Welche Vorteile moderne digitale Beschaffung bietet und welche Lösungen es für Betriebe unterschiedlicher Größen gibt, darüber spricht E-Procurement-Experte Rainer Prölß im Interview.
Was sind derzeit die größten Pain-Points im Einkauf, die sich auf die Entwicklungs- und Instandhaltungsabteilungen sowie die Produktion auswirken?
Die Herausforderungen sind vielfältig. Zu den bereits genannten Lieferschwierigkeiten gesellen sich aktuelle Nachhaltigkeitsziele und rechtliche Regularien, wie etwa das neue Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz, die weitere Anforderungen mit sich bringen. Die Einkaufsverantwortlichen müssen den Balanceakt zwischen Qualitätssicherung, Versorgungssicherheit und Kosteneinsparung meistern und gleichzeitig dem Tagesgeschäft „Beschaffen” nachkommen. Wartezeiten müssen bestmöglich vermieden und Planungssicherheit hergestellt werden.
Als E-Procurement-Experte sorgen sie bei Conrad Electronic dafür, Geschäftskunden bei der Optimierung ihrer Beschaffung zu unterstützen. Wie genau sieht das Angebot aus?
Als B2B-Beschaffungsplattform wollen wir für unsere Geschäftskunden den Einkauf von technischem Bedarf und elektronischen Komponenten vereinfachen. Conrad feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen. Dementsprechend können wir auf ein international bestens vernetztes Lieferantennetzwerk zurückgreifen. Dazu kommt unser Marketplace, über den wir Zugriff auf über zehn Millionen Produktangebote ermöglichen und damit ein breites und tiefes Sortiment passgenau zu den individuellen Kundenanforderungen bereitstellen. Unser Ziel ist es also, ein verlässlicher Lösungsanbieter zu sein, der Unternehmen einfache und schnelle Beschaffung aus einer Hand ermöglicht.
Wie lässt sich moderner Einkauf in die Tat umsetzen?
Die Schlüsselbegriffe hierfür lauten Digitalisierung und Automatisierung. Gerade im Bestellprozess von C-Teilen ist die Einführung einer elektronischen Beschaffung bzw. E-Procurement-Lösung ein Level-Up im Einkauf. Im Kern geht es darum, Prozesse und Workflows zu beschleunigen und dafür zu sorgen, dass alle am Prozess Beteiligten die jeweils notwendigen Informationen mit einem Klick parat haben.
Welche verschiedenen Wege der Materialbeschaffung gibt es – gerade auch für Betriebe unterschiedlicher Größen?
Größere Unternehmen mit eigenem ERP-System können sich per Open Catalog Interface (OCI) an die Conrad Sourcing Platform anbinden. So erhält der Einkauf in seiner Systemlandschaft Zugriff auf einen webbasierten Katalog. Dort kann er seinen Warenkorb erstellen und in sein ERP oder seine Procurement-Lösung übertragen (PunchOut). Per EDI, also elektronischen Datenaustausch, können zudem auch nach dem Bestellvorgang Nachrichten automatisiert ausgetauscht werden, wie etwa Bestellbestätigung, Lieferschein, Zahlungsavis oder Rechnung.
Und wie sieht die Lösung für kleinere Betriebe aus?
Unternehmen ohne eigenes ERP-System können unser kostenfreies Tool Conrad Smart Procure nutzen. Mit dieser browserbasierten E-Procurement-Lösung können Teams über verschiedene Abteilungen hinweg ihren eigenen Bedarf über einen zentralen Account decken. Gleichzeitig behalten Vorgesetzte oder Einkaufsverantwortliche dank Freigabeworkflows und Analyse-Dashboard immer und überall den vollen Überblick.
Welche Vorteile bringen diese Formen der elektronischen Beschaffung im Vergleich zu herkömmlichen Webshops?
Der größte Vorteil ist, dass Einkaufsprozesse an die Unternehmensstruktur angepasst werden können. Durch digitale Freigabeworkflows mit dediziertem Rollenmanagement entstehen mehr Flexibilität und Geschwindigkeit. Dabei werden Daten in Echtzeit übermittelt, was eine schnelle Abwicklung der Bestellung ermöglicht und Fehler minimiert. So kann durchschnittlich mit bis zu 30% Einsparung bei den Prozesskosten gerechnet werden.
