Wirtschaft

Deutsche Wirtschaft erwartet Schlimmes

Die deutsche Wirtschaft rechnet laut IW-Umfrage auch im kommenden Jahr nicht mit einem Aufschwung. IW-Konjunkturchef Michael Grömling spricht von „ökonomischem Stillstand“.
04.12.2023 11:01
Aktualisiert: 04.12.2023 11:01
Lesezeit: 3 min

Die deutsche Wirtschaft rechnet auch im kommenden Jahr nicht mit einem Aufschwung. Nur 23 Prozent der Unternehmen blicken positiv auf 2024, während 35 Prozent negative Erwartungen haben, wie aus einer Umfrage des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln) unter mehr als 2200 Betrieben hervorgeht.

Die Konjunkturumfrage signalisiere damit "eine Fortsetzung der ökonomischen Schockstarre in Deutschland", heißt es in der Studie, die der Nachrichtenagentur Reuters am Montag vorlag. Die Geschäftserwartungen seien auf das Niveau von Herbst 2022 zurückgefallen, das von Energiepreisschocks, hoher Inflation und der Gefahr einer Energiemangellage geprägt war.

"Die im Gefolge der russischen Invasion in der Ukraine stark angestiegenen Energiepreise, die damit einhergehende allgemeine Verteuerung, die geopolitischen Verunsicherungen und die deutlich nachlassende Dynamik der Weltwirtschaft erklären den ökonomischen Stillstand hierzulande", so die Forscher um IW-Konjunkturchef Michael Grömling.

Das hat Folgen für Arbeitsplätze und Investitionen. Jedes fünfte Unternehmen rechnet im kommenden Jahr mit mehr Beschäftigten, 35 Prozent dagegen mit weniger, während 45 Prozent ihre Belegschaft stabil halten wollen. "Dies signalisiert, dass der über lange Zeit erfolgte Beschäftigungsaufbau in Deutschland vorerst sein Ende gefunden haben dürfte", hieß es. Nur 27 Prozent planen mit höheren Investitionsausgaben als im zu Ende gehenden Jahr, während 36 Prozent geringere Budgets einplanen. "Die Investitionsschwäche wird 2024 nicht überwunden", so das Fazit des IW.

Baufirmen besonders pessimisitisch

Die Umfrage weist zudem auf eine Fortsetzung der Bau- und Industriekrise in Deutschland hin. 25 Prozent der Industriebetriebe erwarten für 2024 eine höhere Produktion, allerdings rechnen 38 Prozent mit einem Rückgang. Bei den Baufirmen gehen sogar 54 Prozent von einem Produktionsminus aus, nur 13 Prozent erwarten hier ein Plus. Die Geschäftsperspektiven der Dienstleister sind dagegen nahezu ausgeglichen: 26 Prozent rechnen mit besseren Geschäften, 27 Prozent mit schlechteren.

Besonders eingetrübt haben sich die Wirtschaftsaussichten sind in den Regionen Süd-Ost (Sachsen und Thüringen) sowie Nord (Schleswig-Holstein, Niedersachen, Hamburg und Bremen). Hier beläuft sich der Saldo aus optimistischen und pessimistischen Einschätzungen für 2024 auf gut minus 20 Prozentpunkte, in Deutschland insgesamt dagegen liegt er bei minus 12.

Ausgeglichene Wirtschaftserwartungen haben die Unternehmen in der Region Süd-West (Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland) und in Bayern. "Jedenfalls kann aus diesem Erwartungsbild keine merklich abweichende Entwicklung in Ost- und Westdeutschland gefolgert werden" so das IW. "Eher finden sich Andeutungen auf eine regional stärkere Wirkung der Energiekrise in Regionen, in denen die Grundstoffindustrie stärker vertreten ist."

Institut HWWI erwartet schwaches Wachstum der Wirtschaft bis 2025

Das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) geht von einer lange Zeit dümpelnden Konjunktur in der deutschen Wirtschaft aus. Für das zu Ende gehende Jahr hat das Institut seine Prognose leicht angehoben und rechnet nun mit einem um 0,3 Prozent rückläufigen Bruttoinlandsprodukt, wie das HWWI am Montag mitteilte.

