Unternehmen

Ex-Siemens-Chef Kaeser: „Wirtschaft muss vor Folgen eines AfD-Aufstiegs warnen“

Der Aufsichtsratschef von Siemens Energy, Joe Kaeser, hat die deutsche Wirtschaft aufgefordert, öffentlich vor den Folgen eines weiteren AfD-Aufstiegs zu warnen. "Wer die AfD wählt, entscheidet sich für den Verlust des Wohlstands unseres Landes und seiner Bürger", sagte Kaeser in einem Interview gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.
21.01.2024 10:00
Lesezeit: 2 min
Ex-Siemens-Chef Kaeser: „Wirtschaft muss vor Folgen eines AfD-Aufstiegs warnen“
Der Aufsichtsratschef von Siemens Energy, Joe Kaeser, nimmt die Wirtschaft in die Pflicht (Foto: dpa) Foto: Matthias Schrader

Der frühere Siemens-Chef, der auch Aufsichtsratschef von Daimler Truck ist, zeigte sich entsetzt angesichts von Berichten über eine Konferenz in Potsdam, auf der Rechtsextreme über Massendeportationen von Migranten aus Deutschland gesprochen haben sollen. „Wenn alles so stimmt, wie es berichtet wird, dann ist das ganz abscheulich“, sagte er. "Das löst bittere Erinnerungen aus und verstärkt meine Überzeugung ‚Nie wieder ist jetzt‘ muss ausgesprochen werden. Niemand darf sagen können, das habe ich nicht gewusst."

Begreiflich machen, welche Konsequenz ein Aufstieg der AfD hätte

Kaeser geht damit weiter als viele andere Top-Vertreter der Wirtschaft. Zuletzt hatten etwa die Chefs des Chip-Herstellers Infineon, des Chemiekonzerns Evonik und des Düsseldorfer Flughafens vor Rassismus und Hetze gewarnt. In den Stellungnahmen wird aber die AfD, die in Umfragen mittlerweile bundesweit bei mehr als 20 Prozent liegt, meist nicht direkt erwähnt. Jeder müsse für sich selbst entscheiden, ob er öffentlich warnen wolle, sagte Kaeser mit Hinweis darauf, dass Manager oft Leitende Angestellte eines Unternehmens seien, das ihnen nicht gehöre. „Deshalb haben eigentümergeführte Unternehmen meistens mehr Gewicht und Glaubwürdigkeit in der Gesellschaft“, sagte er.

“Aber führende Manager großer und global agierender Unternehmen haben meines Erachtens die Pflicht, auf die Zusammenhänge zwischen Wohlstand, Wirtschaft, Wachstum und internationaler Zusammenarbeit hinzuweisen und sie den Menschen verständlich zu erklären“, betonte er. Man müsse begreiflich machen, welche Konsequenz ein Aufstieg der AfD hätte. „Da sind wir alle gefordert – besonders die Manager, die diese wirtschaftlichen Zusammenhänge kennen“, fügte Kaeser hinzu. Es gebe eine Verantwortung der Führungskräfte.

Austritt aus EU würde deutsche Produkte überall in der Welt verteuern

Denn die Erfolgsformel des Wohlstands in Deutschland seien Exporte und der EU-Binnenmarkt. Viele kleine und mittlere Unternehmen seien als Zulieferer für die großen Exporteure erfolgreich. Der in der AfD, aber auch in der Sahra-Wagenknecht-Partei BSW diskutierte Austritt aus der EU oder gar die von Einigen angestrebte Wiedereinführung der D-Mark würden deutsche Produkte überall in der Welt verteuern und damit weniger wettbewerbsfähig machen, warnte Kaeser. Im Gegenzug würde Deutschland von billigen Auslandsprodukten überschwemmt. Die AfD schreibt in ihrem Programm zur Europawahl, dass die EU und der Euro gescheitert seien und legt eine Auflösung sowohl der Union als auch des Währungsverbundes nahe.

