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Mit dem Solardach ist man nicht immer auf der Sonnenseite

Lesezeit: 4 min
25.12.2023 10:31  Aktualisiert: 25.12.2023 10:31
Im Rahmen des Bundes-Klimaschutzgesetzes wird nun diskutiert, ob künftig die Solaranlage auf dem Dach zur Pflicht wird. Argumente pro Solardach gibt es viele, doch wie sieht die Realität für den durchschnittlichen Verbraucher aus? Lohnt es sich, das heimische Dach mit Solar zuzupflastern? Und was bedeutet die Krise rund um Handwerker- und Materialmangel für den Traum von grüner Energie?
Mit dem Solardach ist man nicht immer auf der Sonnenseite
Der Mangel an Fachkräften ist ein wichtiger Faktor bei der Anschaffung eines Solardaches. (Foto: dpa)

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Noch ist keine Photovoltaik-Pflicht in Sicht. Ein Paragraph aus dem Koalitionsvertrag von SPD, Grüne und FDP spricht jedoch verheißungsvoll von ebendieser Zukunft. So sagt dieser: „Alle geeigneten Dachflächen sollen künftig für die Solarenergie genutzt werden. Bei gewerblichen Neubauten soll dies verpflichtend, bei privaten Neubauten soll es die Regel werden“. Kurz gesagt: Was nicht ist, kann noch werden. In Baden-Würtemberg besteht bereits seit 2022 die Pflicht zu Solardächern auf Wohn-Neubauten. Auch auf Europa-Ebene wird die Einführung einer Solardachpflicht vorangetrieben. So schlägt die EU-Kommission vor, bestehende gewerbliche und private Gebäude ab 2025, Neubauten ab 2029 regulär mit Photovoltaik auszustatten. Deswegen lohnt es sich umso mehr, vorausschauend mit dem Thema umzugehen.

Die vordergründlichen Vorteile einer Solaranlage sind reduzierte Energiekosten und die attraktive Einspeisevergütung. Diese besagt, dass alles an nicht selbst genutztem Solarstrom ins öffentliche Netz eingespeist – und vergütet – wird. Statt für Strom zu bezahlen kann man mit Solar also sogar am Strom verdienen. Einen Wermutstropfen muss allerdings bereits hier erwähnt werden: Ab dem 01. Februar 2024 verringert sich im Rahmen des Energieeffizienzgesetzes von 2023 die Einspeisevergütung für Photovoltaik alle sechs Monate um einen Prozent. Schnell zugreifen lohnt sich also mehr denn je. Wer sich bis Ende Januar 2024 für eine Solaranlage entscheidet, darf sich noch über die aktuelle Vergütung von 8,2 Cent/kwH freuen. Ab Februar sinkt diese bereits auf 8,1 Cent/kwH für sechs Monate.

Ein weiterer Vorteil für Solar zeigt sich im beschlossenen „Nullsteuersatz“. So werden Photovoltaikanlagen, die auf einem selbst genutzten Einfamilienhaus installiert wurden und eine Leistung von maximal 30 kWp besitzen, von der Einkommenssteuer befreit. Diese 19% machen den Kauf der oftmals teuren Anlage nochmal etwas attraktiver.

Das Wider des Solardachs

Auf der anderen Seite stehen an der ersten Stelle die Anschaffungskosten der Solaranlage, allen Steuervorteilen und Förderungen zum Trotz. Durchschnittlich kostet eine Anlage mit einer Leistung von 8,8 Kilowatt Peak (kWp) inklusive Montage 13.000 EUR. Ein nicht unerheblicher Anschaffungspreis.

Es ist auch zu bemerken, dass sich nicht jedes Dach automatisch als Solardach eignet. Die Ausrichtung des Dachs kann entscheiden, wie hoch der Ertrag ist. Im Idealfall ist das Dach nach Süden ausgerichtet und um 25-30 Grad geneigt. Muss man die Module stattdessen anders ausrichten – zum Beispiel kombiniert Ost-West – fällt der durchschnittliche Ertrag bereits um 20%. Besonders in wind- und schneereichen Gebieten raten Experten zu Vorsicht – und empfehlen die Zusammenarbeit mit einem Statistiker, was nochmal die Kosten in die Höhe treibt. Ist das Dach älter als 25 Jahre, muss die Dacheindeckung vor der Montage zudem von Spezialisten überprüft werden. Auch die Form des Dachs kann entscheidend für die Eignung sein: Wobei Schrägdächer in den meisten Fällen bestens geeignet sind, bedürfen Flachdächer ein Gestell für die Montage. In manchen Fällen wird hier eine weitere Verstärkung des Dachs notwendig – und schon wieder steigen die Kosten.

