Ikigai hat man oder nicht. Es ist die Lust am Leben und beschreibt den Grund dafür. Auch Unternehmen können für mehr Ikigai bei ihren Mitarbeitern sorgen.
Ikigai: Was ist das und was können Unternehmen von Ikigai lernen?
Eine Großmutter, die es liebt sich um ihre Enkel zu kümmern. Ein Profifußballer, der für seinen Sport brennt und dem das tägliche Training motiviert, sein Bestes zu geben. Ein Künstler, der Freude und Sinn im Schaffen und Perfektionieren eines Kunstwerkes findet. Sie alle haben etwas gemeinsam: Ikigai.
Doch was ist Ikigai? So viel verrät der Klang des Wortes bereits, es kommt aus Japan und steht für ein über tausend Jahre altes traditionelles Konzept, das sich auf den Grund, wofür man lebt, bezieht. Der Begriff setzt sich zusammen aus „iki“, was „Leben“, und „gai“, was „Nutzen“ oder „Wert“ bedeutet. Im Wesentlichen geht es darum, ein Gefühl von Sinn, Erfüllung und Freude im Leben zu finden und einen sinnvollen Beitrag zur Welt zu leisten. Salopp gesprochen, ist es der Lebenszweck oder Grund, warum man jeden Tag aufsteht.
Laut den Japanern verfügt jeder Mensch über ein Ikigai. Es zu finden, erfordert eine tiefe und oft langwierige Suche nach sich selbst. Es gilt dabei, Antworten zu finden auf seine eigene Haltung und Einstellung, auf Gaben und Talente, Wissen und Fähigkeiten und Lebenserfahrungen. Für ein gesundes Ikigai zählen auch vorhandene Netzwerke und Beziehungen. Oft ist dem Einzelnen gar nicht bewusst, wofür er eigentlich lebt, was der treibende Motor in einem ist. Dafür muss man in sich reinschauen und sich selbst gut analysieren. Erst dann könne man seine Hauptantriebskräfte ausmachen. Ikigai wird in westlichen Ländern gerne oft in einem Diagramm dargestellt, dass die Begrifflichkeiten Passion, Mission, Profession und Berufung abbildet. Dazu schreibt Dr. Katharina Stenger, Psychologin, auf Ihrem Blog, dass dieses Venn-Diagramm fälschlicherweise als Ikagai-Diagramm bezeichnet wird. Während im westlichen Raum Ikigai gerne als Lebenssinn definiert wird, ist es in Japan dagegen ein Gefühl und ein Geisteszustand, der als glücklich bezeichnet werden kann. Achtsamkeit und Dankbarkeit, auch in Zeiten zu haben, in denen Dinge mal nicht so gut laufen. Das Ikagai-Mindset ist von solchen Stimmungen unabhängig. Neurowissenschaftler und japanischer Autor des Buches „Ikigai – die japanische Lebenskunst“ Kenichirō Mogi, hat ein 5-Säulen-Modell für den Begriff entwickelt:
- Klein anfangen
- Loslassen lernen
- Harmonie und Nachhaltigkeit leben
- Die Freude an kleinen Dingen entdecken
- Im Hier und Jetzt sein.
Ikigai: Grundlagen und wie es wachsen kann
Sterblichkeitsrate steigt bei fehlendem Ikigai
Wenn der Mensch sich dem widmen darf, was ihm am größten Freude bereitet, empfindet er Glück und Zufriedenheit. Was dies ist, kann für jeden etwas anderes bedeuten. Es kommt nicht auf den Anspruch einer Sache an, sondern auf die Verbindung zwischen dem Menschen und dem, was ihn erfüllt. So kann Ikigai in verschiedenen Aspekten des Lebens gefunden werden, von persönlichen Hobbys bis hin zu sinnvollen Beziehungen und täglichen Aktivitäten, sodass auch die Arbeitswelt ein Grund für Ikigai sein kann. Wie das Gefühl von Ikigai mit körperlichem und psychischem Wohlbefinden in Verbindung gebracht werden kann, das wurde in Japan in verschiedenen Stichproben erforscht. (Mori et al., 2017; Okamoto & Harasawa, 2009; Sone et al., 2008; Tanno et al., 2009). Die Forschung kommt zu der Erkenntnis, dass Ikigai ein individueller Maßstab für persönliches Glück ist, der nicht von außen vorgegeben wird. Alter, Beruf oder Einkommen sind demnach nicht maßgebliche Faktoren für den „Lebenszweck“. Allerdings haben Forscher im „International Journal of Mental Health and Addiction“ bei einer der wenigen Stichproben mit westlichen Teilnehmern herausgefunden, dass es im westlichen Verständnis eine konzeptionelle Lücke von psychischer Gesundheit gibt.
