Politik

Ampel-Pläne: Jeder soll sein Geschlecht selbst festlegen können

Wer sein Geschlecht ändern will, soll dies künftig auf einfache Art und Weise tun können. Laut Plänen der Ampel soll dies aber nur einmal im Jahr möglich sein. Und Kinder brauchen das Einverständnis der Erziehungsberechtigten.
25.06.2023 10:33
Aktualisiert: 25.06.2023 10:33
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Ampel-Pläne: Jeder soll sein Geschlecht selbst festlegen können
Reichstag in Berlin. Laut dem Gesetzentwurf der Ampel soll künftig jeder sein Geschlecht selbst festlegen können. (Foto: dpa) Foto: Christoph Soeder

Künftig soll jeder Mensch in Deutschland seinen eigenen Geschlechtseintrag und Vornamen selbst festlegen und ändern können. Das ist der Kern des Entwurfs zum Selbstbestimmungsgesetz von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und Justizminister Marco Buschmann (FDP), der zeitnah ins Kabinett gehen soll. Doch manche Formulierungen sorgen für Kritik.

Die Ampel-Parteien hatten das Vorhaben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Es richtet sich an transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen. Möchte jemand seinen Geschlechtseintrag ändern, müssen demnach künftig eine Erklärung und eine Eigenversicherung beim Standesamt abgegeben werden. Drei Monate nach der Erklärung soll die Änderung des Geschlechtseintrags wirksam werden. Ist der Geschlechtseintrag einmal geändert, soll eine Sperrfrist von einem Jahr gelten. Danach könne man den Geschlechtseintrag erneut ändern.

«Trans» sind laut Gesetzentwurf Personen, die sich nicht oder nicht nur mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. «Inter» bedeutet angeborene körperliche Merkmale zu haben, «die sich nach medizinischen Normen nicht eindeutig als (nur) männlich oder (nur) weiblich einordnen lassen». «Nicht-Binär» wird als Selbstbezeichnung für Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau identifizieren, definiert.

Kinder und Jugendliche können ihren Geschlechtseintrag nicht selbstständig ändern. Bis 14 Jahre müssen die Sorgeberechtigten die Erklärung gegenüber dem Standesamt abgeben, danach müssen die Sorgeberechtigten nur noch zustimmen.

In der EU haben einige Länder wie Irland, Dänemark oder Portugal bereits Selbstbestimmungsgesetze eingeführt. Unter anderem haben auch die Schweiz, Argentinien und Uruguay solche Gesetze. Für die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, ist das Selbstbestimmungsgesetz daher längst überfällig. «Denn das bisher seit den 80er Jahren gültige "Transsexuellengesetz" ist wirklich schlimm, in weiten Teilen verfassungswidrig und hat Menschen geschadet», sagte Ataman.

Viele Transmenschen empfinden das «Transsexuellengesetz» als demütigend. Es sieht etwa vor, dass Betroffene Vornamen und Geschlecht erst nach einem psychologischen Gutachten und einer gerichtlichen Entscheidung offiziell ändern dürfen. Dabei müssen sie sich oft sehr intime Fragen gefallen lassen. Das Verfahren ist zudem langwierig und kostspielig. Das Bundesverfassungsgericht hatte mehrfach wesentliche Teile des Gesetzes für verfassungswidrig erklärt.

Beim Entwurf zum neuen Selbstbestimmungsgesetz hat Ataman jedoch Bedenken mit Blick auf den Begründungstext: Bei der Regelung zum Hausrecht werde «ungewöhnlich ausschweifend auf rechtspopulistische Argumente eingegangen».

Kritik am Selbstbestimmungsgesetz kommt vor allem immer wieder von der Union und der AfD. Auch Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht hatte kürzlich erst vor Gefahren für Frauen gewarnt, beispielsweise in Frauensaunen.

Für die Antidiskriminierungsbeauftragte ist dies eine irrationale Debatte. «Es wurde erzählt, man müsse sich jetzt Sorgen machen, ob Männer und Frauen überhaupt noch klar definiert seien und ob jetzt Männer ihren Geschlechtseintrag ändern würden, um dann in der Sauna Frauen zu begaffen», sagte Ataman. «Wir haben in Deutschland überwiegend gemischtgeschlechtliche Saunen. Kein Mann muss seinen Geschlechtseintrag ändern lassen, um in Deutschland eine nackte Frau zu sehen.»

