Politik

Habeck hält Schuldenbremse nicht mehr für zeitgemäß

Nachdem der Haushalt der Ampel für verfassungswidrig erklärt wurde, sucht die Regierung nun nach einem Ausweg. Bundeswirtschaftsminister Habeck fordert ein Aussetzen der Schuldenbremse.
21.11.2023 12:14
Aktualisiert: 21.11.2023 12:14
Lesezeit: 3 min
Habeck hält Schuldenbremse nicht mehr für zeitgemäß
Bundeswirtschaftsminister Habeck hält die Schuldenbremse für "zu wenig intelligent". (Foto: dpa) Foto: Martin Schutt

Nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts sperrt das Finanzministerium (BMF) zahlreiche Posten im Bundeshaushalt. „Das BMF stoppt die Verpflichtungsermächtigungen in 2023, um Vorbelastungen für kommende Jahre zu vermeiden“, hieß es am Montagabend aus Kreisen des Ministeriums. Dies betreffe Etats aller Ministerien. Eine Verpflichtungsermächtigung gibt einer Verwaltung die Möglichkeit, bereits für künftige Jahre Zahlungsverpflichtungen einzugehen, etwa bei mehrjährigen Vorhaben. Aktuelle Ausgaben in diesem Jahr sind demnach nicht betroffen.

Weiter hieß es, bestehende Verbindlichkeiten würden weiter eingehalten, es dürften nur keine neuen eingegangen werden. „In Ausnahmefällen können Verpflichtungsermächtigungen entsperrt werden.“

Die Ampel-Koalition ringt weiter um den Umgang mit dem Urteil aus Karlsruhe. Die SPD bekräftigt ihre Forderungen nach einem Aussetzen der Schuldenbremse, um das 60-Milliarden-Euro-Finanzloch zu stopfen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist zwar ebenfalls kein Verfechter der Schuldenbremse, sieht für Änderungen aber keine Mehrheiten.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in der vergangenen Woche eine Umwidmung von Krediten von 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 für nichtig erklärt. Sie waren zur Bewältigung der Corona-Krise genehmigt worden, sollten aber für Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden. Nun stehen die Milliarden im sogenannten Klima- und Transformationsfonds nicht zur Verfügung. Die Bundesregierung hatte daraufhin bereits vorübergehend bestimmte Vorhaben auf Eis gelegt, die aus dem Fonds finanziert werden sollten. Dabei ging es um Verpflichtungsermächtigungen für 2024 und die Folgejahre.

An diesem Dienstag sollen Experten sollen Bundestag und Bundesregierung helfen, die Folgen des Karlsruher Haushaltsurteils richtig zu interpretieren. Der Haushaltsausschuss hört dazu Sachverständige an, die von den unterschiedlichen Fraktionen benannt wurden. Vor allem soll es darum gehen, ob trotz des Urteils der Haushalt für 2024 beschlossen werden kann.

Um die Auswirkungen des Haushaltsurteils abzumildern, hält SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich ein Aussetzen der Schuldenbremse für notwendig - mindestens für das Jahr 2024. „Wir werden aus meiner Sicht nicht darum herumkommen, für 2024 die Ausnahmeregel zu ziehen - womöglich auch länger“, sagte Mützenich dem Magazin „Stern“. „Die Aufgaben, die vor uns stehen, sind ja nicht nächstes Jahr erledigt. Vor uns liegen gewaltige Herausforderungen, bei der Klimawende, der neuen Industriepolitik, aber auch außenpolitisch.“ Zuvor hatte bereits SPD-Chefin Saskia Esken dafür plädiert, die Schuldenbremse 2023 und 2024 nicht anzuwenden.

Bundeswirtschaftsminister Habeck hält die Schuldenbremse in der aktuellen Form für nicht mehr zeitgemäß, sieht aber keine Mehrheiten für eine Reform. „Ich persönlich mache keinen Hehl daraus, dass ich die Art, wie die deutsche Schuldenbremse konstruiert ist, für zu wenig intelligent halte“, sagte Habeck am Montagabend in den ARD-„Tagesthemen“. Sie sei „sehr statisch“ und unterscheide nicht zwischen Geldern, die im Laufe des Jahres ausgegeben werden, und Investitionen in die Zukunft, die sich erst nach Jahren rechnen. Das scheine ihm wenig klug, sagte der Grünen-Politiker.

