Die Haushaltskrise droht aus Sicht des Mannheimer Top-Ökonomen Achim Wambach auf die Konjunktur und die Stimmung der Börsianer durchzuschlagen. "Der deutschen Wirtschaft geht es nicht gut", sagte der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Montag im Reuters-Interview. Die Etat-Krise sei "sozusagen noch ein weiterer Stich".
Wambach verwies auf die Äußerungen von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), wonach 17 Milliarden Euro im Haushalt im nächsten Jahr fehlten. Dies dürfte auch weniger Wirtschaftsleistung bedeuten: "Konjunkturell ist das sicherlich ein Einschnitt", betonte der Ökonom, dessen Institut den Börsianern monatlich mit dem sogenannten ZEW-Index den Puls fühlt.
Das Bundesverfassungsgericht hat unter Verweis auf die Schuldenbremse entschieden, dass die ursprünglich als Corona-Kredit bewilligten 60 Milliarden Euro nicht nachträglich umgewidmet werden dürfen für Investitionen in Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft. Das Urteil droht nach ersten Einschätzungen des Wirtschaftsministeriums das Wachstum 2024 zu bremsen - und zwar "um etwa einen halben Prozentpunkt", wie Reuters jüngst von einer mit den Annahmen des Ministeriums vertrauten Person erfuhr.
BÖRSENPROFIS "VERARBEITEN" KARLSRUHER URTEIL
Wambach geht davon aus, dass sich die Haushaltskrise auch im ZEW-Indikator niederschlagen wird, der am 12. Dezember veröffentlicht wird. Die Finanzprofis könnten das Karlsruher Urteil darin verarbeiten: "Die Studien liegen jetzt auch schon vor, die ersten Schätzungen, was das konjunkturell bedeutet. Ich nehme an, das wird sich auch in den Expertenaussagen oder der Stimmung, der Meinung der Experten, wiederfinden."
Die Börsenprofis hatten die Aussichten für die deutsche Wirtschaft im November den vierten Monat in Folge weniger pessimistisch beurteilt. Das Barometer zur Einschätzung der Konjunktur im nächsten halben Jahr stieg um 10,9 Punkte auf plus 9,8 Zähler und lag damit erstmals seit April wieder im positiven Bereich.
Die deutsche Wirtschaft steuert aus Sicht der EU-Kommission als einzige große Volkswirtschaft im Euroraum dieses Jahr in die Rezession und wird sich in den Folgejahren konjunkturell erst allmählich berappeln: Sie dürfte demnach 2023 um 0,3 Prozent schrumpfen und kommendes Jahr um 0,8 Prozent wachsen, wie die Brüsseler Behörde Mitte November prognostizierte. (Reuters)