Technologie

Riesiges Müllproblem: Was wird aus den alten Solaranlagen?

Weltweit gibt es mehrere Milliarden Solarmodule. Doch ihre Betriebsdauer ist begrenzt und ein Recycling ist bisher nicht möglich. Es drohen riesige Müllberge.
Autor
12.06.2023 09:08
Aktualisiert: 12.06.2023 09:08
Lesezeit: 4 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Laut einem aktuellen Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) entfallen dieses Jahr zwei Drittel des weltweiten Zuwachses an erneuerbarer Energiekapazität auf Solarenergie. Damit setzt sich das Wachstum eines riesigen Müllproblems weiter fort, für das es bisher keine Lösung gibt. Denn alle ausgedienten Solarmodule müssen spätestens nach etwa 25 bis 30 Jahren wieder entsorgt werden.

Die Zahl der Solaranlagen ist in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen, und nun erreichen die ersten großen Solarmodule das Ende ihrer Betriebsdauer und müssen ausgemustert werden. Oft werden Solaranlagen unwirtschaftlich, schon lange bevor sie das Ende ihrer Lebensdauer erreichen, weil effizientere Designs entwickelt werden. Daher werden auch Solarmodule, die erst 10 oder 15 Jahre alt sind, entsorgt und durch neuere Versionen ersetzt.

„Die Welt hat mehr als ein Terawatt an Solarkapazität installiert. Gewöhnliche Solarmodule haben eine Leistung von etwa 400 Watt. Wenn man also sowohl die Dächer als auch die Solarfarmen mitzählt, könnte es bis zu 2,5 Milliarden Solarmodule geben“, zitiert die BBC Rong Deng, einen Experte für das Recycling von Solarmodulen an der Universität von New South Wales in Australien.

In diesem Jahr werden die Investitionen in die Solarenergieerzeugung zum ersten Mal die Investitionen in die Ölförderung in den Schatten stellen. „Das leuchtende Beispiel für das Wachstum der Investitionen in saubere Energien ist die Solarenergie, die im Jahr 2023 zum ersten Mal mehr Kapital anziehen wird als die weltweite Ölproduktion. Dies spiegelt den Wandel in der Weltenergie wider“, sagte IEA-Chef Fatih Birol auf Twitter.

Solar-Schrott kann (noch) nicht recycelt werden

Die Solarenergie hat eine schmutzige Seite, nämlich die riesige Menge an Abfall aus den ausgedienten Solarzellen. Denn jedes Solarmodul enthält nur winzige Fragmente von Materialien wie Kupfer, Silizium und Silber, und diese Fragmente sind so stark mit anderen Komponenten verwoben, dass es bisher nicht wirtschaftlich war, sie zu trennen.

Forscher, Start-ups und Regierungen versuchen, eine Branche für das Recycling von Solarmodulen zu schaffen, um einerseits den Abfall zu reduzieren und andererseits um die wertvollen Materialien zu recyceln, die für die Herstellung der Module verwendet werden, darunter Silber, Kupfer und Silizium. Doch das Problem ist die schiere Größe des Müllproblems.

„Bis zum Jahr 2050 wird es ein Müllberg sein, wenn wir nicht jetzt Recyclingketten in Gang setzen“, sagte Ute Collier, stellvertretende Direktorin der Internationalen Agentur für erneuerbare Energien, gegenüber der BBC. Collier zufolge könnte die weltweite Menge an Solarmodulen zum Verschrotten bis zum Jahr 2050 auf mehr als 200 Millionen Tonnen ansteigen. Das entspricht der Hälfte des jährlichen Kunststoffmülls.

Der Aluminiumrahmen und das Glas der Paneele können bereits mit einer hohen Rückgewinnungsrate recycelt werden. Doch es ist deutlich schwieriger, die kleineren Komponenten wie die Metalle zu gewinnen und zu recyceln. Die wertvollsten Bestandteile der Module sind Aluminium, Silber, Kupfer und Polysilizium. Silber macht nach Angaben von Rystad Energy etwa 0,05 Prozent des Gesamtgewichts aus, aber 14 Prozent des Materialwerts aus.

Außerdem verfügen die derzeitigen Solarrecyclinganlagen nur über eine geringe Aufbereitungskapazität für das Photovoltaik-Recycling, so ein Bericht der IEA vom letzten Jahr. „Da der Kapazitätsfaktor dieser Anlagen derzeit niedrig ist, sind hohe Behandlungskosten pro Einheit zu erwarten, wobei einige Anlagen PV-Module auf Lager halten, bis sie genügend Volumen zur Verarbeitung haben“, so die IEA.