Was ändert sich mit der Nutzung von E-Procurement für das Unternehmen beziehungsweise für den klassischen Einkäufer von Bauteilen, Komponenten oder Werkzeugen?
Das Team im Einkauf gewinnt Zeit für wichtigere Themen, um den aktuellen Herausforderungen in der Beschaffung zu begegnen, Preis- und Konditionsverhandlung mit neuen Lieferanten zu führen und ausführliche Marktanalyse zur Beschaffung neuer Bauteile durchzuführen. Und natürlich wird durch einen verschlankten und konsolidierten Beschaffungsprozess auch Maverick Buying reduziert und somit vermieden, dass Artikel am Einkauf vorbei bestellt werden.
Wie schafft es Conrad die Lösung, in ERP-Systemen, Finanzbuchhaltung und Rechnungswesen zu integrieren?
Ein eigenständiges Team arbeitet direkt mit unseren Geschäftskunden zusammen, um eine ideale Integration in deren Systeme und einen reibungslosen Prozess möglich zu machen. Interessierten Unternehmen mit eigenem ERP-System stehen also zum einen unsere Kundenbetreuer*innen zur Verfügung, welche die jeweils gegebenen Voraussetzungen prüfen und Kundenanforderungen passgenau bearbeiten. Geschäftskunden können aber auch auf unseren OCI-Selfservice zurückgreifen und sich ihren OCI-Shop eigenständig konfigurieren. Das alles ist kostenfrei und einfach zu finden unter conrad.de/oci.
Können Sie ein kurzes Praxisbeispiel geben, wie Ihre E-Procurement-Lösungen ein Unternehmen geprägt haben?
Ein gutes Beispiel ist die junge Tochterfirma eines Energieversorgers, mit der wir eine E-Procurement-Anbindung an unseren Shop realisiert haben. Status quo in diesem Unternehmen waren aufwändige manuelle Bestellprozesse, die gut und gerne mal sieben bis acht Schritte erforderten: Es ging los mit der Bedarfsermittlung. Dann muss die Anfrage per Mail gestellt und bei uns erfasst werden. Wir erstellen daraufhin ein Angebot und schicken es per Mail wieder zurück. Dort wird es vom Kunden geprüft und anschließend die Bestellung erfasst. Und schließlich ist es an den Verantwortlichen der Muttergesellschaft, sich alle Bestandteile in ihrer Procurement-Lösung zusammenzusuchen und die Bestellung aufzugeben. Alles in allem also ein Riesenaufwand.
Und wie konnte Conrad hier unterstützen?
Erleichterung brachte in diesem Fall unsere browserbasierte Lösung Conrad Smart Procure, durch die der Zeit- und Personalaufwand beim Bestellprozess entfällt. Denn seitdem können die Einkaufsverantwortlichen die individuellen Konditionen und Live-Bestände der gewünschten Produkte direkt im System einsehen und dort ihre Bestellung vornehmen.
Der Einkauf von elektronischen Komponenten wird auch in Zukunft problematisch bleiben. Welche Pläne haben Sie für Ihre E-Procurement-Lösungen?
Natürlich wollen wir unser Online-Angebot weiter ausbauen: Das bedeutet zum einen eine stetige Anpassung der Systeme an den neuesten Stand der Technik und zum anderen die fortlaufende Erweiterung unserer Sortimente für die Deckung der Kundenbedarfe an einem Ort. Und wir setzen weiterhin auf Internationalisierung: Nach dem Launch des Conrad Marketplace 2017 in Deutschland, ist 2021 unser Marktplatz in Österreich gestartet. Vergangenes Jahr kamen die Niederlande und Italien dazu. Weitere Länder werden folgen. Im Zuge dieser Internationalisierung haben wir auch das Thema Cross-Border-Beschaffung im Blick und auch hier ist E-Procurement ein wesentlicher Bestandteil für moderne und zukunftsweisende Beschaffung über Landesgrenzen hinweg.
Weitere Informationen dazu: conrad.de/eproc