portfolio um 4,9 Prozent im Wert gestiegen, während die Aktienfonds bloß um 0,8 Prozent zulegten.
Laut dem Kölner Flossbach von Storch Research Institute können KI-Technologien aber keine Fondsmanager ersetzen. Systeme zur Unterstützung von Experten seien bereits im Einsatz, schreiben die Forscher in einer Serie von kürzlich erschienenen Artikeln. „Von der Zielvision eines Algorithmus, der Handelsstrategien selbstständig entwickelt, sich auf Basis aktueller Informationen anpasst und die Kauf- und Verkaufsaufträge effizient ausführt, ohne dass Menschen zumindest temporär in den Prozess eingreifen, sind wir aktuell noch entfernt.“
Um die Grenzen der Erkenntnis zu durchbrechen, müsste KI nicht bloß Daten mit vorgegebenen theoretischen Hypothesen abgleichen können. KI müsste intuitiv auch neue Hypothesen aufstellen können. „Bisher ist nicht zu sehen, dass es diese Fähigkeit erreichen kann“, schreiben die Forscher.
Überrendite von 5,8 Prozent pro Jahr
Es gibt bereits Hedgefonds und Publikumsfonds, bei denen eine KI Preisvorhersagen aufstellt und darauf basierend eine Anlageentscheidung in Echtzeit trifft. In Deutschland gibt es laut Stiftung Warentest fast ein Dutzend von KI-Fonds. Vorreiter war der US-Fonds AIEQ im Jahr 2017, berichten chinesische Forscher in einer Studie vom Dezember 2021, die die Performance von KI verwalteten Fonds mit passiv und aktiv gemanagten Fonds verglich.
Demzufolge konnten die KI-Fonds keine signifikanten risikoadjustierten Überrenditen erzielen. „Wir stellen fest, dass diese Fonds den Markt per se nicht übertreffen“, schreiben die Autoren. Allerdings würden die KI-Fonds deutlich besser abschneiden als von Menschen verwaltete Vergleichsfonds.
Laut den Ergebnissen lag die Überrendite bei 5,8 Prozent pro Jahr auf Nettobasis. Die KI-Fonds würden nicht bloß weniger handeln und hätten somit geringere Transaktionskosten, sondern hätten auch eine „überlegene Fähigkeit zur Aktienauswahl“, erklären die Wissenschaftler der Universität von Macau. Außerdem würden KIs keinen kognitiven Verzerrungen unterliegen, die zu Fehlentscheidungen führten.
Die Flossbach-von Storch-Forscher vermuten indes, dass manche KIs den Markt schlagen. „Wir meinen zu erkennen, dass sich die Anwender momentan auf kurzfristige Prädiktionen konzentrieren und damit zu Teilen profitable kurzfristig-orientierte Handelsstrategien erstellen können“, schreiben sie.
Doch die langfristige Entwicklung von Einzeltiteln könnten KI-Systeme nicht zuverlässig voraussagen. Zwar seien die KI-Algorithmen Betriebsgeheimnisse und ließen sich nicht wissenschaftlich überprüfen. Dennoch würde früher oder später zumindest die Information bekannt, „dass ein Fondshaus mit dem langfristigen Machine-Learning-basierten Stock Picking erfolgreich ist“.
KI trifft Anlageentscheidung alleine
Die Forscher sehen etwa in dem Medallion-Fonds einen erfolgreichen KI-Fonds. Der Hedgefonds des US-Mathematikers James Simons verfolgt eine kurzfristig orientierte Handelsstrategie. Simons gilt als Pionier beim Einsatz von KI im Fondsmanagement und setzte den Medallion-Fonds bereits im Jahr 1988 auf.
Simons zufolge trifft alle Anlageentscheidungen eine KI. Menschen greifen nicht ein. Die KI halte dabei einzelne Titel für maximal zwei Wochen. Der Mathematiker beziffert die Rendite des Fonds auf durchschnittlich 44 Prozent pro Jahr. Auch Warren Buffett und Charlie Munger bestätigten die außergewöhnlich hohe Performance.
Simons gibt indes zu, dass sich die Handelsstrategie des Medallion-Fonds nicht skalieren lässt, weil weitere Trades die Profitmöglichkeiten eliminieren würden. Presseberichten zufolge hatte der Fonds noch nie ein Vermögen über 10 Milliarden US-Dollar. Investiert sind demnach nur Simons selbst und Mitarbeiter seiner Firma Renaissance Technologies.
Kritiker wie der Vermögensberater Gerd Kommer ziehen darum die Renditeberechnung in Zweifel. Da sich die Investmentstrategie nicht skalieren lasse, könnten Gewinne auch nicht automatisch reinvestiert werden, wie das bei einem normalen Fonds der Fall sei. „Finanzmathematisch korrekt wäre es daher rechnerisch anzunehmen, dass man die ausgeschütteten Gewinne zu normalen, der Öffentlichkeit verfügbaren Renditen reinvestiert. Das würde jedoch die so korrigierte echte Medallion-Rendite dramatisch nach unten drücken.“
Kritische Ökonomen der sogenannten Österreichischen Schule halten indes Voraussagen über die künftige Entwicklung der Finanzmärkte für generell unmöglich, weil Finanzmärkte hyperkomplexe Systeme seien. Wolle man diese mathematisch darstellen, bedürfte es einer extrem hohen Zahl an Gleichungen und Variablen, deren Werte und Beziehung zueinander sich laufend ändern würden. Zudem seien manche Marktphänomene nicht in Worten oder Zahlen erfassbar oder messbar, weil es sich um subjektive, bloß individuell zugängliche Daten handle oder um stilles Wissen.
Zuverlässige Prognosen sind nicht möglich
Auch die Flossbach-von-Storch-Forscher hinterfragen die Möglichkeit einer KI mit langfristigen Prognose-Skills. Es würde sich nämlich die Frage nach der Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen stellen. „Würden Sie einer Maschine ihr Vermögen anvertrauen, die am Jahresende keine Erklärung für den erwirtschafteten Gewinn oder Verlust liefert?”, fragen sie.
Zudem benötigt es Studien zufolge einen sehr langen Track Record, um tatsächliche Prognosefähigkeiten von bloßem Glück zu unterscheiden. Laut Wahrscheinlichkeitsberechnungen von US-Forschern bräuchte es 38 Jahre, um mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit einen Fondsmanager mit Voraussage-Können von 20 talentfreien Fondsmanagern zu scheiden.
Die Forscher nahmen dabei eine Überrendite von 3 Prozent pro Jahr an – bei einem Tracking Error von 3 Prozent bei allen 21 Fondsmanagern. Das wäre also eine sehr hohe und stetige Outperformance. Dennoch bräuchte es Jahrzehnte, um den fähigen Fondsmanager – oder eine fähige KI – zu identifizieren.
KIs verwenden sogenannte Techniken des Maschinellen Lernens. Dabei werden große Mengen von (un)strukturierten Daten in eine Maschine eingespeist, etwa Videos, Bilder, aber auch Statistiken und Texte. Die Maschine durchforstet diese nach Mustern und erzeugt ein Modell, das die Daten erklären soll, wie die Forscher von Flossbach von Storch erklären.
Dabei werden im Gegensatz zu Programmen, die standardisierte Rechnungen durchführen, keine Annahmen über die Daten in das System eingespeist. „Computer profitieren dabei davon, eine ungleich größere Datenmenge in gleicher Zeit verarbeiten zu können als der Mensch und nicht unter psychologischen Effekten wie kognitiven Verzerrungen leiden”, schreiben die Autoren.