Wirtschaft

Eurozone beschleunigt die Talfahrt

Der Einkaufsmanagerindex für die Eurozone signalisiert im Dezember ein noch stärkeres Schrumpfen der Wirtschaft. Auch Deutschland beschleunigt die Talfahrt.
15.12.2023 12:33
Aktualisiert: 15.12.2023 12:33
Lesezeit: 2 min

Die Wirtschaft im Euroraum rauscht vor der Jahreswende schneller als erwartet talwärts und nährt damit Rezessionssorgen. Der Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Privatwirtschaft - Industrie und Service-Sektor zusammen - sank im Dezember auf 47,0 Punkte von 47,6 Zählern im Vormonat, wie der Finanzdienstleister S&P Global am Freitag zu seiner Umfrage unter gut 4200 Firmen mitteilte. "Damit ist die Wirtschaftsleistung im vierten Quartal so stark geschrumpft wie seit dem vierten Quartal 2012 nicht mehr, lässt man die Monate während der ersten Corona-Lockdowns außer Betracht", hieß es weiter.

Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Volkswirte hatten für Dezember hingegen mit einem Anstieg auf 48,0 Punkte gerechnet. Das Barometer zeigt erst über der Schwelle von 50 Punkten Wachstum an und signalisiert nun, dass die Wirtschaft in der 20-Länder-Gruppe zum Jahresende stärker schrumpft.

In den Sommermonaten Juli bis September war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Währungsraum zwischen Portugal und Zypern bereits um 0,1 Prozent geschrumpft. Bei zwei Quartalen in Folge mit sinkendem BIP sprechen Ökonomen von einer technischen Rezession: Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Euro-Zone bereits seit dem dritten Quartal in einer solchen Rezession befinde, sei "nach wie vor hoch", sagte Chefvolkswirt Cyrus de la Rubia von der Hamburg Commercial Bank (HCOB).

Die Konjunkturaussichten im Euro-Währungsraum bleiben aus Sicht von EZB-Präsidentin Christine Lagarde vorerst eingetrübt. Dennoch ist eine geldpolitische Wende, wie sie sich in den USA für 2024 abzeichnet, für die Europäische Zentralbank (EZB) derzeit kein Thema. "Wir haben Zinssenkungen überhaupt nicht besprochen", betonte EZB-Chefin Christine Lagarde nach der jüngsten geldpolitischen Sitzung, auf der die Währungshüter den Leitzins wie bereits im Oktober bei 4,50 Prozent konstant hielten. Die EZB hatte die Zinsen zuvor im Kampf gegen die Inflation seit Sommer 2022 zehnmal in Serie angehoben.

"OHNE JEDEN SCHWUNG"

Die PMI-Daten dürften die Spekulationen über eine baldige EZB-Leitzinssenkung befeuern, sagte Commerzbank-Ökonom Christoph Weil. Er verwies auch auf die negative Entwicklung beim Barometer für den Dienstleistungssektor im Euroraum, der im Dezember um 0,6 Punkte auf 48,1 fiel. "Dies bestätigt unsere Erwartung, dass die Wirtschaft im Euroraum, anders als von der EZB erwartet, auch im Schlussquartal schrumpfen wird."

Auch Deutschland - größte Volkswirtschaft der Euro-Zone - hat seine Konjunktur-Talfahrt zum Jahresende überraschend beschleunigt. Der Einkaufsmanagerindex für die gesamte Privatwirtschaft fiel hier auf 46,7 Zähler nach 47,8 Punkten im Vormonat. Das Barometer blieb damit den sechsten Monat in Folge unter der Wachstumsschwelle von 50 Zählern. Ökonomen hatten einen leichten Anstieg vorhergesagt.

Mit Blick auf die einzelnen Wirtschaftssektoren ergibt sich jedoch ein unterschiedliches Bild: Während das Barometer für das Verarbeitende Gewerbe im Dezember von 42,6 auf 43,1 Punkte stieg, ging es bei den Dienstleistern von 49,6 auf 48,4 Punkte nach unten. "Ein uneinheitlicher Trend zum Jahresschluss und in der Summe eine Bestätigung dafür, dass die deutsche Wirtschaft ohne jeden Schwung ins neue Jahr geht", so das Fazit von LBBW-Experte Elmar Völker. (Reuters)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Umfrage: Deutsche gegen militärische Führungsrolle in Europa
25.11.2025

Rente, Bürgergeld, Wehrdienst – bei solchen Themen ist die Stimmung der Bürger gut erforscht. Für die Außenpolitik gilt das hingegen...

DWN
Politik
Politik Lawrow zu Europa: "Ihr hattet eure Chancen, Leute"
25.11.2025

Haben sich die Ukraine und die USA geeinigt? Europa jedenfalls habe seine Chance verspielt, den Ukrainekonflikt politisch zu entschärfen,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Biotech-Unternehmen wandern aus: Europa verliert 13 Mrd. Euro an die USA
25.11.2025

Europas Biotech-Branche steht an einem Wendepunkt, weil zentrale Finanzierungsquellen immer seltener im eigenen Markt zu finden sind....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt 2030: Diese Fachkräfte werden in fünf Jahren gebraucht
25.11.2025

Automatisierung, KI und Klimawandel verändern den globalen Arbeitsmarkt rasant. Bis 2030 entstehen Millionen neuer Jobs, doch viele...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI-Blase: Experten warnen vor wachsenden Risiken am Markt
25.11.2025

Die Finanzmärkte stehen unter spürbarer Spannung, während Anleger die Dynamik rund um künstliche Intelligenz bewerten. Doch weist die...

DWN
Finanzen
Finanzen Doppelbesteuerung Rente: Ob Sie betroffen sind und was Sie tun können!
25.11.2025

In Deutschland müssen auch Rentner ihre Rente versteuern, weil Renten als Einkünfte gewertet werden, obwohl Arbeitnehmer bereits im...

DWN
Politik
Politik Georgiens Krise: Welche Machtverschiebung Europa jetzt alarmieren sollte
25.11.2025

Ein Land am Schwarzen Meer verliert seine demokratischen Sicherungen, während die Regierung Kritiker verfolgt und neue Allianzen mit...

DWN
Politik
Politik Insa-Umfrage aktuell: AfD bleibt in Sonntagsfrage vor Union
25.11.2025

Die aktuelle Insa-Umfrage zeigt eine AfD auf Rekordkurs - und eine Union, die langsam näher rückt. Gleichzeitig bröckelt das Tabu-Image...