Politik

Ende der Geduld: Polen stoppt Waffenlieferungen an Ukraine

Polen will die Ukraine nicht mehr mit Waffen versorgen und sich stattdessen auf die eigene Aufrüstung konzentrieren. Ist damit der Weg für Verhandlungen frei?
Autor
21.09.2023 09:47
Aktualisiert: 21.09.2023 09:47
Lesezeit: 3 min
Ende der Geduld: Polen stoppt Waffenlieferungen an Ukraine
Polens Ministerpräsident Morawiecki beendet die Waffenlieferungen an die Ukraine: Ende der Geduld oder nur Wahlkampf? (Foto: dpa) Foto: Pawel Supernak

Polen wird die Ukraine nicht mehr mit Waffen versorgen und sich stattdessen auf seine eigene Verteidigung konzentrieren, sagte der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki am Mittwoch. Dem Nachrichtensender Polsat News sagte er: "Wir liefern keine Waffen mehr an die Ukraine, weil wir uns jetzt selbst mit den modernsten Waffen ausrüsten." Vize-Ministerpräsident Jacek Sasin bekräftigte dies am Donnerstag dem Radiosender Plus. Es sei so, wie Ministerpräsident Morawiecki es gesagt habe, und man werde sehen, "was das für die Zukunft heißt".

Zuvor hatte die Ukraine im Streit um Getreideeinfuhren diese Woche sogar damit gedroht, einige polnische Lebensmittel zu verbieten, schien aber in der Folge davon Abstand zu nehmen, wie AP berichtet. Umgedreht hat Polen der Ukraine mit Importverboten für weitere Agrargüter gedroht. "Ich warne die ukrainischen Behörden", sagt der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki dem Sender Polsat News. Sollten sie den Konflikt eskalieren, könne Polen Einfuhrverbote für weitere Produkte verhängen.

Die Ukraine hat vor der Welthandelsorganisation (WTO) Beschwerde gegen die Nachbarländer Polen, die Slowakei und Ungarn eingereicht, weil sie die Einfuhr von Lebensmitteln aus der Ukraine untersagen. Zudem drohte die Ukraine mit Gegenmaßnahmen. Die drei EU-Staaten hatten erklärt, sie müssten ihre eigene Wirtschaft und ihre heimischen Landwirte schützen. Agrargüter zählen zu den wichtigsten Einnahmequellen der Ukraine. Wegen des Kriegs gegen Russland versucht die Ukraine, Produkte statt über das umkämpfte Schwarze Meer verstärkt über den Landweg zu exportieren.

Polen gehörte zu den stärksten Unterstützern der Ukraine, hat zahlreiche Waffen geliefert und humanitäre und finanzielle Hilfe gesandt. Doch im Streit um das Getreide hat die polnische Führung die Ukraine nun mit einem Ertrinkenden verglichen, der seinen Helfern weh tut, und nun offenbar die Reißleine gezogen. Ein möglicher Grund für den Wandel sind die Parlamentswahlen am 15. Oktober, wo die Regierung sich die Stimmen der Landwirte sichern will, für die der Import von ukrainischen Agrargütern eine Bedrohung darstellt.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Zelenskyy hatte am Dienstag in seiner Rede vor der UN-Generalversammlung in New York angedeutet, dass jene EU-Verbündeten, welche die Einfuhr von Getreide aus seinem Land verbieten, Russland helfen würden. "Es ist alarmierend, dass einige in Europa Solidarität in einem politischen Theater spielen und Getreide zu einem Thriller machen. Es mag so aussehen, als würden sie ihre eigenen Rollen spielen. In Wirklichkeit helfen sie, die Bühne für einen Moskauer Akteur zu bereiten", sagte er.

Das polnische Außenministerium bestellte daraufhin am Mittwoch den ukrainischen Botschafter ein, um gegen die Aussagen zu protestieren. Polens stellvertretender Außenminister, Pawel Jablonski, äußerte gegenüber dem ukrainischen Botschafter Vasyl Zvarych "starken Protest" gegen Zelenskyys Äußerungen vor der UN-Generalversammlung. Jablonski "wies darauf hin, dass diese Äußerungen aus polnischer Sicht unwahr sind und dass die Meinung gegenüber dem Land, das die Ukraine seit den ersten Tagen des Krieges unterstützt, ungerechtfertigt ist", schrieb das polnische Außenministerium in einer Erklärung.

