Weltwirtschaft

Nutzung von Kohle steigt auf Rekordhoch

Lesezeit: 3 min
05.08.2023 14:41  Aktualisiert: 05.08.2023 14:41
Der weltweite Kohlenverbrauch wird auch 2023 auf dem Rekordniveau bleiben, das im letzten Jahr erreicht wurde. Verantwortlich dafür sind zwei Staaten, die Kohle nicht als Problem, sondern als Lösung ansehen.
Nutzung von Kohle steigt auf Rekordhoch
Der Kohleverbrauch weltweit ist heute so hoch wie nie zuvor. (Foto: dpa)
Foto: Christian Charisius

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) stieg der globale Kohleverbrauch im letzten Jahr um 3,3 Prozent auf 8,3 Milliarden Tonnen und erreichte damit einen neuen Rekordwert. Dieser Anstieg ist im Wesentlichen eine Reaktion auf die steigenden Öl- und Gaspreise, die zu einer Umstellung des Energieverbrauchs auf Kohle und andere alternative Energiequellen wie Wind und Solar führte. Insgesamt wurden im letzten Jahr weltweit 10.440 Terawattstunden Strom aus Kohle erzeugt, was etwa 36 Prozent der weltweiten Stromerzeugung entspricht.

Die Sanktionen des Westens gegen Russland lösten im Laufe des Jahres 2022 eine globale Krise in der Energieversorgung aus und erschütterten die globalen Energiemärkte. Im Westen führte der Kampf um Energiesicherheit vor allem zu einem starken Wachstum bei den erneuerbaren Energien. Auch China verzeichnete ein starkes Wachstum der erneuerbaren Energien - das mit Abstand stärkste weltweit. Allerdings boomte im letzten Jahr auch die chinesische Nachfrage nach Kohle, ebenso wie die Nachfrage im Nachbarland Indien.

Sowohl in der Europäischen Union als auch in den Vereinigten Staaten ist die Kohlenachfrage in der ersten Hälfte dieses Jahres schneller zurückgegangen als erwartet, nämlich um 16 beziehungsweise um 24 Prozent, so die IEA in einer Erklärung zu ihrem Bericht "Coal Market Update". Die Nachfrage der beiden größten Kohleverbraucher, China und Indien, sei jedoch in der ersten Jahreshälfte um mehr als 5 Prozent gestiegen und habe damit die Rückgänge in anderen Ländern mehr als ausgeglichen.

Indien und China sehen Kohle als Lösung

China und Indien lehnen Klimavereinbarungen ab, die auf einem Ausstieg aus der Kohle bestehen. "Wie kann man erwarten, dass die Entwicklungsländer Versprechungen über den Ausstieg aus der Kohle und den Subventionen für fossile Brennstoffe machen", sagte der indische Umweltminister Bhupender Yadav schon in einer Rede während des UN-Klimagipfels COP26 in Glasgow im Jahr 2021. "Die Entwicklungsländer müssen sich immer noch mit ihrer Agenda zur Armutsbekämpfung befassen", zitierte ihn die Financial Times.

Indien hat kritisiert, dass die Industrieländer, die sich an der Nutzung fossiler Brennstoffe bereichert haben, nun das Sagen in der globalen Dekarbonisierungsbewegung haben und den Entwicklungsländern vorschreiben, dass sie nicht dasselbe tun dürfen. Indische Beamte haben die reichen Länder aufgefordert, ihren eigenen Energieverbrauch zu reduzieren, bevor sie mit dem Finger auf andere zeigen. Ein einziger Kühlschrank in den USA verbrauche mehr Energie verbraucht als ein durchschnittlicher Mensch in einem Entwicklungsland.

In China ist Kohle ein Synonym für Energiesicherheit, das wichtigste energiepolitische Ziel der Regierung von Präsident Xi Jinping. Wenn andere Energieformen versagt haben, war Kohle für China immer ein verlässlicher und oft unverzichtbarer Ausweg. Zudem ist Kohle von zentraler Bedeutung ein kulturelles Symbol für Zuverlässigkeit und Sicherheit. Laut Joanna Lewis, einer außerordentlichen Professorin für Energie und Umwelt an der Georgetown University, befürchtet China, dass ein Ausstieg aus der Kohle zu einem erhöhten Risiko wirtschaftlicher und politischer Instabilität führen würde.