Die Schuldenbremse „wurde auch gebaut in einer anderen Zeit, als wir immer billiges Gas aus Russland hatten, als China immer unsere Werkbank war oder unser Abnahmemarkt, als die Amerikaner immer verlässliche, treue Freunde waren und uns die militärische Last abgenommen haben, weil es keinen Krieg in Europa gab“, sagte Habeck. Diese Voraussetzungen hätten sich verändert.

Die Debatte um die Schuldenbremse helfe in diesem Jahr trotzdem nicht weiter. „Es gibt einen Koalitionsvertrag, der Koalitionspartner und auch die Opposition hat klar gemacht, dass sie meine Meinung und die von vielen anderen, von vielen Ökonomen nicht teilen. Insofern ist das eine für die Zukunft wahrscheinlich entscheidende, vielleicht eine ganz entscheidende Debatte. Für die Gegenwart werden wir das Geld anders finden müssen“, sagte der Wirtschaftsminister.

Ein Vorschlag kommt von Linksfraktionschef Dietmar Bartsch - er forderte eine „Klimareichensteuer“. „Nach dem Urteil aus Karlsruhe darf es keine Sozialkürzungen geben, um das 60-Milliarden-Loch zu stopfen“, sagte Bartsch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstag). Nicht die „kleinen Leute“, sondern Multimillionäre und Milliardäre sollten herangezogen werden, um Deutschland zu modernisieren. Weitere Einsparungen wären beim Sondervermögen für die Bundeswehr möglich, das die Linke ablehnt. Es solle auf den Prüfstand gestellt und relevant reduziert werden, forderte Bartsch. (dpa)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Finanzielles Notfallpaket: So sichern Sie Ihr Vermögen in Krisenzeiten
15.11.2025

In Zeiten wachsender Unsicherheiten rückt neben Notvorräten und Fluchtplänen auch die finanzielle Absicherung in den Fokus. Marek...

DWN
Politik
Politik Für einen Kampfjet braucht es 400 Kilogramm seltene Erden: Europa im Wettbewerb mit China und den USA
15.11.2025

Seltene Erden sind zu einem entscheidenden Faktor in globalen Machtspielen geworden und beeinflussen Industrie, Verteidigung und Hightech....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Klassengesellschaft 2.0 – Warum Demokratie ohne soziale Gleichheit zerbricht
15.11.2025

In Deutschland redet kaum jemand über Klassen – als wäre soziale Herkunft heute keine Machtfrage mehr. Doch die Soziologin Prof. Nicole...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzblasen 2025: Wo der nächste große Crash drohen könnte
15.11.2025

An den Finanzmärkten steigt die Nervosität. Künstliche Intelligenz treibt Bewertungen auf Rekordhöhen, Staaten verschulden sich wie nie...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienpreise: Boom zu Neuverträgen – eine Prognose
15.11.2025

Laut ifo sind Neuverträge in Großstädten um 48 Prozent teurer als Bestandsverträge. Das, so Experten, ist nicht nur ein Problem für...

DWN
Finanzen
Finanzen So profitiert Trumps Familie im Kryptosektor: CZ-Deals bringen Milliarden
14.11.2025

Der Fall um Čangpeng Žao und die Trump Familie wirft ein Schlaglicht auf die Verknüpfung von Kryptowährungen, Finanzströmen und...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Brauanlagen-Hersteller Kaspar Schulz: „Made in Germany ist Teil unserer Markenidentität“
14.11.2025

Kaspar Schulz ist der älteste Braumaschinen-Hersteller der Welt. Seit 1677 produziert der Traditionsbetrieb in Bamberg. Johannes...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Google investiert: 6,41 Milliarden Dollar für Deutschlands Cloud-Infrastruktur
14.11.2025

Google plant eine milliardenschwere Expansion seiner Cloud-Infrastruktur in Deutschland, um seine Rechenzentren auszubauen und die Präsenz...