Israel-Krieg hinterlässt seine Spuren bei der deutschen Wirtschaft
Alles ist miteinander verwoben, die Wirtschaftswelt funktioniert nur global gedacht. Und das merkt man besonders, wenn es Unruhen gibt oder es zu Störungen kommt. Die Corona-Pandemie hat es uns deutlich vor Augen geführt, was es bedeutet, von Partnern abhängig zu sein, die plötzlich nicht mehr liefern können. Eine globale Destabilisierung trat ein. Bestimmte Medikamente wurden in Deutschland knapp, der Besitz und Verkauf medizinischer Masken entpuppte sich eine Zeitlang als Goldgrube. Die Welt ist ein Warenlager, ein Tauschhandel und das wird es auch immer bleiben. Nur werden die Bedingungen immer schwieriger und unkalkulierbarer mit Zunahme von unvorhergesehenen Unwetterkatastrophen oder menschgemachten Einflüssen wie Kriege. Nicht nur kurzfristig lassen diese wirtschaftlichen Eruptionen ihre Spuren. Eine starke Verunsicherung bleibt zurück und es dauert sehr lange bis die Folgen behoben sind, wie im Ahrtal zu sehen.
Auch der aktuelle Nahostkonflikt hinterlässt seine Spuren in der deutschen Wirtschaft. Zuerst traf es die Finanzmärkte und den Ölmarkt im vergangenen Jahr. Risikobehaftete Anlagen erfuhren Rückschläge, der Deutsche Aktienindex (DAX) sank um mehr als 500 Punkte. Eine Zuspitzung der geopolitischen Spannungen in der Region könnten auch Folgen für den Ölhandel und den Preis dieses Vorprodukts haben. Das Institut der Deutschen Wirtschaft rechnet vor, was ein erneuter Ölpreisschock für Deutschland bedeuten würde. Ein Anstieg des Ölpreises auf 150 US-Dollar pro Barrel führe innerhalb von zwei Jahren zu einem Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Leistung im Land in Höhe von etwa 1 Prozent und einem Anstieg der Verbraucherpreise um 1,3 Prozent. Doch das Risiko hierfür wird eher als unwahrscheinlich eingestuft, da die Ölintensität der gesamtwirtschaftlichen Produktion in den letzten Jahrzehnten stark gesunken ist und Europa und die USA inzwischen deutlich weniger abhängig von Öllieferungen aus dem Persischen Golf sind. Die unsichere geopolitische und wirtschaftliche Lage bremst aber die Investitionstätigkeit vieler Unternehmen aus. Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) rechnet daher mit einer Stagflation im Jahr 2024. Im Sommer vergangenen Jahres hatte der BVR für 2024 noch mit einem Zuwachs um 1,3 Prozent gerechnet. Auch eine Rezession schließen sie nicht aus, sollten sich die globalen Energiepreise im Zuge weiter steigender geopolitischer Spannungen deutlich verteuern.
Staaten mit Mittlerrollen könnten zum Problem werden
Mit Israel verbindet deutsche Unternehmen eher weniger Handelsverflechtungen. 2022 machten Exporte in das israelische Land gerade einmal 0,4 Prozent der deutschen Ausfuhren aus, vor allem Autos, Maschinen und Pharmaprodukte. Neuere Untersuchungen zeigen für Deutschland, dass deutsche Investitionsströme in geopolitisch entfernte Länder abnehmen, wenn weltweit geopolitische Verwerfungen zunehmen. Problematischer sehen die Experten die Verflechtungen Deutschlands mit anderen arabischen Staaten, von denen einige eine Mittlerrolle im Nahostkonflikt einnehmen. So wird die Bundesrepublik beispielsweise ab 2026 vereinbarte Flüssiggaslieferungen (LNG) von Katar beziehen. In Deutschland unmittelbar betroffen von den Angriffen der Huthi-Rebellen sind aktuell die Teslawerke in Grünheide. Mal wieder sind weltweite Lieferketten betroffen, Teilemangel aufgrund von Verzögerungen beim Schiffstransport zwingen das Werk zum Stillstand. Das zeigt, wo ein Schwachpunkt vieler Unternehmen liegt; in der Widerstands- und Anpassungsfähigkeit innerhalb globaler Lieferketten. Risikomanagement sollte daher mehr an Bedeutung in export- sowie importorientierten Unternehmen gewinnen.
