Politik

Aserbaidschan beginnt Krieg zur Eroberung von Berg-Karabach

Aserbaidschan hat eine militärische Operation zur Rückeroberung des armenisch bewohnten Gebietes Arzach begonnen.
19.09.2023 13:44
Aktualisiert: 19.09.2023 13:44
Lesezeit: 3 min
Aserbaidschan beginnt Krieg zur Eroberung von Berg-Karabach
Aserbaidschan hat eine militärische Operation zur Rückeroberung des armenisch bewohnten Gebietes Arzach begonnen. Grafik: istockphoto.com/Andrzej Rostek) Foto: Andrzej Rostek

Im Südkaukasus hat die Ex-Sowjetrepublik Aserbaidschan einen neuen Militäreinsatz zur Eroberung der Konfliktregion Berg-Karabach gestartet. Das Verteidigungsministerium in Baku sprach am Dienstag zur Begründung von einer «Antiterroroperation lokalen Charakters zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung» in der Region.

Der Mitteilung aus Baku zufolge dient der Militäreinsatz dazu, den nach dem letzten Berg-Karabach-Krieg 2020 im Waffenstillstand festgeschriebenen Rückzug armenischer Truppen aus dem Gebiet durchzusetzen. Es werde nur auf militärische Ziele geschossen, behauptete das aserbaidschanische Verteidigungsministerium. Den Angaben aus Baku zufolge wurden zuvor zunächst eigene Stellungen von armenischer Artillerie angegriffen und mehrere Soldaten verletzt.

Der frühere Regierungschef der international nicht anerkannten Republik Arzach in Berg-Karabach, Ruben Wardanjan, berichtete hingegen auf seinem Telegram-Kanal von massivem Artilleriefeuer auf das Gebiet. «Die Führung von Armenien muss Arzach anerkennen und sich dem Schutz unserer Bürger anschließen», forderte er als Konsequenz.

Die Anschuldigungen aus Baku wies auch die aktuelle Führung der Konfliktregion um die Hauptstadt Stepanakert zurück. Die Verteidigungskräfte hielten sich an den Waffenstillstand, teilte das Verteidigungsministerium von Arzach in einer Pressemitteilung mit. Der Vorwurf, die Feuerpause gebrochen und zwei aserbaidschanische Soldaten verletzt zu haben, sei «erlogen und entspricht nicht den Tatsachen», heißt es in einer Mitteilung.

Das christlich-orthodoxe Armenien und das muslimische Aserbaidschan sind seit langem verfeindet. Größter Zankapfel zwischen Eriwan und Baku ist die Enklave Berg-Karabach, die zu Aserbaidschan gehört, aber von Armeniern bewohnt wird. Nach einem Krieg Anfang der 1990er Jahre hatte zunächst Armenien die Oberhand. In einem zweiten Krieg 2020 siegte das mit Geld aus dem Öl- und Gasgeschäft hochgerüstete Aserbaidschan und eroberte eigenes Territorium zurück.

In kürzeren Militäraktionen danach besetzte Baku auch etwa 150 Quadratkilometer armenisches Staatsgebiet. Das Außenministerium von Armenien verlangte in der vergangenen Woche, dass Aserbaidschan diese Gebiete räume. Baku erwiderte, dass Armenien immer noch acht aserbaidschanische Dörfer besetzt halte.

Baku blockiert seit Monaten die Verbindung der etwa 120 000 Karabach-Armenier nach Armenien. In dem Gebiet fehlt es an Lebensmitteln und Medikamenten.

Aserbaidschan wird in dem Konflikt von der Türkei unterstützt, während Russland als traditionelle Schutzmacht Armeniens an Einfluss verliert. «Infolge der Ereignisse in der Ukraine haben sich die Möglichkeiten Russlands verändert», sagte kürzlich Regierungschef Paschinjan in einem Interview mit dem US-Medium Politic». Sein Land wolle künftig vermeiden, von äußeren Beschützern abhängig zu sein. Zudem wurde eine Annäherung an die USA eingeleitet.

