Alarmierende Tendenzen: Die Deutsche Bundesbank hebt in ihrem ersten Monatsbericht für 2024 hervor, dass eine Verlangsamung des chinesischen Wirtschaftswachstums ernste Konsequenzen für die deutsche Wirtschaft nach sich ziehen könnte. Eine schwächelnde Konjunktur in China bedroht nicht nur globale Lieferketten, sondern birgt auch das Risiko finanzieller Instabilitäten. Bundesbank-Experten prognostizieren einen möglichen Rückgang des deutschen Bruttoinlandsprodukts um 0,7-Prozent im ersten Jahr und warnen vor einer weiteren Verschärfung der Lage mit einem Absinken um 1-Prozent im Folgejahr.
Der Druck auf deutsche Unternehmer wächst. Prof. Dr. Moritz Schularick, Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IFW), betont die Bedeutung des Handels mit China: „Der Handel mit China bringt uns Wohlstand und ist kurzfristig praktisch nicht zu ersetzen (…).“ Angesichts Chinas siebenjähriger Dominanz als Deutschlands wichtigster Handelspartner mit einem Volumen von annährend 300 Milliarden Euro stellt sich die Frage, wie sicher unser Wohlstand wirklich ist, sollte China in eine Rezession rutschen.
Zwar beurteilen die Experten eine chinesische Wirtschaftskrise als handhabbar für Deutschland, doch ein geopolitisch bedingtes, abruptes Ende der Handelsbeziehungen – wie es durch Spannungen um Taiwan entstehen könnte – hätte gravierendere Auswirkungen. Ein solcher Bruch würde Deutschland hart treffen und könnte das BIP im ersten Jahr voraussichtlich um 4-Prozent einbrechen lassen, so die IFW-Prognosen.
Die Auswirkungen einer Abkehr von China auf deutsche Banken und Schlüsselindustrien
Obwohl deutsche Banken nicht zu den Hauptfinanziers Chinas zählen, besteht eine indirekte Gefährdung durch ihre Kredite an Firmen, die vom China-Handel abhängig sind. Sollten sich die Wirtschaftsbeziehungen trüben, könnten Kreditausfälle unsere Banken destabilisieren. Für Großunternehmen, die tief in China verwurzelt sind, zeichnet sich das Risiko ab, wesentliche Umsatzanteile zu verlieren. Die Bundesbank warnt, dass die wirtschaftlichen Einbußen dramatischer ausfallen könnten als die bisherigen Distanzierungen von Russland.
Auch wegen der Abhängigkeit von chinesischen Vorprodukten in deutschen Schlüsselindustrien wie der Automobilbranche, dem Maschinenbau und der Elektronik- sowie Elektrotechnik. Beinahe jedes zweite deutsche Unternehmen bezieht solche essenziellen Produkte aus China.
Eine Abkehr von China hätte seinen Preis: Deutsche Firmen würden nicht nur einen kritischen Absatzmarkt einbüßen, sondern müssten auch ihre Lieferketten unter oft kostspieligen Bedingungen reorganisieren. Daraus resultierende Lieferengpässe könnten zu gravierenden Produktionsstörungen innerhalb Deutschlands führen. Die Schwierigkeiten in China könnten überdies ähnliche Probleme in weiteren Volkswirtschaften nach sich ziehen, was globale Unsicherheiten verstärkt und die deutsche Wirtschaft zusätzlich belastet.
Voraussichtlich würde sich auch die Inflation in Deutschland verschärfen, da Lieferkettenunterbrechungen und höhere Beschaffungskosten die Preise für Verbraucher steigen lassen würden. Der Wegfall chinesischer Importe könnte zudem zu einem Mangel an Wettbewerb führen, der es inländischen Anbietern erlaubt, ihre Preise zu erhöhen. Diese Entwicklungen würden zusammen mit Wechselkursschwankungen und importierter Inflation die Lebenshaltungskosten potenziell weiter in die Höhe treiben.
Strategien der Bundesregierung und Industrie zur Stärkung der deutsch-chinesischen Handelsbeziehungen
Die vorgebrachten Argumente machen eines deutlich: Eine vollständige wirtschaftliche Loslösung Deutschlands von China, ein sogenanntes „De-Coupling“, steht nicht zur Debatte. Die Bundesregierung bleibt trotz aller Risiken an den engen Handelsbeziehungen interessiert und fokussiert sich in ihrer China-Strategie auf die Stärkung der wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit und die Diversifikation der Handelspartnerschaften.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) bekräftigt diese Haltung und unterstreicht die Notwendigkeit stabiler Verbindungen zu China. Rückblickend bot der chinesische Markt enormes Wachstumspotenzial, von dem deutsche Firmen profitierten. Die Strategie der Bundesregierung „adressiert geopolitische Risiken, betont aber gleichzeitig Deutschlands Interesse an substanziellen Wirtschaftsbeziehungen und an Kooperationen mit China zur Bewältigung globaler Herausforderungen“, erklärt BDI-Präsident Prof. Dr.-Ing. Siegfried Russwurm.
Doch wie sollten deutsche Unternehmen jetzt agieren? Es wird entscheidend sein, die eigene Abhängigkeit von chinesischen Importen kritisch zu hinterfragen und Risiken zu minimieren. Eine strategische Neuausrichtung ist unabdingbar, sei es durch Erschließung neuer Beschaffungsmärkte oder Investitionen in alternative Technologien, die weniger abhängig von bestimmten Vorprodukten oder Marktschwankungen sind.
Zukunftsgestaltung: Flexibilität, Diversifikation und Innovationschancen
Die Diversifikation von Lieferketten und die Erstellung von Notfallplänen gewinnen an Wichtigkeit. Statt sich auf chinesische Zulieferer zu verlassen, sollten Firmen alternative Bezugsquellen erkunden, wie regionale Anbieter oder Länder mit geringeren geopolitischen Risiken, um die Widerstandsfähigkeit gegen externe Schocks zu stärken.
Auch kann es sinnvoll sein, strategische Komponenten auf Lager zu halten, um Lieferkettenunterbrechungen abzufedern. Investitionen in anpassungsfähige Produktionstechnologien können Unternehmen dabei unterstützen, schneller auf Veränderungen zu reagieren und Ausfallzeiten zu verringern. Ein mittelständischer Automobilzulieferer könnte beispielsweise Produktionsstätten in Osteuropa ausbauen, um sich gegen Lieferkettenrisiken abzusichern und gleichzeitig in additive Fertigungstechniken investieren, um bei Engpässen zügig Ersatzteile produzieren zu können.
Letztendlich erfordern die geopolitischen Spannungen umsichtiges Agieren und strategische Voraussicht. Regelmäßige Risikoanalysen sind essenziell, um auf verschiedene Szenarien vorbereitet zu sein. Während die wirtschaftliche Verbindung zu China gepflegt werden sollte, ist es für Unternehmen ebenso wichtig, eine zu starke Abhängigkeit zu vermeiden.