In der Begründung heißt es unter anderem, dass ein eingetragenes Geschlecht einem nicht automatisch Zugang zu geschützten Räumen gibt. Es soll weiterhin das private Hausrecht gelten, also das Recht des Inhabers, darüber zu bestimmen, wer beispielsweise seine Wohnung oder Geschäftsräume betritt. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz schützt jedoch transgeschlechtliche Personen vor Diskriminierung aufgrund ihrer Geschlechtsidentität, was bedeutet, dass sie nicht aufgrund ihres Geschlechts abgelehnt werden dürfen.

Trotzdem sei auf dieses irrationale Argument in der Gesetzesbegründung eingegangen worden. «Hier stehen Ausführungen zu Saunen und dazu, dass das Hausrecht gelte», sagte Ataman. «Man kann es nicht anders sagen, in dem Fall hat der Gesetzgeber da nachgegeben und ist quasi eingeknickt. Ich hoffe noch, dass das im Regelungstext und im Begründungstext angepasst wird.»

Auch der Deutsche Frauenrat weist solche «vermeintlichen Schreckensszenarien», in denen Männer ihren Geschlechtseintrag ändern, um in Frauenräume einzudringen, als nicht realistisch zurück. Dies würde gezielt missbraucht, um gefährliche Vorurteile gegenüber Transmenschen zu schüren, sagte die Vorsitzende Beate von Miguel. «Dem stellen wir uns entschieden entgegen.»

Zeit, den Begründungstext zu ändern, gebe es noch - wann der Entwurf es ins Kabinett schafft, ist noch unklar. Danach muss das Gesetz auch noch den Bundestag passieren. (dpa)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Unternehmen
Unternehmen Freiwillige vor: Neuer Bahnchef gesucht
21.08.2025

Die Deutsche Bahn steckt in ihrer tiefsten Krise, doch der Verkehrsminister drängt auf schnellen Wechsel an der Spitze. Während geeignete...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Abwanderung von Fachkräften: Immer mehr deutsche Arbeitnehmer verlassen ihr Heimatland
21.08.2025

Immer mehr Deutsche sagen Adieu: 2024 waren es 270.000 Ausreisewillige. Selbstständige, Akademiker und Fachkräfte verlassen Deutschland...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Stellenanzeigen: Firmen verschenken Potenzial mit fehlender Familienfreundlichkeit
21.08.2025

Deutsche Unternehmen reden gern über Familienfreundlichkeit, doch in den Stellenanzeigen bleibt davon wenig übrig. Eine neue Analyse...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft US-Importzoll auf Autos aus EU soll rückwirkend sinken
21.08.2025

Washington senkt seine Importzölle auf Autos aus der EU – rückwirkend und überraschend deutlich. Für Europas Autobauer ist das zwar...

DWN
Panorama
Panorama Nord-Stream-Anschlag: Carabinieri verhaften Ukrainer wegen Sprengstoff-Operation
21.08.2025

Seit zwei Jahren ermittelt die Bundesanwaltschaft im Fall der gesprengten Nord-Stream-Pipelines. Nun gerät ein Ukrainer ins Visier, den...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Homeoffice auf Rezept? Ärztliches Attest bedeutet keinen Anspruch aufs Homeoffice – was zu beachten ist
21.08.2025

Ärztliche Homeoffice-Atteste liefern Hinweise, sind aber kein automatischer Freifahrtschein. Fehlen verbindliche Regeln und ein...

DWN
Politik
Politik Russland erklärt, in die Sicherheitsgarantien für die Ukraine „einbezogen“ werden zu wollen
21.08.2025

Russland will bei den Sicherheitsgarantien für die Ukraine mitreden – und verlangt ein Vetorecht. Experten warnen: Damit droht Moskau,...

DWN
Finanzen
Finanzen Millionen PayPal-Zugangsdaten im Umlauf – das sollten Nutzer jetzt tun
21.08.2025

Millionen PayPal-Zugangsdaten sollen im Darknet zum Verkauf stehen – zu einem erstaunlich niedrigen Preis. Ob es sich um aktuelle Daten...