Interessant sind die Ergebnisse, die Forscher in „The Lancet Regional Health“ zum Thema veröffentlicht haben. Die Untersuchung bezog sich auf ältere Japaner über 65 Jahre. Der Besitz von Ikigai (im Vergleich zum Nichtbesitz von Ikigai) war mit einem 31 Prozent geringeren Risiko der Entwicklung einer funktionellen Behinderung und einem 36 Prozent geringeren Risiko der Entwicklung einer Demenz verbunden. Außerdem verringert Ikigai depressive Symptome. Es herrscht mehr Lebenszufriedenheit vor und ist mit höheren Aktivitäten im täglichen Leben und der Teilnahme an sozialen Gruppen verbunden. Einige dieser Assoziationen waren insbesondere bei Männern mit hohem sozioökonomischem Status ausgeprägt. In der Ohsaki-Studie wurden über 40.000 Japaner danach gefragt, ob sie Ikigai in ihrem Leben haben. Während der 7-jährigen Nachbeobachtungszeit starben 3048 der Probanden. Das Risiko der Gesamtmortalität war bei den Probanden, die keinen Sinn für Ikigai fanden, signifikant höher als bei denen, die ein positives Ikigai-Mindset in ihrem Leben hatten. Was die ursachenspezifische Sterblichkeit anbelangt, so waren die ohne Sinn für Ikigai signifikant von einem erhöhten Risiko für Herzkreislauferkrankungen betroffen. Davon unberührt blieb jedoch die Sterblichkeit an Krebs.
Unternehmen können Rahmenbedingungen für Ikigai schaffen
In Anbetracht dessen, dass die meisten berufstätigen Menschen den größenteil ihres Lebens im Arbeitsumfeld eines Unternehmens verbringen, sollten die dortigen Rahmenbedingungen bestmöglich sein. Die eigene berufliche Tätigkeit ist für viele Menschen der Lebenssinn schlechthin. Ob jedoch mit oder ohne Freude der tägliche Gang zur Arbeit erfolgt, kann für das persönliche Ikigai eine Rolle spielen. Für das Unternehmen bedeutet daher die Aufgabe ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem die Sinnhaftigkeit der Arbeit in das Berufsleben der Mitarbeiter integriert ist. Das kann zu einer höheren Motivation, Produktivität und einem allgemeinen Wohlbefinden führen. Es stärkt zugleich auch das persönliche Ikigai. Wertschätzender Umgang und gutes Feedback kann eine Quelle für Ikigai sein. Der älteste drei Sterne Koch der Welt des japanischen Sushi Restaurant, Jiro Ono, soll einmal gesagt haben, dass er gerne beim Zubereiten von Sushi sterben würde. Bei dieser Tätigkeit scheint er besonders sein Ikigai zu spüren.
Bezogen auf das Arbeitsleben können folgenden Fragen helfen, das persönliche Ikigai besser zu deuten. Worin bin ich gut? Was braucht die Welt von mir? Was ist meine Leidenschaft? Wofür könnte ich bezahlt werden? Dieser Selbstfindungsprozess kann helfen, einen Sinn in seiner Arbeit zu finden und seine berufliche Rolle mit seinen Leidenschaften und Stärken in Einklang zu bringen. Sich selbst besser zu kennen, ist bereits eine wertvolle Erkenntnis. Sie kann im Arbeitsleben hilfreich sein, Anforderungen besser einzuschätzen, das richtige Umfeld zu suchen und sich gegen Über- oder Unterforderung zu schützen. Es geht darum, seinen eigenen (nicht materiellen) Wert und das eigene Selbstwertgefühl zu stärken.
Wie Unternehmen ihre Angestellten unterstützen können
Unterstützung sollten Mitarbeiter durch ihre Vorgesetzten erfahren, indem diese die Voraussetzungen für das Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben schaffen. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen beidem sollte respektiert und den Mitarbeitern ermöglicht werden. Denn auch diese Ausgewogenheit kann nicht nur das eigene Ikigai stärken und zur Sinnhaftigkeit beitragen, sondern auch Burnout vorbeugen. Auf Teamebene übertragen bedeutet eine Teamkultur zu fördern, in der individuelle Ziele und Wohlbefinden geschätzt werden. Das Verständnis der Ikigai-Zusammensetzung des Teams und die Nutzung dieses Wissens zur Stärkung der Teamarbeit und der Zusammenarbeit können zu einem zielgerichteteren und harmonischeren Arbeitsumfeld führen. Doch die Welt braucht auch Unternehmer, die Ikigai besitzen. Denn nur wer das Leben liebt, kann unternehmerische Gelegenheiten entdecken und ist offen für Inspiration und Ideen. In Japan erreichen die Menschen ihr Ikigai durch Selbstreflexion. Psychologisch gesehen ist es die Arbeit an seiner eigenen Einstellung, die in Ikigai den Ausdruck für ein lebensbejahendes Wort gefunden hat.