Angesichts dramatisch fallender Umfragewerte – die meisten Umfragen-Institute sehen inzwischen die FDP unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde – steigt bei den Liberalen erkennbar die Nervosität. In einem Interview hat der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Parteivize Wolfgang Kubicki vor einem Auseinanderbrechen der Koalition gewarnt: „Ich ahne für die nächsten Monate nichts Gutes.“ Kubicki sieht dafür die Verantwortung bei SPD und Grünen und mahnt bei den Koalitionspartnern einen Kurswechsel an.
Angriff auf SPD und Grüne
„Der Angriff des SPD-Fraktionsvorsitzenden in der Haushaltsdebatte auf die FDP beim Kindergeld beziehungsweise dem Kinderfreibetrag unter Missachtung der Vereinbarungen in der Koalition zeigt, dass die Spannungen in der Koalition zunehmen", sagte Kubicki. Der FDP-Vize bezog sich dabei auf den SPD-Fraktionschef Mützenich, der im Bundestag Überlegungen der FDP eine Absage erteilt hatte. Auch den grünen Vizekanzler Robert Habeck rügte Kubicki scharf. Diesem warf er vor, im Bundestag der Opposition Verhandlungen über ein neues Sondervermögen für die Wirtschaft angeboten zu haben, ohne dies vorher mit dem Koalitionspartner abgesprochen zu haben. Wer so handele, sagte Kubicki, habe „sich innerlich schon von der Koalition verabschiedet. Zusammenarbeit in einer gemeinsamen Regierung sieht anders aus.“
Auch der Generalsekretär der FDP Bijan Djir-Sarai rügte die Koalitionspartner scharf: „Wir müssen die Menschen, Betriebe und Unternehmen in Deutschland entlasten.“ Die sei „die Grundlage für den wirtschaftlichen Aufschwung, den wir dringend brauchen und der von zentraler Bedeutung für dieses Land“ sei. Djir-Srai fügte dann hinzu: „Dass Grüne und SPD diese Realität nicht anerkennen wollen, ist sehr besorgniserregend.“
Interne Kritik
Unter zunehmendem Druck gerät die FDP-Führung auch in den eigenen Reihen. Auf der jüngsten Sitzung der FDP-Bundestagsfraktion entlud sich lange aufgestauter Unmut. Im Visier der Kritiker stand vor allem die Fraktionsführung: Man verhandele schlecht, gebe SPD und Grünen zu oft nach, wie beispielsweise beim Einwanderungsgesetz. Und: Während die wirtschaftliche Lage im Land verheerend sei, versende die Social-Media-Abteilung der Fraktion lustige Videos. Dies gehe an der Realität und der Stimmungslage vieler Wähler vorbei, so die Kritiker in der Fraktion. Als erste Reaktion haben nun Finanzminister Christian Lindner und Justizminister Marco Buschmann das Lieferkettengesetz gestoppt – sehr zum Missfallen von SPD und FDP.
Tatsächlich deutet vieles darauf hin, dass sich an den Beratungen zum nächsten Haushalt das Schicksal der Ampel-Koalition entscheidet. FDP-Vize Kubicki hat bereits angekündigt, dass sich in der Koalition „Fliehkräfte“ entwickelt hätten, die im Rahmen der Beratungen zum Haushalt 2025 noch zunehmen würden. Bei nicht wenigen Abgeordneten verfestigt sich zunehmend der Eindruck, dass ein Festhalten an der Ampel-Koalition die weitere parlamentarische Existenz der FDP gefährde. Eine Mitgliederbefragung der FDP über den Verbleib in der Koalition hatte vor wenigen Wochen nur eine knappe Mehrheit für ein Festhalten an der Ampel ergeben. Seitdem ist aber die Stimmung vor dem Hintergrund desaströser Umfragen kaum besser geworden.
Bei den Liberalen werden zunehmend Erinnerungen an das Jahr 2013 wach. Bei der Wahl am 22. September verlor die FDP im Vergleich zur Vorwahl 9,8 Prozentpunkte und erreichte nur noch 4, 8 Prozent, womit sie unterhalb der Fünf-Prozent-Marke blieb und aus dem Bundestag flog.