Politik

Tafeln unter Druck: Hohe Inflation, starker Andrang und weniger Lebensmittel

Die Lage der Tafeln in Deutschland ist sehr angespannt. Hintergrund sind der starke Andrang und die hohe Inflation und weniger Lebensmittelspenden die Tafeln.
16.12.2023 09:37
Aktualisiert: 16.12.2023 09:37
Lesezeit: 2 min
Tafeln unter Druck: Hohe Inflation, starker Andrang und weniger Lebensmittel
Die Tafeln spüren die Inflation bei Lebensmitteln. (Foto: dpa) Foto: Carsten Koall

Großer Andrang, aber weniger gespendete Lebensmittel: Der Druck auf die Tafeln in Deutschland ist hoch. «Unsere Tafeln sind im Dauerkrisenmodus», sagte der Vorsitzende des Dachverbandes der Tafel Deutschland, Andreas Steppuhn, der Deutschen Presse-Agentur. Erst der Krieg in Syrien, dann die Corona-Pandemie und schließlich der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hätten die Lage in den vergangenen Jahren weiter verschärft. «Armut in Deutschland nimmt zu - und das spürbar», sagte Steppuhn.

Aktuell gibt es den Angaben zufolge 973 Tafeln, die bis zu zwei Millionen Menschen unterstützen. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine im Februar vergangenen Jahres melden Tafeln demnach im Durchschnitt 50 Prozent mehr Kundinnen und Kunden. «Das ist regional sehr unterschiedlich», sagte Steppuhn. Besonders in den Großstädten sei der Andrang groß.

«Die hohe Inflation belastet sowohl die Menschen als auch die Tafeln selbst», berichtete der Vorsitzende weiter. «Es sind nicht nur geflüchtete Menschen, die zu uns kommen, sondern es sind mittlerweile Rentnerinnen und Rentner, Alleinerziehende oder Menschen im Niedriglohn-Sektor.» Die Scham bei den Kundinnen und Kunden, zu einer Tafel zu müssen, sei oft groß. «Die Menschen, die zur Tafel kommen, haben echte Not und überlegen sich dreimal, ob sie sich bei der Tafel anstellen.»

Lebensmittelverschwendung zu reduzieren, ist in Deutschland ein wichtiges Thema geworden - doch mit Folgen für die Tafeln. «Natürlich begrüßen wir es grundsätzlich, wenn weniger Lebensmittel weggeschmissen werden und die Supermärkte sowie Discounter nachhaltiger arbeiten», sagte Steppuhn. «Aber es führt natürlich dazu, dass die Tafeln weniger Lebensmittelspenden haben bei gleichzeitig mehr Kundinnen und Kunden.» Gebraucht werden den Angaben zufolge vor allem Lebensmittel wie Reis und Nudeln, die wegen ihres langen Mindesthaltbarkeitsdatums eher weniger gespendet werden.

Vor 30 Jahren wurde laut Dachverband die erste deutsche Tafel in Berlin gegründet. 60 000 Helferinnen und Helfer, davon 90 Prozent Ehrenamtliche, engagieren sich bundesweit bei den Tafeln, wie Steppuhn berichtete. «Eigentlich bräuchten wir viel mehr, die Tafel-Aktiven sind an ihren Belastungsgrenzen.»

Wenn nicht mehr genug Lebensmittel vor Ort da seien oder Öffnungszeiten reduziert werden müssten, gehe das den Ehrenamtlichen sehr nahe. Gleichzeitig hätten die Tafeln aber auch eine Menge Solidarität erlebt - das habe sich auch bei den Geldspenden gezeigt. Allein die Fernsehlotterie habe die Tafel Deutschland Anfang des Jahres mit einer Förderung von 23 Millionen Euro unterstützt. Die Summe sei bereits vollständig zur Verwendung beantragt, das habe vielen Tafeln sehr geholfen.

Steppuhn betonte, dass die Tafel eine Freiwilligen-Organisation sei und keine staatliche Einrichtung. Seine Forderung: «Die Erwartung an die Politik ist, dass Armut endlich mal wirksam bekämpft wird, denn als Tafeln können wir nicht alles lösen.»

Die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbandes Deutschland, Michaela Engelmeier, erklärte auf Anfrage, die hohe Kundenzahl der Tafeln spreche eine deutliche Sprache. «Wir brauchen Löhne und Renten, von denen Menschen auch wirklich leben können – dazu gehört ein Mindestlohn von 15 Euro», sagte sie. «Solange das nicht passiert, werden Millionen bei der Tafel ihren Kühlschrank aufstocken müssen.» (dpa)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

DWN
Politik
Politik „Choose Europe“: Brüssel will Gründer mit Kapital halten
31.05.2025

Die EU startet einen neuen Wachstumsfonds, der Start-ups mit Eigenkapital unterstützen und in Europa halten soll. Doch Geld allein wird...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende umgekehrt: US-Firmen fliehen vor Trumps Klimapolitik – nach Europa
31.05.2025

Während Trump grüne Fördermittel in den USA kürzt, wendet sich die Clean-Tech-Branche von ihrer Heimat ab. Jetzt entstehen in Europa...

DWN
Politik
Politik Ärztepräsident warnt vor „Versorgungsnotstand“
31.05.2025

Ärztepräsident Klaus Reinhardt warnt vor Beeinträchtigungen im medizinischen Netz für Patienten, wenn nicht bald Reformen zu mehr...

DWN
Finanzen
Finanzen Gesetzliche Erbfolge: Wer erbt, wenn es kein Testament gibt
31.05.2025

Jeder kann selbst bestimmen, wer seine Erben sein sollen. Wer das allerdings nicht durch ein Testament oder einen Erbvertrag regelt und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Datensammeln ohne Richtung: Warum der falsche Analyst Ihrem Unternehmen schadet
31.05.2025

Viele Unternehmen sammeln Daten – doch ohne den richtigen Analysten bleiben sie blind. Wer falsche Experten einsetzt, riskiert...

DWN
Panorama
Panorama Umfrage: Vielen Bädern fehlt das Personal
31.05.2025

Viele Bäder in Deutschland haben laut einer Umfrage mit Personalengpässen zu kämpfen. So hatten 38 Prozent der befragten Hallen- und...

DWN
Finanzen
Finanzen Trump plant Milliardeninvestition in Bitcoin und andere Kryptowährungen
31.05.2025

Donald Trump will Bitcoin zur Staatsangelegenheit machen – mit Milliarden-Investitionen seiner Mediengruppe. Während der Markt jubelt,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Monopol auf Seltene Erden wankt – doch der Westen zahlt den Preis
31.05.2025

China kontrolliert die Welt der Seltenen Erden – und lässt Konkurrenz nur zu ihren Bedingungen zu. Neue Minen entstehen, doch ihre...