Wirtschaft

Dank Russland: Weizen so billig wie zuletzt vor 3 Jahren

Eine zweite Rekordernte in Russland hat die globalen Weizen-Preise stark nach unten gedrückt. Analysten warnen nun aber vor einer Eskalation des Ukraine-Kriegs.
Autor
01.10.2023 09:20
Aktualisiert: 01.10.2023 09:20
Lesezeit: 2 min
Dank Russland: Weizen so billig wie zuletzt vor 3 Jahren
Große Teile der Welt freuen sich über billigen russischen Weizen. (Symbolbild: dpa) Foto: Leonardo Fernández

Am Freitag sind die Terminkontrakte für Weizen an der Rohstoffbörse in Chicago um 6,4 Prozent auf 5,41 Dollar pro Bushel gefallen. Ein Kontrakt umfasst 5.000 Bushel, was etwa 136 Tonnen entspricht. Damit liegen die Weizenpreise auf dem tiefsten Stand seit dem 28. September 2020. Die Weizenpreise waren zuvor bereits unter Druck geraten, weil es reichlich russische Lieferungen gab und die Ukraine trotz der russischen Angriffe auf Hafenanlagen Exportrouten gefunden hat.

Russlands zweite Rekordernte in Folge hat das Land zum Spitzenerzeuger von Weizen gemacht. Die riesige russische Ernte hat dazu geführt, dass die Weizenfutures in Chicago in den letzten drei Monaten um etwa 11 Prozent auf den tiefsten Stand seit drei Jahren gefallen sind. Über die guten Ernten freuen neben den betroffenen Bauern vor allem die Verbraucher in aller Welt. Rohstoffhändler hingegen hat die Entwicklung teils auf dem falschen Bein erwischt.

"Die Ereignisse rund um den Beginn des Ukraine-Konflikts haben gezeigt, dass die Welt heutzutage im Großen und Ganzen einen Weg gefunden hat, um Getreide zu den Menschen zu bringen, die es brauchen", zitiert Bloomberg Michael Whitehead, den Leiter des Bereichs Agrarwirtschaft bei ANZ Group Holdings. "Dies könnte das neue, niedrige Preisniveau für Weizen sein." Im Hinblick auf die Inflation sind dies offensichtlich gute Nachrichten.

Bloomberg hat berichtet, dass der Krieg in der Ukraine im vergangenen Jahr die Lebensmittelexporte aus dem Land behinderte und dazu beitrug, Russlands Vorherrschaft auf dem globalen Weizenmarkt zu festigen. "Wir haben gesehen, dass die Weizenpreise vor allem wegen Russland erheblich gesunken sind", sagte Michael Magdovitz, Senior Commodity Analyst bei der Rabobank.

Einige Analysten warnen jedoch, dass die Preise schnell wieder steigen könnten, wenn der Krieg auf das Schwarze Meer übergreifen sollte. Denn über die russischen Schwarzmeerhäfen werden etwa 70 Prozent der Weizenexporte abgewickelt. Diese aktuell niedrigen Weizenpreise an der Chicagoer Rohstoffbörse sind daher ein möglicher Einstiegspunkt für Händler, die auf einen Anstieg spekulieren.

Hintergrund des erneuten Preisrückgangs vom Freitag ist, dass die Weizenproduktion nach Angaben der US-Regierung über den Erwartungen der Analysten lag. Das Landwirtschaftsministerium schätzte die jetzt abgeschlossene Weizenernte in den USA auf 1,812 Milliarden Scheffel, 78 Millionen Scheffel mehr als eine frühere Schätzung und deutlich mehr als die durchschnittliche Analystenprognose von 1,729 Milliarden Scheffel in einer Umfrage von Reuters.

Freitag verzeichnete den stärksten prozentuale Rückgang der Weizen-Terminkontrakte an einem einzigen Tag seit Mitte März 2022, als die globalen Getreidemärkte einen Teil der Panikkäufe nach Russlands Einmarsch in der Ukraine abschüttelten. "Die Weizenbilanzen sind nicht annähernd so angespannt, wie es sich angedeutet hatte", sagt Karl Setzer, Leiter des Brokerage Research bei Mid-Co Commodities.

In einem separaten Bericht teilte das US-Landwirtschaftsministerium mit, dass die US-Weizenvorräte zum 1. September bei 1,780 Milliarden Scheffel lagen, was einen leichten Anstieg gegenüber dem Vorjahreswert von 1,778 Milliarden Scheffel bedeutet und die schwache Nachfrage nach US-Exporten widerspiegelt. "Es ist einfach eine weitere schlechte Nachricht", zitiert Reuters Rich Nelson, den Chefstrategen von Allendale.

Auch Sojabohnen-Futures schlossen am Freitag deutlich niedriger. Denn zwar fielen die Sojabohnenvorräte in den USA auf den niedrigsten Stand seit zwei Jahren, die Lagerbestände waren aber dennoch größer, als Analysten dies erwartet hatten. Die Chicagoer Terminkontrakte für Sojabohnen fielen um 25,5 Cents auf 12,75 Dollar pro Bushel. Der Rückgang bei Weizen und Soja zog die Maispreise ebenfalls um etwa 2,4 Prozent nach unten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Contrarian Thinking: Wie falsche Narrative unsere Wahrnehmung verzerren – und was das für Anleger bedeutet
09.11.2025

In einer Welt voller Empörung, Filterblasen und ideologischer Schlagzeilen lohnt sich ein zweiter Blick. Wer immer nur der öffentlichen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Verjährung von Urlaubsansprüchen: Wann Resturlaub verfällt – und wann nicht
09.11.2025

Urlaub verfallen? Von wegen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat klargestellt: Ohne klare Belehrung bleibt der Urlaubsanspruch bestehen –...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Die Zukunft der Chefetage: Warum mittleres Management an Bedeutung verliert
09.11.2025

Das mittlere Management verliert in vielen Unternehmen an Bedeutung. Wirtschaftliche Unsicherheit, neue Technologien und veränderte...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Wirtschaft unter Druck: Im Spannungsfeld zwischen China und USA
09.11.2025

Globale politische Spannungen und Handelskonflikte belasten derzeit Europas Wirtschaft. Militärische Krisen in der Ukraine und im Nahen...

DWN
Technologie
Technologie Autonomes Fahren in Europa: Pony AI testet Robotaxis mit Stellantis
09.11.2025

Europa steht vor einem neuen Kapitel der urbanen Mobilität. Technologische Entwicklungen und internationale Kooperationen treiben die...

DWN
Technologie
Technologie Phishing schlägt Firewalls: Warum Technik allein nicht schützt
09.11.2025

Firewalls, Verschlüsselung, Millionenbudgets – und doch reicht ein schwaches Passwort oder ein unbedachter Klick, um ein ganzes...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gaskraftwerke für Deutschland: Teuer, umstritten und auch politisch fragwürdig
08.11.2025

Können Wind und Sonne nicht genug erneuerbare Energien liefern, sollen bis zu 40 große Gaskraftwerke einspringen, die...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin, Ether und Co.: Wie Sie an der Börse sicher in Kryptowährungen investieren
08.11.2025

Wollen Sie Kryptowährungen kaufen? Dann müssen Sie dafür nicht auf irgendwelchen unseriösen Internetportalen herumsurfen. Kurse von...