Kaeser warf der AfD vor, mit ihren Zielen auch den deutschen Landwirten zu schaden. „Wer sich nicht eindeutig zu der EU bekennt, gefährdet, dass Landwirte von den EU-Fördertöpfen profitieren können“, sagte er mit Hinweis darauf, dass die Bauern einen Großteil der Agrarsubventionen aus dem EU-Haushalt erhalten.

Schaden für die Marke „Made in Germany“

Der Aufsichtsratschef warnte zudem vor einem enormen Imageschaden für die Marke „Made in Germany“ durch AfD-Wahlerfolge. „Unsere Kunden und Investoren außerhalb Deutschlands beobachten sehr genau, ob Deutschland wieder sein hässliches nationales Gesicht zeigt und sich in der freien Welt isoliert“, sagte Kaeser.

Der 66-Jährige hatte bereits vor Jahren die AfD und deren heutige Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel kritisiert. So hatte er in einem Tweet am 16. Mai 2018 geschrieben: „Lieber Kopftuchmädel als Bund deutscher Mädel“. Kaeser hatte damals hinzugefügt, dass Alice Weidel mit ihrem Nationalismus dem Ansehen Deutschlands in der Welt schade.

Kaeser hatte sich in den vergangenen Jahren mehrfach zu politischen Themen geäußert und sich bei der Bundestagswahl 2021 für die Wahl der Grünen ausgesprochen. Er wandte sich in dem Interview zugleich gegen ein Verbot der AfD. „Man würde wohl nur einen Täter zum Opfer stilisieren“, warnte er. Besonders unglücklich sei, wenn führende Politiker der Ampel-Koalition ein Verbot forderten. „Es wäre besser, wenn man diese Energie für bessere Politik für unsere Bürgerinnen und Bürger einsetzen würde“, sagte Kaeser. (Reuters)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

 

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft De-minimis-Ausnahme: Trump hat europäischen Unternehmen bisher ein Geschenk im Wert von 800 Dollar hinterlassen
19.04.2025

Trumps Zollpolitik ermöglicht es europäischen Unternehmen, Waren bis 800 Dollar zollfrei in die USA zu versenden. Doch Experten warnen,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Osterleckereien 2025: Warum Schokolade, Butter & Co. teurer sind denn je
19.04.2025

Ostern 2025 wird für Verbraucher teurer – besonders bei traditionellen Produkten wie Schokohasen, gefärbten Eiern und selbstgebackenem...

DWN
Immobilien
Immobilien Gewerbeimmobilien als Kapitalanlage? Lage matters!
19.04.2025

Gewerbeimmobilien bieten nach wie vor interessante Renditechancen für ausgefuchste Marktkenner. Wer klug investiert, kann von stabilen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Wettbewerbskompass: Kurskorrektur bei Technologiewettbewerb dringend nötig!
19.04.2025

Europa steht vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen: Der globale Technologiewettbewerb spitzt sich zu, geopolitische Krisen...

DWN
Finanzen
Finanzen Digitalisierung im Bürgeramt: Passfotos ab Mai nur noch digital erlaubt
19.04.2025

Ab dem 1. Mai sind in Deutschland im Grunde nur noch digitale Passfotos erlaubt. Das neue Verfahren soll Fälschungen vorbeugen. Wer denkt,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Italienische Luxusunternehmen: Prada übernimmt und trägt nun auch Versace
19.04.2025

Über einen möglichen Kauf war seit mehreren Monaten spekuliert worden: Der Luxuskonzern Prada schluckt den Konkurrenten Versace. Damit...

DWN
Technologie
Technologie „Mein alter Job als Softwareentwickler ist weg“ – Jentic-Chef über selbstprogrammierende KI-Agenten
19.04.2025

Der irische Tech-Unternehmer Sean Blanchfield ist überzeugt, dass KI-Agenten menschliche Programmierer und Softwareentwickler zunehmend...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt „We don’t believe in Outsourcing“ – Klöber zeigt, wie Produktion in Deutschland wieder gelingt
18.04.2025

Sitzen, aber richtig: Der Büromöbelhersteller aus Owingen setzt auf Inhouse-Produktion, recycelte Materialien und digitale Innovation –...