Die weltweite Kohleproduktion stieg 2022 um 8 Prozent auf einen Rekordwert von 8,634 Milliarden Tonnen. Die drei größten Produzenten - China, Indien und Indonesien - erreichten jeweils ein Rekordhoch. Die Kohleproduktion wurde vor allem von China und Indien angekurbelt, die ihre Produktion start erhöhten, um sich nach dem Preisanstieg im Oktober 2021 von den hohen Marktpreisen zu entlasten. Nach Angaben des National Bureau of Statistics (NBS) überschritt die chinesische Produktion im Dezember 2022 erstmals die Marke von 400 Millionen Tonnen in einem einzigen Monat.

Kohleverbrauch weltweit verharrt auf Rekordhoch

Nach der starken Volatilität und den hohen Preisen im letzten Jahr fielen die Kohlepreise in der ersten Jahreshälfte 2023 wieder auf das Niveau vom Sommer 2021, was auf das reichliche Angebot und die niedrigeren Erdgaspreise zurückzuführen ist. Die Preise für Kraftwerkskohle lagen wieder unter denen für Kokskohle, und der große Aufschlag für australische Kohle verringerte sich, nachdem das störende La-Niña-Wetter, das die Produktion behindert hatte, nachgelassen hatte. Russische Kohle hat neue Absatzmärkte jenseits von Europa gefunden, allerdings oft mit erheblichen Abschlägen.

Die billigere Kohle hat Importe für einige preissensible Käufer attraktiver gemacht. Die chinesischen Importe haben sich in der ersten Hälfte dieses Jahres fast verdoppelt, und der weltweite Kohlehandel wird 2023 voraussichtlich um mehr als 7 Prozent wachsen und damit das Wachstum der Gesamtnachfrage noch übertreffen, um sich dem Rekordniveau von 2019 anzunähern. Der Kohlehandel auf dem Seeweg könnte 2023 den Rekord von 1,3 Milliarden Tonnen aus dem Jahr 2019 übertreffen.

Die IEA prognostiziert, dass der Kohleverbrauch im laufenden Jahr 2023 auf einem Rekordniveau bleiben wird. Die Verlagerung der Kohlenachfrage nach Asien wird sich fortsetzen. Schon im Jahr 2021 entfielen zwei Drittel des weltweiten Verbrauchs auf China und Indien. Im Jahr 2023 wird sich ihr Anteil auf fast 70 Prozent belaufen. Im Gegensatz dazu machen die USA und die Europäische Union, auf die vor drei Jahrzehnten 40 Prozent und noch zu Beginn dieses Jahrhunderts über 35 Prozent entfielen, heute weniger als 10 Prozent aus.


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik DWN-Interview mit Ex-Militärberater Jörg Barandat: „Wasser und Energie sind untrennbar miteinander verbunden.“
19.05.2024

Wasser sollte nicht getrennt von anderen Faktoren wie Energie und Klima betrachtet werden, sagt Jörg Barandat, langjähriger Berater...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Im Sog der Krise: Chinas Immobilienbranche unter Druck
19.05.2024

Seit einigen Jahren belastet die Immobilienkrise China und beeinträchtigt das wirtschaftliche Wachstum. Die Geduld vieler Gläubiger...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft EU-Kommission unterstützt Lausitz: Auf dem Weg zum "Netto-Null-Valley"
19.05.2024

Wie kann man ohne die Freisetzung von Treibhausgasen produzieren? Das Kohlerevier in der Lausitz strebt danach, als Modellregion in Europa...

DWN
Politik
Politik 75 Jahre Europarat: Ein Jubiläum in turbulenten Zeiten
19.05.2024

Der einst stolze Europarat feiert sein 75-jähriges Bestehen, doch das Jubiläum findet inmitten von Krisen und Unsicherheit statt,...

DWN
Finanzen
Finanzen P2P-Kredite als alternative Geldanlage: Chancen und Risiken
19.05.2024

P2P-Kredite sind eine aufstrebende Anlageklasse, die Privatpersonen ermöglicht, direkt in den Kreditbedarf anderer Privatpersonen zu...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Vom Erfolg zur Krise: Wie Adidas seine Dominanz im Sportmarkt verlor
19.05.2024

Adidas, einst ein Riese im Sportmarkt, kämpft nach katastrophalen Kooperationen und einem Börsenabsturz gegen den Aufstieg von Nike. Mit...

DWN
Finanzen
Finanzen Kreditanstalt für Wiederaufbau in der Kritik, nutzt Potenzial unzureichend
19.05.2024

Eine neue Studie der Stiftung Klimaneutralität zieht eine kritische Bilanz zur Rolle der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Demnach...

DWN
Politik
Politik Scholz verspricht Hilfe - Überschwemmungen im Saarland zeigen Naturgewalt
19.05.2024

Bundeskanzler Olaf Scholz besuchte Kleinblittersdorf im Saarland, um nach den heftigen Regenfällen und Überschwemmungen Hilfe zu...