Über die Kosten hinaus ist auch die aktuelle Problematik rund um Handwerker- und Materialmangel ein relevanter Faktor in der Anschaffung. In der Solarbranche fehlen hunderttausende von Fachkräfte, um den Bedarf an Photovoltaikanlagen zu decken. Laut eines Berichts des europäischen Dachverbands Solar Power Europe (SPE) fehlt es vor allem an Bauhandwerkern für die Montage und Planungs- und Elektronikingenieuren. Die Sorge ist groß, sagt auch Sanda Bozic, Personalmanagerin bei der Baywa r.e.: „Zu wenig Beschäftigte in den erneuerbaren Energien führen dazu, dass nicht genug Projekte umgesetzt werden können.“

Mehr als nur um persönlichen Bedarf geht es beim Solarboom auch um die Umsetzung von politischen Zielen zur Energiewende und darüber hinaus. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll dem Mangel entgegenwirken, befeuert aber gleichzeitig die hitzige Debatte rund um die Asyldebatte in Deutschland. Rückwirkend hat auch dieses Zusammenspiel aus Kreation und Krise langfristige Auswirkungen auf Konsumenten und Steuer.

Auch das benötigte Material für Solaranlagen ist ein international angespanntes Thema. Für die Herstellung von Photovoltaikanlagen bedarf es Eisenerz aus Brasilien, Kupfer aus Peru und Chile, Silber aus Mexiko, Argentinien, Bauxit aus Guinea…Und seltene Rohstoffe aus China. Deutschland ist stark von China abhängig: Laut IfW bezieht Deutschland mehr als 85% ihrer Seltenen Erden und Rohstoffe aus China – Materialien, die für den Bau von Photovoltaik unerlässlich sind. Die Lieferschwierigkeiten, die bereits im Rahmen der Pandemie entstanden sind, werden nun durch den Russland-Konflikt weiter auf die Spitze getrieben.

Die Montage einer Anlage dauert laut Anbietern durchschnittlich 2-3 Tage. Aber: Kein Material, keine Fachkräfte – keine Photovoltaik. Die Verbraucherzentrale erhält mehr und mehr Beschwerden über Verzögerungen bei der Montage und Inbetriebnahme von Solaranlagen.

So berichtet auch agrar heute von einem Fall, bei dem Kunden 88 Tage auf den Anschluss der Anlage warten mussten – aber dennoch zur Kasse gebeten wurden.

Unterschiedliche Meinungen der Experten

Die Stiftung Warentest hat 2023 einen Guide zu Photovoltaik veröffentlicht. Die Experten schätzen, dass sich die Solaranlage in den meisten Fällen lohnen wird. Dank EEG-Reformen, attraktiven Renditen für Anlagen ohne Speicher und neuen Steuerregelungen erfreut sich Photovoltaik an mehr Beliebtheit denn je. Allerdings warnen die Experten vor Kurzschlussreaktionen. So sagen diese, dass sich die Investition nur lohnt, wenn die voraussichtlichen Erträge konkret gegen die Kosten kalkuliert werden. Das enthusiastische „Ja“ zu Photovoltaik wird hier also mit einem vorsichtigen „aber“ punktiert.

Im Rahmen eines Expertenchats zu Photovoltaik hat SRF (Schweizer Radio und Fernsehen) vier Expert:innen versammelt um ebendiese Frage zu klären: Lohnt sich Solar? Unter den Expert:innen versammelt: Andrea Beck, Ingenieurin für Energietechnik und PV-Gutachterin, Christof Bucher, Professor für PV-Systeme, Fabio Giddy, Solarstrom-Spezialist und Wieland Hintz, Fachspezialist für Solarstrom. Bucher warnt vor Lieferengpässen. So sagt er, dass selbst wenn bereits getätigte Aufträge storniert werden, keine Garantie besteht, dass Anbieter Lieferengpässe zuverlässig überbrücken können. Auch Beck sieht die Liefersituation kritisch: „Derzeit ist der Markt weltweit angespannt. Es fehlt an Material und Fachkräften. (…) Die weitere Entwicklung der Abhängigkeit von China liegt auch an den Bauherrschaften. Solange sie keine europäischen Produkte verlangen, bleiben wir weiterhin zum grössten Teil von China abhängig.“

Solar: Eine Lösung für Jedermann?

Das Für und Wider, sowie die eingeholten Expertenmeinungen zeigen: Grundsätzlich lohnt sich Solar. Grundsätzlich ist das Solardach eine gute Idee. Das Manko, das viele aber davon abhält, auf Solar zu setzen, bleibt: Die hohen Kosten plus Fachkräfte- und Materialmangel bedeuten, dass Photovoltaik vor allem eine Anschaffung für jene ist, die es sich leisten können, sowohl finanziell als auch zeitlich. Und das wird für absehbare Zeit wohl auch so bleiben.



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