Politik

Ukrainischer Geheimdienstchef: „Wir gewinnen Informationskrieg“

Der ukrainische Geheimdienstchef spricht erstaunlich offen über seine Vorhaben. Er bezeichnet den Informationskrieg als „Trend für alle weiteren Kriege“.
14.07.2023 13:05
Aktualisiert: 14.07.2023 13:05
Lesezeit: 2 min
Ukrainischer Geheimdienstchef: „Wir gewinnen Informationskrieg“
US-amerikanische M1A1-Abrams-Panzer treffen am 12. Mai 2023 in Grafenwöhr, Deutschland, ein. Die M1A1-Panzer werden für die Ausbildung des Personals der ukrainischen Streitkräfte eingesetzt und sollen voraussichtlich mehrere Wochen halten. (Foto: dpa) Foto: Spc. Adrian Greenwood

Geheimdienstchefs geben sich gern selbst geheimnisvoll. Kyrylo Budanow, Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes (GUR), sieht das anders. „Heutzutage geht das nicht mehr“, sagt er im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters in seinem mit Waffen und Militärausrüstung vollgestopften Büro in Kiew. Der von Russland angefangene Krieg gegen die Ukraine habe alles verändert. „Und alle weiteren Kriege werden so sein. In jedem Land der Welt. Wir setzen einen Trend, könnte man sagen.“ Seit der Annexion der Krim durch Russland 2014 und dem Beginn der Kämpfe im Osten der Ukraine im selben Jahr, mache sich sein Land Gedanken über die Art und Weise, wie Informationen transportiert werden könnten. „Den Informationskrieg 2014 haben wir verloren“, sagt Budanow. Auch zu Beginn des Krieges gegen Russland im Februar 2022 sei man noch anders vorgegangen. „Und jetzt verlieren die Russen den Informationskrieg.“

Spätestens seit dem Aufstand der Söldnergruppe Wagner im Juni dieses Jahres erscheint Budanow immer häufiger in der Öffentlichkeit und teilt Erkenntnisse der Ukraine. So sagte er in seinem Interview, das teilweise bereits Anfang der Woche veröffentlicht wurde, dass die Wagner-Söldner auf einen Atomstützpunkt vormarschiert seien, auf der Suche nach einer Atomwaffe, die in etwa die Größe eines Rucksacks habe. Mehrere russische Insider berichteten offenbar ebenfalls darüber. Auch eine Studie des russischen Innenministeriums sei abgefangen worden. Aus dieser gehe hervor, dass Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin Unterstützer in Russland habe. Zudem habe er vorausgesagt, dass Russland eine Invasion der Ukraine plane. „Wer hatte Recht? Wir.“ Die Ukraine verfüge über Quellen in unmittelbarer Nähe zu Russlands Präsident Wladimir Putin. „Deshalb wissen wir meistens, was los ist.“

Held in der Ukraine, Feind in Russland

Der in Kiew geborene Budanow wurde im August 2020 Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes. Er absolvierte die Militärschule in Odessa und arbeitete seit seinem Abschluss 2007 beim GUR. Der 37 Jahre alte Budanow ist bereits Zwei-Sterne-General – ein Rang, den Offiziere im Westen üblicherweise erst in ihren Fünfzigern erreichen. Er kämpfte nach 2014 im Donbass im Osten der Ukraine, wurde drei Mal verwundet. Seitdem er die Leitung des Geheimdienstes übernahm, wurde er mehrfach Ziel von Anschlägen. Ende Mai wurde das Hauptquartier des GUR in Kiew bei einem Luftangriff getroffen. In russischen Medien hieß es, der ukrainische Geheimdienstchef sei schwer verletzt worden. Budanow, der im Kampfanzug hinter seinem Schreibtisch sitzt, spielt das herunter. „Es war nicht ihr erster Versuch. Aber wie Sie selbst sehen, wir sitzen hier mitten im Hauptquartier. ... Alles läuft, wie es soll.“ Die Jalousien seines Büros sind zugezogen, vor den Fenstern liegen Sandsäcke. Über Budanow hängt ein Bild von einer Eule, die sich eine Fledermaus krallt. Die Eule ist das Wappentier des ukrainischen Geheimdienstes – die Fledermaus die des russischen.

In der Ukraine gilt Budanow als führender Kopf hinter den Kulissen im Kampf gegen Russland. In Russland ist er eine Hassfigur. Seine Äußerung im Mai, die Ukraine werde bis zum endgültigen Sieg weiter Russen töten egal wo auf der Welt, wurde heftig kritisiert und als abscheulich bezeichnet. Der Vergleich mit dem israelischen Mossad, der als einer der schärfsten Geheimdienste der Welt gilt, kam auf. Budanow scheut ihn nicht: „Wenn Sie danach fragen, ob der Mossad dafür bekannt ist, seine Staatsfeinde zu eliminieren, dann haben wir das auch getan und werden es weiterhin tun. Wir müssen nichts erfinden, weil es das schon gibt.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Kryptowährungsmarkt im Fokus: ETFs, XRP und Moon Hash – Weihnachtsbonusverträge beflügeln Cloud-Computing-Trends

Zum Jahresende erlebt der Kryptowährungsmarkt einen neuen Aufschwung. Kryptowährungs-ETFs und XRP ziehen zunehmend Gelder traditioneller...

DWN
Technologie
Technologie Natrium-Batterien: Wie China die nächste Akkurevolution vorantreibt
20.12.2025

Chinesische Hersteller treiben die Entwicklung von Natrium-Batterien rasant voran und bedrohen damit das bisherige Lithium-Dominanzmodell...

DWN
Politik
Politik Härtefallfonds für bedürftige Ostrentner schliesst: 425 Millionen Euro ungenutzt
20.12.2025

Aus dem Härtefallfonds für bedürftige Rentner aus der ehemaligen DDR und Osteuropa fließen zu Jahresende mehrere Hundert Millionen Euro...

DWN
Panorama
Panorama Grüne Stadt der Zukunft: Wie realistisch CO2-neutrale Metropolen bis 2040 sind
20.12.2025

Städte sollen Europas Klima-Rettungsanker werden – doch zwischen Vision und Wirklichkeit klafft eine Lücke. EU-Ziele, Modellstädte und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chefin der Wirtschaftsvereinigung Stahl warnt: Die Deindustrialisierung ist real
20.12.2025

Kerstin Maria Rippel ist Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Im DWN-Interview sagt sie, dass Berlin nach dem...

DWN
Immobilien
Immobilien Eigenkapitalbildung: Immobilienkauf laut IfW-Studie für Millennials schwerer
20.12.2025

Eigenkapitalbildung wird für viele Kaufwillige zur größten Hürde: Eine neue Studie vergleicht, wie stark sich die Anforderungen für...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU-CO2-Zoll wird ausgeweitet: Kommt die nächste Stufe für Waschmaschinen und andere Haushaltsgeräte?
20.12.2025

Der EU-CO2-Zoll steht vor der nächsten Ausbaustufe: Brüssel will ihn auf Haushaltsgeräte und weitere Industrieprodukte ausdehnen. Ab...

DWN
Politik
Politik Neues Ranking: Wer jetzt über Europas Zukunft entscheidet
20.12.2025

Donald Trumps Aufstieg an die Spitze des aktuellen Politico-Rankings zeigt, wie stark externe Kräfte Europas Politik inzwischen bestimmen....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Rallye mehrerer Technologieunternehmen treibt US-Aktien an
19.12.2025

Die US-Aktien unterbrachen ihre jüngste Verlustserie und stiegen am Freitag, da Anzeichen einer abkühlenden Inflation und nachlassende...