EU und Russland rufen zur Deeskalation auf

Die Europäische Union hat den aserbaidschanischen Militäreinsatz verurteilt. «Wir fordern ein sofortiges Ende der Feindseligkeiten und rufen Aserbaidschan auf, die derzeitigen militärischen Aktivitäten einzustellen», teilte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Dienstag mit.

Der Dialog zwischen der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku und den Karabach-Armeniern müsse dringend wieder aufgenommen werden. Die militärische Eskalation dürfe nicht als Vorwand dienen, um die Abwanderung der lokalen Bevölkerung zu erzwingen, hieß es weiter.

Um auf Verhandlungsergebnisse hinzuarbeiten, bedürfe es eines echten Engagements aller Seiten, teilte Borrell weiter mit. Die EU bleibe uneingeschränkt engagiert, um den Dialog zu erleichtern.

Ähnlich äußerte sich auch EU-Ratspräsident Charles Michel, der die Nachrichten aus der Region zudem als niederschmetternd bezeichnete. Der Belgier hatte in den vergangenen Monaten kontinuierlich versucht, zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln.

Auch Russland hat zur Beendigung der Kämpfe aufgerufen. «Wir sind tief besorgt wegen der scharfen Eskalation der Lage in Berg-Karabach», sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, am Dienstag bei einem Pressebriefing zu der Auseinandersetzung um die Konfliktregion.

Das Blutvergießen und die Kämpfe müssten beendet und der Konflikt auf diplomatischem Weg gelöst werden. Sacharowa wies zugleich die in Armenien erhobenen Vorwürfe zurück, dass Russland in die Angriffspläne Aserbaidschans eingeweiht gewesen sei. Die dort stationierten russischen Truppen hätten erst Minuten vor dem Beginn des Militäreinsatzes davon erfahren, sagte sie.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Globale Handelsadern unter Beschuss: Wem gehören die Häfen der Welt?
02.08.2025

Im globalen Machtpoker um maritime Infrastruktur blockiert China die milliardenschwere Übernahme von CK Hutchinson-Terminals durch...

DWN
Panorama
Panorama Sommerferien 2025: Wer früher startet, erlebt mehr Sonne – wer später reist, profitiert anders
02.08.2025

Sommerferien sind heiß ersehnt – doch wann ist der beste Zeitpunkt für den Urlaub? Früh oder spät starten, Sonne oder Schnäppchen,...

DWN
Finanzen
Finanzen Lebensversicherung verkaufen: Wie Sie die Lebensversicherung zu Geld machen können
02.08.2025

Bei einem Verkauf der Lebensversicherung erhält man in aller Regel mehr Geld als bei einer Kündigung des Vertrags. Während der...

DWN
Technologie
Technologie LinkedIn ist das professionelle soziale Netzwerk: Doch etwas ist im Wandel
02.08.2025

LinkedIn galt lange als letzte seriöse Bastion im Netz – ein Ort für Karrieren, Netzwerkpflege und Fachlichkeit. Doch jetzt häufen...

DWN
Finanzen
Finanzen Warum nur 1 von 25 Aktien echten Wohlstand schafft
02.08.2025

Nur vier Prozent der Aktien schaffen es, den Markt nachhaltig zu schlagen – der Rest vernichtet langfristig Vermögen. Was Anleger jetzt...

DWN
Finanzen
Finanzen Immobilien-Crowdfunding-Falle: Anleger warnt vor Reinvest24
02.08.2025

Ein Investor schlägt Alarm: Zinsen bleiben aus, Geld verschwindet, Auskünfte gibt es keine. Der Fall der Plattform Reinvest24 zeigt, wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Fahrermangel in Europa: Fast die Hälfte der europäischen Lkw-Fahrer steht kurz vor der Pensionierung
02.08.2025

Europa droht eine stille Krise, die alle trifft: Hunderttausende Lkw-Fahrer gehen bald in Rente – doch kaum jemand will nachrücken....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chef des Superfonds Eifo zur chinesischen Windkraft-Offensive: „Ich bin besorgt“
02.08.2025

Chinas Windkraftkonzerne drängen mit Macht auf globale Märkte – und bedrohen nun auch Europas Energiewende. In Lateinamerika, Afrika...