Zwar kann das Glas recycelt werden, doch die Verwendung von wiedergewonnenem Glas beschränkt sich auf weniger wertvolle Produkte, und hohe Transportkosten machen das Recyceln ineffizient. Das zurückgewonnene Glas kann zur Herstellung von Fliesen oder zum Sandstrahlen verwendet werden oder mit anderen Materialien gemischt werden, um Asphalt herzustellen. Aber es kann zum Beispiel nicht für die Herstellung neuer Solarpaneele verwendet werden.

Nach Angaben von Rystad Energy könnte die Solar-Photovoltaik-Recycling-Branche bis zum Ende dieses Jahrzehnts einen Wert von 2,7 Milliarden Dollar erreichen, nachdem es im vergangenen Jahr nur einen Wert von 170 Millionen Dollar hatte. Doch noch hat das Recycling von Solarmodulen in großem Maßstab noch nicht einmal hat, weil noch niemand dazu in der Lage ist.

„Die Branche ist neu und noch im Wachstum begriffen“, so die US-Umweltschutzbehörde EPA. „Forscher untersuchen, wie das Recycling kommerziell genutzt werden kann, um die meisten Komponenten eines Solarpanels wirtschaftlich zurückzugewinnen. Elemente dieses Recyclingverfahrens gibt es in den Vereinigten Staaten, aber noch nicht in großem Maßstab.“

In Europa kann das in Frankreich ansässige Solar-Recyclingunternehmen ROSI nach eigenen Angaben in seiner Anlage in der Alpenstadt Grenoble bis zu 99 Prozent der Bestandteile eines Moduls gewinnen und wiederverwenden, einschließlich wertvoller Materialien wie Silber und Kupfer. Es ist derzeit das einzige europäische Unternehmen, das beim Solar-Recycling in industriellem Maßstab arbeitet.

ROSI hofft, irgendwann 99 Prozent der Komponenten eines Geräts gewinnen und wiederverwenden zu können. Und massive Fortschritte beim Solar-Recycling sind auch unbedingt notwendig. Denn es existiert gar nicht genug Silber in den Minen der Welt, um die riesigen gewünschten Mengen an Solarmodulen zu bauen. Entweder das Silber-Recycling gelingt oder der Solar-Boom endet.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Unternehmen
Unternehmen Thyssenkrupp-Aktie: Marinesparte trotzt schwacher Stahl- und Baukonjunktur
14.08.2025

Thyssenkrupp kämpft mit schwacher Nachfrage und sinkenden Preisen in Kernbranchen. Nur die Marinesparte TKMS wächst – doch sie kann die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Eon-Aktie: Investitionen in Netzausbau schieben Eon an - Ziele bestätigt
14.08.2025

Deutschlands größter Stromversorger und Netzbetreiber Eon profitiert weiterhin vom Ausbau des Energienetzes. Im ersten Halbjahr...

DWN
Politik
Politik Rentenreform: Warum das Rentenpaket der Regierung keine Lösung ist – und sogar schadet
14.08.2025

Das vergangene Woche verabschiedete Rentenpaket der Bundesregierung umfasst fast 50 Milliarden Euro. Viele Rentenexperten sind entsetzt und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Luxus für die Chefetage: DAX-Vorstände kassieren das 41-Fache ihrer Mitarbeiter
14.08.2025

Während die Wirtschaft stagniert, steigen die Managergehälter: DAX-Vorstände verdienen im Schnitt das 41-Fache ihrer Mitarbeiter – und...

DWN
Politik
Politik Trump öffnet Chip-Schleusen für China: Sicherheit nur noch zweitrangig
13.08.2025

Trotz jahrelanger Warnungen vor Pekings Militärambitionen gibt Trump den Verkauf modernster US-Chips an China frei – und stellt Profit...

DWN
Politik
Politik Bedrohung durch Russland? Estland weist russischen Diplomaten aus
13.08.2025

Die Beziehungen zwischen Russland und Estland sind seit Jahren konfliktgeladen und angespannt. Nun weist das EU- und Nato-Land einen...

DWN
Finanzen
Finanzen Wegen EU-Sanktionen: China verhängt Sanktionen gegen zwei EU-Banken
13.08.2025

Im Konflikt um Russland-Sanktionen setzt Peking zwei europäische Geldhäuser auf seine Sanktionsliste. Es handelt sich um eine...