«Die nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zu erwartenden Einsparungen im Staatshaushalt dürften die reale Erholung im kommenden Jahr bremsen», heißt es in der Prognose. Für 2024 reduzierte das HWWI seine Wachstumserwartung daher um einen halben Prozentpunkt auf 0,5 Prozent. Erst 2025 sei, falls es zu keinen weiteren Rückschlägen komme, mit einer etwas deutlicheren Zunahme der Wirtschaftsleistung um ein Prozent zu rechnen.

Auch beim Thema Teuerung erwartet das HWWI nur eine allmähliche Besserung. «Erst im Verlauf von 2025 wird sie sich wieder der Zwei-Prozent-Marke nähern», so die Hamburger Ökonomen. Zwar habe sich die Inflation von mehr als 8 Prozent zu Jahresbeginn auf zuletzt 3,2 Prozent bereits deutlich verringert. «Die merklich steigenden Arbeitskosten werden allerdings den weiteren Disinflationsprozess bremsen.» Daher erwartet das HWWI nach einer durchschnittlichen jährlichen Teuerung von 6 Prozent in diesem Jahr für 2024 eine Inflationsrate von durchschnittlich etwa 2,75 Prozent.

Alle Vorhersagen stehen laut HWWI unter dem Vorbehalt, dass der Nahostkonflikt und andere geopolitische Krisen nicht weiter eskalieren. «Ansonsten müsste, zumal angesichts der momentan relativ schwachen Weltwirtschaft, mit einer globalen Wirtschaftskrise ähnlich wie in früheren derartigen Phasen gerechnet werden.» (Reuters, dpa)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Zwischen Dieselgate und Dialogkultur: Der neue Ernst der Wirtschaftsethik
25.06.2025

Der Dieselskandal bei VW liegt Jahre zurück, wirkt aber nach. Vor allem als Symbol für eine Unternehmenskultur ohne Ethik und ohne...

DWN
Politik
Politik Nato-Gipfel 2025 in Den Haag: Moskau offiziell Hauptbedrohung - Europa zahlt, Trump entscheidet
25.06.2025

Donald Trump in Den Haag: Europa muss zahlen, wenn es die USA im Bündnis halten will. Während Nato-Staaten um Ausnahmen betteln, droht...

DWN
Politik
Politik Hasspostings: Bundesweite Polizeiaktion wegen rechtsradikaler Hetze im Internet
25.06.2025

Unter Federführung des Bundeskriminalamts geht die Polizei bundesweit gegen mutmaßliche Verfasser von Hass und Hetze im Internet vor. In...

DWN
Politik
Politik Nach Luftschlägen: Iran kündigt Neustart seines Atomprogramms an
25.06.2025

Die Waffen ruhen – doch im Hintergrund laufen die Zentrifugen. Trotz US- und israelischer Angriffe auf seine Atomanlagen kündigt der...

DWN
Finanzen
Finanzen Vermögensmigration: Millionäre und ihr Kapital verlassen Europa
25.06.2025

Ein Report prognostiziert europäischen Ländern eine Abwanderung von Millionären – besonders betroffen ist Großbritannien, aber auch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Milliarden winken: Revolut-Chef erhält „Elon-Musk“-Deal
25.06.2025

Ein Geheimvertrag mit gewaltigen Summen: Revolut-Chef Nikolaj Storonskij winken über 9 Milliarden Euro, wenn er den Börsenwert in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Iran-Investments: Risiko, Isolation – und gewaltige Renditen?
25.06.2025

Öl, Gas, Pistazien – doch der Iran hat weit mehr zu bieten. Trotz Isolation, Sanktionen und politischer Unsicherheit entwickelt sich...

DWN
Technologie
Technologie Tesla übergibt erste Robotaxis in den Einsatz
24.06.2025

Elon Musk schickt die ersten selbstfahrenden Robotaxis auf die Straße – ohne Fahrer, aber mit vielen Fragezeichen. Warum das Experiment...