Polen, Ungarn, die Slowakei und Kroatien haben den Import einiger ukrainischer Agrarerzeugnisse verboten, nachdem die EU eigentlich kürzlich beschlossen hatte, diese Beschränkungen aufzuheben. Kroatien schloss sich am Dienstag an, als Kiew ankündigte, mit einer WTO-Beschwerde zu reagieren. "Die Ukraine verhält sich wie ein Ertrinkender, der sich an alles klammert, was er kann ... aber wir haben das Recht, uns gegen den Schaden zu wehren, der uns zugefügt wird", sagte der polnische Präsident Andrzej Duda am Dienstag vor Reportern in New York, wo er an der UN-Generalversammlung teilnahm.

Das Zerwürfnis zwischen der Ukraine und einigen Staaten Osteuropas verdeutlicht, dass die Ukraine und ihre westlichen Nachbarn konkurrierende Agrarmächte. Dies könnte auch Kiews erhofften EU-Beitritt erschweren. Die Ukraine - ein weltweit bedeutender Lieferant von Weizen, Gerste, Mais und Pflanzenöl - hat wegen des Kriegs gegen Russland derzeit Schwierigkeiten, ihre Nahrungsmittel in andere Teile der Welt zu exportieren. So ist der Getreideexport durch das Schwarze Meer blockiert. Damit bleiben der Ukraine nur die teureren Routen durch Europa.

In Bulgarien hat die pro-russische Sozialistische Partei dem Parlament einen Vorschlag zum Verbot von Lebensmitteln aus der Ukraine vorgelegt. Bislang hat die Regierung lediglich den Import von Sonnenblumenkernen gestoppt, bis mit Kiew eine Quote vereinbart wird. Premierminister Nikolai Denkov kündigte die Maßnahme am späten Dienstag nach langen Gesprächen mit Landwirten an, die letzte Woche landesweit gegen die Entscheidung des Parlaments protestiert hatten, das Einfuhrverbot für ukrainische Produkte aufzuheben.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Blick aus China: Die USA haben an Bedeutung verloren, Zölle beeinträchtigen die Lieferketten nicht
18.04.2025

Die Bedeutung des US-Marktes für China habe in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen und mache heute nur noch 14 Prozent der...

DWN
Finanzen
Finanzen Milliardärsmanager fliehen aus US-Aktien: Der stille Countdown zur Rezession hat begonnen
17.04.2025

Eine neue Erhebung der Bank of America zeigt: Die Stimmung unter den großen Vermögensverwaltern kippt dramatisch. Während die Finanzwelt...

DWN
Politik
Politik Merz und EU offen für Tauruslieferung an Ukraine: Kreml warnt vor direkter Kriegsbeteiligung
17.04.2025

In der Opposition war Merz offen für eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Als voraussichtlicher Kanzler ist er das...

DWN
Panorama
Panorama Die Macht der WHO: Internationaler Pandemievertrag kommt
17.04.2025

Fünf Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie haben sich die WHO-Mitgliedstaaten auf ein Pandemieabkommen geeinigt. „Ich habe keinen...

DWN
Technologie
Technologie Mechanische Speicher als geopolitische Alternative: Lithium-Batterien geraten unter Druck
17.04.2025

Angesichts wachsender Abhängigkeit von China bei Lithium-Batterien rücken mechanische Energiespeicher in den Fokus. Eine...

DWN
Technologie
Technologie Japanisches Genie revolutioniert Energiewende – Supermagnet jetzt 20 Milliarden Euro wert
17.04.2025

Im globalen Wettrennen um Energiesouveränität und technologische Vorherrschaft hat sich ein unscheinbares Element als strategischer...

DWN
Politik
Politik Taiwan, Sanktionen und Respekt - China stellt klare Bedingungen für Handelsgespräche mit den USA
17.04.2025

China fordert mehr Respekt und klare Signale der USA, bevor Handelsgespräche beginnen – eine Einigung ist entscheidend für die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Steht das Verbrenner-Verbot vorm aus? Europas Rechte bläst zum Gegenschlag gegen EU-Establishment
17.04.2025

Konservative und rechte Kräfte im EU-Parlament wollen das Aus für Verbrennungsmotoren kippen – mit wachsender Unterstützung auch aus...