Etwa 10 Prozent des gesamten Welthandels laufen über den Suez-Kanal, das jüngste Angriffsgebiet der Rebellen. Die Reedereien reagieren, in dem sie aus Sicherheitsgründen ihre Schiffe um das Kap der Guten Hoffnung in Südafrika umleiten. Diejenigen Reedereien, die sich die Strecke noch zutrauen, wie Hapag-Lloyd oder Maersk erheben seit dem 01. Januar einen Zuschlag für Transporte von und nach Nahost. Ab dem 22. Januar sollen Zuschläge für die Strecke zwischen Indien, dem Nahen Osten und Nordamerika hinzukommen. Dies kann zu Verzögerungen und Verteuerungen von Produkten in naher Zukunft führen.
Der Nahostkonflikt zeigt aber auch noch ein weitere, unschönere Auswirkung in Deutschland. Immer offener zutage tretender Antisemitismus, wie der aktuelle Religionsbarometer der Bertelsmann-Stiftung herausgefunden hat, obwohl die Erhebung bereits vor dem Terrorangriff war. Man kann davon ausgehen, dass die Tendenzen sich nach dem Anschlag noch einmal erhöht haben. Antisemitische Vorfälle haben seit dem Anschlag auch in Deutschland zugenommen und destabilisieren mit all seinen Folgen den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Risiken nehmen zu, vor allem die der Informationsmanipulation
Im vergangenen Jahr gehörte die Energiekrise und die Inflation zu den Top-Risiken. Für 2024 sehen viele die Eskalation oder den Ausbruch von zwischenstaatlichen Konflikten als eines der fünf größten Risiken, so die Ergebnisse des Global Risk Perception Survey (2023-2024 (GRPS) vom World Economic Forum. Weiterhin gelten Wetterextreme zu den meistgefürchteten Risiken, mit Platz zwei. Denn sie führen in den meisten Fällen zu materiellen Krisen. Bisher wenig im öffentlichen Fokus, jedoch mit großer Besorgnis und als großes globales Risiko bewertet, werden für die nächsten zwei Jahre Fehl- und Desinformationen. Genutzt werden sie bewusst, um die gesellschaftlichen und politische Gräben zu vertiefen. Fast drei Milliarden Menschen werden in der kommenden Zeit in mehreren Volkswirtschaften, wie Bangladesch, Indien, Indonesien, Mexiko, Pakistan, dem Vereinigten Königreich und den USA zur Wahl gehen. Hier werden Fehlinformationen und Desinformationen im großen Stil erwartet, um die Legitimität der neu gewählten Regierungen zu untergraben. Die daraus resultierenden Unruhen könnten von gewalttätigen Protesten bis hin zu Konfrontation und Terrorismus reichen. Spätestens seit Erfindung von KI und ChatGTP erreicht das Thema eine neue Dimension, die so manch Herausforderung in sich birgt. Zwar wurde 2021 auf europäischer Ebene der erste EU-Rechtsrahmen für KI vorgeschlagen, bisher ist er allerdings noch nicht verabschiedet worden. Darüber hinaus gibt es ein weltweites Abkommen von 18 Ländern, welches aber unverbindlich ist und mehr einem Empfehlungsschreiben gleicht. Kriege und Stellvertreterkriege könnten dazu führen, Entscheidungen der Kriegsführung mittels KI zu verkürzen. Dies wiederum, so fürchten die Experten, erhöhe das Risiko versehentlicher oder absichtlicher Eskalationen.
Doch hellhörig sollte man auch bei den sieben neuen Risiken werden, die diesjährig in die Liste der globalen Risiken des World Economic Forum aufgenommen wurden. Diese sind: Zensur und Überwachung, Kritische Veränderung des Erdsystems, Konzentration von strategischen Ressourcen wie Rohstoffe, Aushöhlung von Menschenrechten und/oder bürgerlichen Freiheiten, Ungleichheit oder Mangel an wirtschaftlichen Möglichkeiten, Innerstaatliche Gewalt (zivile Streiks, Unruhen, Putsch) und Arbeitskräftemangel.
Der kritische Wandel des Ökosystems aufgrund der Erderwärmung wird von allen befragten Interessensgruppen gleichermaßen als eines der größten Risiken des nächsten Jahrzehnts bezeichnet. Für Deutschland werden die folgenden Top fünf Risiken gesehen. An erster Stelle der Wirtschaftsabschwung, gefolgt vom Fachkräftemangel, Energieversorgungsengpässe, Inflation und Erosion des sozialen Zusammenhalts. In allen Punkten ist mehr denn je die Politik gefragt, Maßnahmen zu ergreifen und den Weg für Veränderung zu ebnen.