Politik

EU-Zensurgesetz für Soziale Medien tritt in Kraft

Ab heute werden Inhalte in den Sozialen Medien systematisch kontrolliert und gegebenenfalls zensiert, Medienkonzernen drohen hohe Strafen.
25.08.2023 10:50
Aktualisiert: 25.08.2023 10:50
Lesezeit: 3 min
EU-Zensurgesetz für Soziale Medien tritt in Kraft
Das Gesetz über digitale Dienste der EU ist in Kraft getreten. (Bild: istockphoto.com/ookawa) Foto: ookawa

Heute tritt in der EU das „Gesetz über digitale Dienste“ in Kraft. Damit will die EU-Kommission gegen sogenannte „illegale“ Botschaften und Meinungen in den Sozialen Netzwerken vorgehen.

Bei solchen „illegalen“ Botschaften soll es sich beispielsweise um „Hassreden“ oder „Desinformation“ handeln. EU-Beamte entscheiden dabei, was „illegal“ ist und gelöscht werden muss.

Halten sich Konzerne wie Meta oder X nicht daran, können beträchtliche Strafen verhängt werden, die sich auf bis zu 6 Prozent des Jahresumsatzes belaufen.

Tichy’s Einblick schreibt zu dem neuen Gesetz:

Breton (der zuständige EU-Kommissar - die Red.) sagte in einem Interview mit dem französischen Nachrichtensender France Info, die EU-Kommission könne den Zugang zu sozialen Netzwerken wie TikTok, Twitter, Facebook, Instagram, YouTube und Snapchat auf der Grundlage dieses neuen Zensurgesetzes vollständig sperren lassen. Dies könne dann der Fall sein, wenn die Betreiber nicht gegen rechtswidrige Inhalte bei sozialen Unruhen vorgingen – und was rechtswidrig ist, bestimmt im Zweifel die EU.

»Wir hätten Teams, die sofort eingreifen könnten«, fuhr der Franzose fort. »Wenn die Verantwortlichen nicht sofort handelten, könnten wir nicht nur eine Geldstrafe verhängen, sondern auch den Betrieb der Plattformen auf unserem Territorium verbieten.« Die Kommission werde prinzipiell eine zentrale Aufsicht führen, um einen sogenannten Durchsetzungsstau in einzelnen Ländern zu verhindern.

Er hat bisher allerdings noch nicht seine demokratische Legitimation erklärt. Das verzweifelte Rezept der EU und Bretons: Bürger mundtot zu machen. Aber im Zeitalter von VPN und Proxy-Servern ein vergebliches Unterfangen. Eine neue Kommission wird viel aufzuräumen haben.

Die dpa beschreibt Art und Inhalte des Zensurgesetzes in einem Überblick folgendermaßen:

Wird es nun ungemütlich für die Tech-Giganten in der EU? Facebook, Google und viele andere müssen nach einem neuen Gesetz künftig schärfer gegen illegale Inhalte im Netz vorgehen, sonst drohen ihnen saftige Geldbußen. Von diesem Freitag an ist das Gesetz rechtlich durchsetzbar. Was sich konkret ändert:

Worum geht es überhaupt?

Die EU verabschiedete vergangenes Jahr ein Gesetz über digitale Dienste. Es soll sicherstellen, dass Plattformen und Suchmaschinen illegale Inhalte auf ihren Seiten schneller entfernen als bislang. Für Nutzer wird es wiederum einfacher, solche Inhalte zu melden. Grundsätzlich müssen große Dienste mehr Regeln befolgen als kleine.

Welche Unternehmen sind betroffen?

Zunächst sind sehr große Plattformen und Suchmaschinen mit mehr als 45 Millionen aktiven Nutzern im Monat betroffen. Für sie gelten strengere Vorgaben als für kleinere Unternehmen. Denn aus Sicht der EU geht von ihnen ein besonders großes Risiko für die Gesellschaft aus.

Die Europäische Union hatte im April 19 Unternehmen als «sehr große Online-Plattformen» und «sehr große Online-Suchmaschinen» eingestuft. Dazu zählen etwa X (früher Twitter), Facebook, Instagram, Tiktok und mehrere Google-Dienste, aber auch Zalando, Wikipedia, Booking.com, der Amazon-Marketplace und der App Store von Apple. Sie hatten nun vier Monate Zeit, die Vorgaben der EU umzusetzen.

Was ändert sich genau?

Geschäftsbedingungen müssten künftig so formuliert sein, dass jedes Kind sie verstehe, sagt ein EU-Beamter. Online-Marktplätze wie Amazon oder Alibaba AliExpress sollen zum Beispiel Angebote von gefälschter Kleidung oder gefährliche Spielzeuge so gut wie möglich entfernen und Käuferinnen und Käufer entsprechend warnen.

Plattformen und Suchmaschinen müssen nicht nur illegale Beiträge schneller löschen als bislang - sie erstatten künftig auch der EU-Kommission detailliert Bericht, welche Risiken für die Bürgerinnen und Bürger in Europa bestehen. Snapchat oder Youtube müssen also zum Beispiel prüfen, ob ihr Angebot Cybergewalt fördert, die Meinungsfreiheit untergräbt oder sich ihr Algorithmus negativ auf die menschliche Psyche auswirkt. Entsprechend müssen die Unternehmen dann Maßnahmen ergreifen.

Was ist mit Werbung?

Verboten werden auch gezielte Anzeigen, wenn sie auf sensiblen Daten wie der Religion oder politischen Überzeugungen basieren. Personenbezogene Daten von Kindern und Jugendlichen dürfen zu Werbezwecken nicht mehr gesammelt werden. Außerdem soll die Geheimniskrämerei der Plattformen beschränkt werden: Sie müssen künftig mehr Informationen über ihre Arbeitsweise preisgeben. Nach Angaben eines EU-Beamten werden viele der Änderungen für Verbraucherinnen und Verbraucher nicht sofort sichtbar sein, sondern eher im Hintergrund ablaufen. Der Langzeiteffekt dürfe aber nicht unterschätzt werden.

Was sagen die Konzerne?

Meta mit seinen Flaggschiffen Facebook und Instagram hat allein für die Arbeit rund um den Digital Services Act (DSA) ein Team von 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammengestellt. Google versprach mehr Transparenz - unter anderem in den Richtlinien sowie mit zusätzlichen Informationen über die Ansprache einzelner Zielgruppen bei Werbeanzeigen. Auch soll es neue Werkzeuge für den Datenzugang von Forschenden geben.

Tiktok hatte bereits vor einigen Wochen angekündigt, für Nutzerinnen und Nutzer in der EU einen alternativen, weniger personalisierten Algorithmus einzuführen und mehr Transparenz hinsichtlich Werbeanzeigen auf der Plattform zu gewähren.

Aber nicht alle Tech-Giganten wollen die Regeln einfach so hinnehmen. Amazon und Zalando haben bereits Klagen eingereicht. Sie sehen sich zu Unrecht als «sehr große Online-Plattformen» eingestuft und argumentieren, dass die Regeln für sie als Händler nicht gelten sollten. Andere Klagen könnten folgen.

Wie geht es nun weiter?

Sollten die Konzerne die Vorgaben nicht einhalten, droht ihnen eine Strafe von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Der zuständige EU-Kommissar Thierry Breton hob am Donnerstag hervor: «Die Einhaltung des DSA ist keine Strafe - es ist eine Möglichkeit für Plattformen, ihre Vertrauenswürdigkeit zu stärken.» Ab Februar 2024 gelten die Regeln auch für kleinere Digitalunternehmen.

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