Wirtschaft

Wirtschaftsweise sehen Konjunktur weitaus skeptischer als Habeck

Die Wirtschaftsweisen erwarten auch für 2024 nur eine maue Konjunktur. Der Sachverständigenrat ist wesentlich skeptischer als Bundeswirtschaftsminister Habeck.
08.11.2023 15:54
Aktualisiert: 08.11.2023 15:54
Lesezeit: 2 min

Deutschland steuert den Wirtschaftsweisen zufolge in eine Rezession und bleibt 2024 konjunkturell schwach auf der Brust. Der Sachverständigenrat Wirtschaft erwartet in dem am Mittwoch vorgelegten Jahresgutachten für die Bundesregierung, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2023 um 0,4 Prozent sinkt. Damit deckt sich die Prognose mit der Vorhersage der Regierung. „Die konjunkturelle Erholung in Deutschland verzögert sich“, prophezeien die Top-Ökonomen. Bundeskanzler Olaf Scholz betonte bei der Entgegennahme des Gutachtens, die weltweite Nachfrage habe gelitten: „Wir müssen dafür sorgen, dass wir wieder auf die Spur kommen“. Es gehe um zukünftiges Wachstum: „Und das wollen wir 2024 wieder sehen.“

Für das kommende Jahr sind die Gutachter um die Münchner Ökonomin Monika Schnitzer jedoch wesentlich skeptischer als Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck: Der Grünen-Politiker geht von 1,3 Prozent BIP-Wachstum aus, der Rat erwartet nur ein Plus von 0,7 Prozent. Auch 2024 dürften die Lebenshaltungskosten in Deutschland laut Prognose des Rats noch um 2,6 Prozent nach oben gehen, nach einer Inflationsrate von geschätzt 6,1 Prozent im laufenden Jahr. Bis Ende 2024 werden sich die privaten Konsumausgaben demnach angesichts der wieder steigenden realen Einkommen erholen, heißt es in dem Jahresgutachten: „Die unerwartet schleppende Erholung der Weltwirtschaft, insbesondere Chinas, dürfte sich aber fortsetzen und auch im Jahr 2024 die deutschen Exporte bremsen.“

„Prognose Realistischer“

„Angesichts der aktuell verfügbaren Daten ist die Prognose realistischer als jene der Bundesregierung und der Gemeinschaftsdiagnose, die noch vor wenigen Wochen von einem deutlich stärkeren Plus für das kommende Jahr ausgegangen sind“, sagte Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Mit den Zahlen zeige sich, „wie brutal“ der Energie- und Nahrungsmittelpreisschock die deutsche Wirtschaft getroffen habe und wie stark diese Belastungen noch nachwirkten.

Deutschland wird dieses Jahr nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) als einzige große Volkswirtschaft schrumpfen. Die Wirtschaftsweisen sehen mit Blick auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes dringenden Reformbedarf. Um das Potenzialwachstum Deutschlands wieder spürbar auszuweiten, seien Maßnahmen für mehr Produktivitätswachstum und Investitionen genauso notwendig wie ein höheres Arbeitsvolumen. Der Sachverständigenrat schlägt unter anderem höhere Ausgaben im Bildungsbereich und den Ausbau von Forschungsförderung - etwa bei Künstlicher Intelligenz - vor. Das inländische Arbeitsvolumen könne durch bessere Möglichkeiten und Anreize zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gesteigert werden. „Eine erleichterte Erwerbszuwanderung und Integration von Zugewanderten hilft, die Zahl der inländischen Erwerbspersonen auszuweiten“, lautet das Fazit des Expertengremiums, dem neben der Vorsitzenden Schnitzer auch die Ratsmitglieder Veronika Grimm, Ulrike Malmendier, Achim Truger und Martin Werding angehören.

Ruf nach Rentenreform

Die Wirtschaftsweisen dringen angesichts der alternden Bevölkerung zudem auf eine langfristig orientierte Reform der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV). Den Experten schwebt eine Dynamisierung des Renteneintrittsalters vor, die an der absehbar steigenden Lebenserwartung ansetzt. Kernelemente der Reform sollten die „Kopplung des gesetzlichen Renteneintrittsalters an die fernere Lebenserwartung, kombiniert mit einer neuen Form der ergänzenden, kapitalgedeckten Altersvorsorge sein“. Eine konkrete Zahl nannten die Fachleute im Gutachten nicht.

Die Altersgrenze für die Regelaltersrente ohne Abschläge wird nach den geltenden Regeln bis 2031 bereits schrittweise auf 67 Jahre angehoben. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat sich gegen eine weitere Erhöhung ausgesprochen. Das würde aus seiner Sicht zu Lasten der jüngeren Generation gehen, die nach den Babyboomern in Rente geht. (Reuters)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Mithilfe des GENIUS Act und grüner Energie ermöglichen wir ein neues, konformes, sicheres und umweltfreundliches digitales Vermögenserlebnis.

Sind Sie es leid, jeden Tag den Markt zu beobachten? Erfahrene Anleger nutzen die IOTA Miner-App, um jeden Tag ganz einfach ein passives...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas China-Illusion zerplatzt: Handelskammer-Chef warnt vor „Verkehrsunfall in Zeitlupe“
06.08.2025

Chinas Industrie erobert trotz westlicher Gegenwehr immer größere Teile des Weltmarktes – getrieben von Deflation, Währungsrückenwind...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis: Trumps Politik und geopolitische Spannungen treiben Goldnachfrage in Deutschland
06.08.2025

Wer vom steigenden Goldpreis profitieren will, denkt oft an physisches Gold. Doch es gibt eine spannende Alternative: Aktien von...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tariftreuegesetz: Das nächste Bürokratiemonster für Unternehmen kommt
06.08.2025

Das Kabinett hat das Tariftreuegesetz durchgewunken. Das Gesetz soll sichern, dass öffentliche Aufträge nur an Unternehmen gehen, die...

DWN
Finanzen
Finanzen Pharma-Aktien im Ausverkauf: Politische Risiken eröffnen langfristige Einstiegschancen
06.08.2025

Trotz stabiler Nachfrage und solider Bilanzen geraten Pharma-Aktien 2025 ins Hintertreffen. Grund ist die Rückkehr Donald Trumps ins...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Stellenangebote: Vonovia sucht händeringend 2800 neue Mitarbeiter 
06.08.2025

Dass Unternehmen den Abbau tausender Stellen ankündigen, ist seit langem tägliche Realität in Deutschland. Währenddessen sucht der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Panzer statt Autos: Schaeffler will in die Rüstungsindustrie einsteigen
06.08.2025

Miese Zahlen beim Autozulieferer: Schaefflers Umsatz und Gewinn schwächeln. Jetzt prüft der Automobil- und Industriezulieferer, ob sich...

DWN
Politik
Politik Polen: Präsident Karol Nawrocki legt Amtseid ab - kommt jetzt ein Kurswechsel für die EU?
06.08.2025

Karol Nawrocki wird heute als neuer Präsident Polens vereidigt. Der PiS-nahe Historiker kündigt eine harte Konfrontation mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Personalabbau – nach Automobil- und Chemieindustrie trifft es jetzt die Pharmabranche
06.08.2025

Alarmstimmung in der Pharmabranche: Rund 4.000 Menschen protestierten in Marburg gegen Stellenstreichungen in der Pharmabranche. Betroffen...