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05.01.2024 17:05  Aktualisiert: 05.01.2024 17:05
Niederlagen, Fehlentscheidungen, miese Stimmung – die FDP trifft sich zu ihrem Dreikönigstreffen. Verstimmt blicken die Liberalen zurück auf das vergangene Jahr und blicken mit Sorge in das bereits angelaufene.
Die Angst der Liberalen
Parteichef Lindner beim Dreikönigstreffen vor einem Jahr. (Foto: dpa)

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Wenn sich am Wochenende die FDP im Stuttgarter Opernhaus auf Einladung der baden-württembergischen FDP trifft, dann geht es stets um eine Art Pflege der liberalen Seele, um eine Art Selbstbestätigung, auch um eine Wegweisung durch die Parteiführung - so wie in der Weihnachtsgeschichte des Matthäusevangeliums die heiligen drei Könige durch den Stern von Bethlehem zu Jesus geführt wurden. Und selten hat die so wundgescheuerte wie verzagte Seele der Liberalen Balsam und Wegweisung gebraucht wie in diesem Jahr.

Denn: Immer deutlicher wird es, dass die FDP ihrer Regierungsbeteiligung in der Ampel-Koalition mit SPD und Grünen nicht froh wird. Es gebe, so der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion von Baden-Württemberg, Hans-Ulrich Rülke, „eine kulturelle Fremdheit“. Diese Fremdheit fand ihren Ausdruck in der Mitgliederbefragung zur Fortsetzung der Regierungsbeteiligung, bei der fast die Hälfte der Mitglieder, die an der Abstimmung teilgenommen hatten, für den Ausstieg aus der Ampel votierten.

Schlechte Stimmung

Dabei wurde deutlich, dass die Parteiführung um den Vorsitzenden Christian Lindner die Stimmung an der Parteibasis nicht richtig eingeschätzt hatte. Anfangs wurde das Begehren nach einer Mitgliederbefragung, das vom Kreisvorsitzenden der Kasseler FDP angestoßen wurde, als „Einzelmeinung“ abgetan, als einen Vorstoß fehlgeleiteter Querulanten aus der Provinz, ehe den Granden der FDP dämmerte, dass die Stimmung deutlich schlechter ist, als sie wahrhaben wollten.

Parteichef Christian Lindner wird diese Stimmung in seiner Grundsatzrede aufnehmen müssen, das bisher in der Koalition Erreichte in den Vordergrund stellen und auch darüber reden, was alles die FDP künftig umzusetzen gedenke. Es gelte, so heißt es jetzt intern bei den Liberalen, das eigene Profil in der Ampelkoalition zu schärfen. Das allerdings dürfte auf wenig Gegenliebe bei den anderen beiden Koalitionspartnern stoßen, da die Schärfung des eigenen Profils regelmäßig zu Lasten der Partner einhergeht.

Gefahren im Wahljahr

Auch der Blick in den Wahlkalender des Jahres 2024 dürfte die Liberalen kaum hoffnungsfroh stimmen. Am 9. Juni finden nicht nur die Europawahlen, sondern am gleichen Tag auch Kommunalwahlen in acht Bundesländern statt. Bei diesen Kommunalwahlen stehen hunderte von Mandaten zur Disposition und der Verlust dieser Mandate in den Kommunalvertretungen würde, unabhängig von den politischen Gegebenheiten vor Ort, immer auch der Parteiführung in Berlin zu Last gelegt werden.

Besonders heikel könnten dann die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September werden. Jüngsten Umfrage zufolge stehen die Liberalen sowohl in Thüringen als auch in Sachsen auf der Kippe, in Brandenburg sehen sie die Demoskopen nach derzeitigem Stand klar unter der Fünf-Prozent-Marke. Sollte die FDP in allen drei Ländern den Einzug in die Landtage verpassen, geriete die Führung um Christian Lindner erneut in Erklärungsnot. Denn dann stehen auch bei der FDP die Nominierungen für die Listen zur Bundestagswahl an.

Dabei steht die FDP in einem kaum auflösbaren Dilemma. Nirgends ist eine Besserung der Stimmung in der Koalition in Sicht. Gleichzeitig wächst der Druck auf Lindner, als Finanzminister den Ausgabenwünschen seiner Koalitionspartner nachzugeben. Gleichzeitig plagen Personalprobleme die Liberalen. Von Lindner abgesehen, hat es keiner der FDP-Bundesminister geschafft, medial präsent zu sein oder mit positiven Nachrichten in Verbindung gebracht zu werden: Verkehrsminister Volker Wissing verwaltet glücklos das Elend der Deutschen Bahn, Justizminister Marco Buschmann führt zwar sein Haus pannenfrei, bleibt aber völlig unscheinbar. Und was die Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger den ganzen, schönen Tag so macht, hat sich bisher nur den wenigsten erschlossen.

Gleichzeitig wäre aber ein Ausstieg aus der Koalition für die FDP hochgefährlich, denn damit würde sich die Partei unweigerlich dem Verdacht aussetzen, sich aus der Verantwortung zu stehlen, wenn es schwierig ist.

Gut gelaunt ist bei den Liberalen zur Zeit nur der Gastgeber: die baden-württembergische FDP. Ihr Landesvorsitzender Hans-Ulrich Rülke zeigte sich hocherfreut, dass man in Baden-Württemberg „der Ampel entkommen“ sei. Nach der Landtagswahl 2021 hatte es für einen Moment die Möglichkeiten gegeben, dass die Grünen unter Ministerpräsident Kretschmann eine Ampelregierung mit SPD und FDP bilden könnten. Am Ende aber schien Kretschmann aber ein Dreierbündnis zu instabil und koalierte mit der CDU. Im Moment liegt die Südwest-FDP in den Umfragen bei acht Prozent. Rülke sagt denn auch frohgemut, dass er es seit den gescheiterten Koalitionsgesprächen nicht einen einzigen Tag bedauert habe, dass die FDP nicht in die Regierung gegangen sei.


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